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Als wir bei Harry Tompkin vorfuhren, erwartete uns schon einer seiner Bodyguards an der Haustür. Harry Tompkin lebte am Nordufer des Sheepshead Bay in der Emmons Avenue. Der Kerl rührte sich nicht vom Fleck, als wir aus dem Buick stiegen und uns dem Haus näherten. Durch die schwarzen Gläser seiner Sonnenbrille aber hatten sich seine Augen regelrecht an uns verkrallt.

„Der bekäme von mir allein für seine Verbrechervisage schon zwanzig Jahre“, zischelte Milo mir aus dem Mundwinkel zu.

Und ich gab ihm recht. Der Mann hatte schwarzes Kraushaar, die fliehende Stirn eines Homo erectus und eine platt geschlagene Nase, die in mir den Verdacht aufkommen ließ, dass das Gesicht dieses Burschen in frühester Kindheit öfter mal Bekanntschaft mit einer Schubraupe gemacht hat.

„Ihr seid also die beiden Schnüffler, die Harry vor demselben Schicksal wie seinen Vater und seinen Bruder bewahren sollen“, empfing er uns mit höhnischem Unterton, und es war keine Frage, sondern eine Feststellung.

„Wobei ich betonen möchte, dass nur ein toter Tompkin ein guter Tompkin ist“, konnte sich Milo nicht verkneifen zu sagen.

„Als der liebe Gott das vorlaute Mundwerk verteilte, scheinst du besonders gut weggekommen zu sein, Mister“, fauchte der Bodyguard.

„Lieber ein vorlautes Mundwerk als ‘nen Kopf wie ‘ne Zangengeburt“, konterte Milo.

Ich befürchtete schon, dass der Kerl Milo an die Gurgel sprang, und sekundenlang hatte es auch den Anschein, als wäre er drauf und dran. Schließlich aber entspannte er sich. Er atmete aus und grunzte: „Wir haben Waffenstillstand vereinbart. Ich für meinen Teil halte mich dran. Also kommt rein. Harry wartet schon.“

Er ließ uns an sich vorbei ins Haus.

Harry Tompkin erwartete uns im Wohnzimmer. Bei ihm war ein zweiter Bodyguard, ein Kerl mit einem Gesicht, in dem alles spitz war, und dessen Augen immerzu wieselflink hin und her huschten.

Harry Tompkin erhob sich, als wir den Raum betraten.

„Ich habe mit eurem Mr. McKee schon drüber gesprochen“, rief er. „Was mag Tom Hooker, der doch viele Jahre lang ein enger Vertrauter meines Vaters im Immobiliengeschäft war, plötzlich bewogen haben, diesen blutigen Feldzug gegen meine Familie zu unternehmen?“

„Im Immobiliengeschäft?“, wiederholte ich zweifelnd.

„Hast du ein Problem?“, fuhr mich der fuchsgesichtige Bursche an, der seine Sonnenbrille in die Höhe geschoben hatte, so dass sie hinter seinem Haaransatz saß.

„Womit?“, kam meine Gegenfrage. Dann beachtete ich den Kerl nicht weiter. Ich wandte mich an Harry Tompkin. „Was Hooker lenkt, das kann ich Ihnen auch nicht sagen, Tompkin. Eines aber sollten Sie von vornherein wissen: Weder ich noch mein Partner waren begeistert über den Auftrag, Sie zu beschirmen. Wir wissen nur zu gut, was sich hinter dem Immobiliengeschäft verbirgt. Es geht uns im Endeffekt nur darum, Tom Hooker das blutige Handwerk zu legen. Und da wir davon überzeugt sind, dass er Ihre Nähe suchen wird, um Sie auch noch aus dem Weg zu räumen, sind wir hier.“

„Dann bin ich also nur Mittel zum Zweck“, kam es von Harry Tompkin. „Sozusagen der Köder, den ihr Hooker vor die Nase zu halten gedenkt. Wenn auch über meine Leiche – Hauptsache, ihr schnappt Hooker.“

„Es trifft zwar den Nagel nicht ganz auf den Kopf“, versetzte an meiner Stelle Milo, „aber man kann es so sehen.“

„Ich glaube, G-men, besonders gute Freunde werden wir wohl nie werden“, schnappte Tompkin.

„Mit Gangstern pflegen wir grundsätzlich keine Freundschaften einzugehen“, konterte ich kalt.

Er sollte ruhig wissen, was wir von ihm hielten.

Und was er von uns hielt, das war uns ungefähr so egal, wie wenn in China ein Sack Reis umfällt.

Also quartierten wir uns bei Harry Tompkin ein. Wir legten uns sozusagen auf die Lauer.

Die Namen der beiden Bodyguards waren Dan Tucker und Cash Freeman. Tucker war der mit dem Boxergesicht, Freeman der Fuchsgesichtige.

Der Tag verging, der Abend kam.

Nichts geschah.

Die Nacht verging ohne Zwischenfälle. Milo und ich schliefen abwechselnd.

Es war kurz nach 8 Uhr morgens, als mein Handy klingelte. Ich meldete mich. Es war Mr. McKee. Er sagte: „Vergangene Nacht versuchte einer in Annie Hewitts Haus einzudringen. Sein Name ist Sven Sanborn. Die Leute vom Security-Dienst haben ihn geschnappt und der City Police übergeben. Sie haben ihn ins City Prison eingeliefert. Er behauptet, lediglich ein Fan von Annie zu sein, der einmal ihre unmittelbare Nähe spüren wollte. Vielleicht stimmt es. Solche Fanatiker gibt es. Vielleicht stimmt es aber auch nicht, und der Bursche hat etwas mit den Rosen und der Karte zu tun.“

„Ich werde ihn mir vorknöpfen, Sir“, versicherte ich.

„Wie war es bei Ihnen?“, fragte der SAC.

„Keine besonderen Vorkommnisse. Wir bewegen uns sozusagen auf feindlichem Territorium. Ihnen brauche ich ja nicht zu erzählen, wie das ist, Sir.“

Mr. McKee lachte. Dann beendete er das Gespräch mit den Worten: „Haltet mich auf dem Laufenden, Jesse.“

„Klar, Sir.“

Ich schaute Milo an. „Sie haben einen festgenommen, der in der Nacht in Annie Hewitts Haus einzudringen versuchte. Ich fahre ins City Prison und unterhalte mich ein wenig mit dem Knaben. Vielleicht ist er unser Mann, und wir sind wenigstens das Problem mit den Tennisdamen los.“

„Denkst du, er wollte zu Annie, um ihr unter vier Augen in die Hand zu versprechen, sie zur Nummer eins zu machen?“, kam es zweifelnd von Milo. „Kann ich mir nicht vorstellen. Aber fahr ruhig hin und nimm dir den Burschen vor. Ich halte hier die Stellung.“

Also fuhr ich los. Unbemerkt von Harry Tompkin und seinen Gorillas nahm ich eine leere Zigarettenschachtel und einen zerfledderten Comicstrip mit.

*


Sven Sanborn war ein 25-jähriger Mann mit roten Haaren und einem Gesicht, das von Sonnensprossen übersät war. Er saß mir im Vernehmungsraum gegenüber. Neben der Tür lehnte ein Wachtmeister und beobachtete uns gelangweilt.

„Ich wollte sie nur einmal allein für mich haben“, erzählte Sanborn mit glänzenden Augen. „Ihr die Hand schütteln und ihr Glück bei den US-Open wünschen. Mehr wollte ich nicht. Nur einmal ihre Hand in der meinen spüren, von ihr angelächelt werden, ihr sagen, dass ...“

Er verstummte und schien durch mich hindurchzublicken.

„Was wollten Sie ihr sagen?“

„Egal.“ Sanborn winkte ab. „Es war dumm von mir. Ich hätte es wissen müssen. Für eine Frau wie Annie bin ich ein Nichts, ein Nobody. Sie hätte mir weder die Hand geschüttelt, noch hätte sie mich angelächelt. Sie will mit einem wie mir nichts zu tun haben. Ich bin wahrscheinlich Dreck in ihren Augen.“

„Waren Sie in Wimbledon?“, fragte ich ihn.

„Bei den Championships? – Nein.“ Er schüttelte den Kopf. „Einen Flug nach England kann ich mir nicht leisten. Aber ich habe die Turniere am Fernseher verfolgt. Das Endspiel! Ich habe Annie sämtliche Daumen gedrückt. Leider schaffte sie es nicht, Jane Snyder zu schlagen. Aber der Tag kommt noch ...“ Er blühte so richtig auf.

„Welcher Tag?“

„Na, dass Annie die Engländerin an der Spitze der Weltrangliste ablöst.“

„Haben Sie schon einmal mit Rich Delaney telefoniert? Vielleicht sogar am Tag vor dem Endspiel in Wimbledon?“

Sanborn schaute mich groß an. „Rich Delaney? Wer soll das sein? Gehört habe ich den Namen schon einmal. Aber im Moment komme ich nicht drauf, was es mit ihm auf sich hat.“

„Es ist der Manager Jane Snyders.“

„Richtig.“ Sanborn tippte sich mit den Fingerkuppen seiner Rechten gegen die Stirn. „Nein. Wieso sollte ich mit ihm telefonieren? Er interessiert mich nicht.“

„Zum Beispiel, um ihm zu drohen.“

„Ihm drohen? Weshalb?“

„Um ihm klar zu machen, dass sein Schützling im Endspiel gegen Annie Hewitt zu verlieren hat, da ihm ansonsten die Zähne ausgeschlagen werden würden.“

„Mann, was reden Sie für einen Unsinn? Am Tag vor dem Endspiel müssen sich Jane Snyder und ihr Manager ja irgendwo in London aufgehalten haben. Um mit ihm zu telefonieren, müsste ich gewusst haben, wo.“

„Und einen Brief an sein jetziges Quartier in Queens haben Sie auch nicht geschrieben?“, fragte ich, schon längst überzeugt, dass dieser arme Irre nicht der Mann war, der Annie Hewitt auf Nummer eins der Weltrangliste sehen wollte.

„Einen Brief? Ich? An Delaney?“, kam es abgehackt und verstört von Sanborn. Er schaute mich an, als wäre ich derjenige gewesen, der nicht alle Tassen im Schrank hat. „Wie käme ich dazu? Ich erledige meine Anliegen persönlich. Heh, Sie bringen mich auf eine Idee, Trevellian. Ich werde Annie einen Brief schreiben. Ja, ich werde ihr alles schreiben, was ich auf dem Herzen habe. Vielleicht lädt sie mich ein, um mit ihr über alles zu sprechen ...“

Ich stand auf. Bei diesem Knaben war Hopfen und Malz verloren.

Ich nickte. „Ja, Sven, schreiben Sie ihr einen Brief und schütten Sie ihr Ihr Herz aus. Vielleicht ...“ Ich brach ab. Ich wollte dem armen Irren nicht auch noch Mut machen.

Vom Auto aus rief ich Mr. McKee an. „Der ist schätzungsweise harmlos“, gab ich zu verstehen. „Dennoch sollte seine Wohnung durchsucht werden. Wenn sich dort allerdings keine Hinweise ergeben, dass er etwas mit der Morddrohung zu tun hat, dann sollte er schnellstens wieder auf freien Fuß gesetzt werden. Es würde ihm wahrscheinlich das Herz brechen, wenn er seine Angebetete bei den Spielen nicht wenigstens im TV sehen kann.“

„Ich werde seine Wohnung durchsuchen lassen, Jesse“, versicherte Mr. McKee. „Und sollte sich herausstellen, dass er nicht unser Mann ist, werde ich seine Entlassung veranlassen.“

„Gut, Sir. Bevor ich zu Tompkins Wohnung zurückkehre, komme ich im Field Office vorbei. Ich hab etwas, das ich gerne erkennungsdienstlich checken lassen möchte. Vielleicht bringt es uns weiter.“

„Was ist das, Jesse.“

„Eine leere Zigarettenschachtel mit den Fingerabdrücken Dan Tuckers, sowie einen Comicstrip, in dem Cash Freeman einige Male geblättert hat. Es dürften sich einige brauchbare Prints von ihm auf den Seiten des Heftchens finden. Ach so, Sir, Tucker und Freeman sind die beiden Gorillas, die Harry Tompkin ständig im Schlepptau hat.“

Ich fuhr los.

Mörder Nummer eins: 5 Krimis

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