Читать книгу Mörder Nummer eins: 5 Krimis - Pete Hackett - Страница 31
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ОглавлениеAuch wir hatten die Nachrichten im Haus Harry Tompkins gehört und gesehen. „Hinter dieser Tat steckt der Geistesgestörte, der Annie Hewitt auf dem Tennisthron sehen möchte“, murmelte Milo. „Wie verrückt muss ein Mensch sein, um derart auszurasten?“
„Langsam werde ich den Eindruck nicht los, dass hinter der ganzen Sache mehr zu suchen ist als nur der reine Fanatismus eines Anhängers“, gab ich zu verstehen.
„Wir sollten vielleicht doch mal mit Annie Hewitt und ihrem Manager sprechen“, meinte Milo.
„Du denkst, dass sie vielleicht doch hinter der Gemeinheit von Wimbledon stecken und hier in New York diese Show ein zweites Mal abzieh‘n. Kann der Ehrgeiz einer Tennisspielerin, die Nummer eins zu werden, so groß sein, dass sie selbst vor Verbrechen nicht zurückschreckt?“
„Es kann auch der Ehrgeiz des Managers sein“, wandte Milo ein.
„Ein Gespräch mit ihnen kann jedenfalls nicht schaden. Wenn allerdings Annie Hewitt oder ihr Manager oder die beiden zusammen Jane Snyder und Rich Delaney unter Druck setzen, dann passt die Sache mit Sanborn nicht ins Bild.“
„Das kann ein reiner Showeffekt sein, um von sich abzulenken. Ach, weiß der Kuckuck. Jedenfalls sollten wir den beiden mal etwas intensiver auf die Finger schau‘n. Denn wer, außer Annie Hewitt selbst, kann größeres Interesse daran haben, dass sie sich den ersten Platz im Tennisspektakel erobert. Was meinst du, was für ein Dollarsegen hinter dieser Platzierung steckt? Allein an den Werbeverträgen verdient sich die Weltranglistenerste dumm und dämlich.“
Milo und ich saßen im Salon in bequemen Sesseln.
Der Hausherr und seine Bodyguards hatten sich in den Livingroom zurückgezogen und spielten Karten. Die Lebensgefährtin Harry Tompkins war sofort nach dem Mord an Fred Tompkin mit unbekanntem Ziel verreist. Ihr war wahrscheinlich das Pflaster in New York zu heiß geworden, nachdem die Kugeln in den vergangenen Tagen nur noch in Richtung Tompkin-Clan zu fliegen schienen.
Vielleicht hatte Harry sie auch weggeschickt, um sie keiner Gefahr auszusetzen.
Wenn sich Harry uns gegenüber recht unbekümmert gab, so war die Fassade, die er sich verpasste, durchsichtig genug, um zu erkennen, dass er Schiss hatte und dass diese Furcht seine Psyche aushöhlte.
Möglich, dass Tom Hooker schon ums Haus schlich wie der Fuchs um den Hühnerstall. Den Zeitpunkt würde er bestimmen. Den Ort hingegen bestimmten wir, indem wir beschlossen hatten, dass Harry Tompkin sein Haus überhaupt nicht mehr verlassen sollte.
Der Tag neigte sich seinem Ende zu. Die Düsternis kam, dann hing die Dunkelheit vor den Fenstern. Wir hatten die Jalousien heruntergelassen, denn im Licht hätten wir uns wie auf einem Präsentierteller dargeboten.
Tatsächlich hatte Tom Hooker im benachbarten Grundstück Stellung bezogen. Er hatte sich dunkel gekleidet. Die Finsternis unter den Bäumen und zwischen den Büschen, mit der er verschmolz, war sein Verbündeter.
Er hatte das Haus mehrere Stunden lang beobachtet. Harry Tompkin hatte nicht mal die Nasenspitze von sich sehen lassen. Tom Hooker schmiedete seinen Plan, und fuhr zu seinem Waffenlager in der Clinton, 52th Street, West, wo die Privatdetektei Bourke & Garland ihren Sitz hatte.
Und dann war er, mit zwei Handgranaten bewaffnet, zurückgekehrt.
Er kauerte beim Gartenzaun, der die beiden Grundstücke voneinander abgrenzte, und spähte durch das Zweig- und Nadelgespinst einer Hecke in Richtung des Tompkin-Bungalow. Zwischen den Ritzen einiger Jalousien konnte er Licht schimmern sehen.
Er verließ seinen Platz und sprang über den Zaun. Sofort glitt er in den Schutz eines dichtbelaubten Strauches. Er wurde regelrecht eins damit.
Wieder wartete er fast eine Viertelstunde.
Im Haus blieb es ruhig.
Tom Hooker, der Killer, huschte weiter. Er strich um die Doppelgarage herum und erreichte die Rückseite des Bungalows. Auch hier waren die Jalousien vor den Fenstern heruntergelassen. Es gab zwei vergitterte Schächte mit Kellerfenstern. Vorsichtig hob Hooker eines der Gitter ab. Er beugte sich in den Schacht. Seine Hand ertastete eine durchlöcherte Stahlblechtafel, die das Kellerfenster wie ein engmaschiges Gitter sicherte.
Hooker kannte das System dieser fertigen Kellerfenster. Stahlblechgitter und Scheibe waren von innen nur mit einem Riegel gesichert. Ein solches Fenster aufzusprengen wäre ein Kinderspiel für ihn gewesen, allerdings hätte der Lärm sicher die Bodyguards Harry Tompkins auf den Plan gerufen.
Dass sich im Haus zwei FBI-Beamte aufhielten, davon hatte Tom Hooker keine Ahnung.
Durch eines der Fenster ins Haus einzudringen war unmöglich.
Also beschloss Hooker, Plan B auszuführen.
Der Killer ließ seinen Blick über das Dach wandern und heftete ihn auf einen der beiden Kamine, die den Dachfirst überragten. Er überlegte. Sein Vorteil war, dass er das Haus kannte. Als er noch den Tompkins treu ergeben und Billys enger Vertrauter war, hatte er hin und wieder mal Gelegenheit gehabt, mit seinem Boss hier zu sein. Also wusste er, dass einer der beiden Schornsteine, die aus dem Hausdach ragten, im offenen Kamin des Livingrooms endete. Und hinter der Jalousie des Livingrooms hatte Tom Hooker Licht gesehen.
In einem Geräteschuppen fand er eine kurze Leiter, mit deren Hilfe er aufs Garagendach gelangte. Von dort aus stieg er auf das Hausdach. Geduckt und die Füße vorsichtig aufsetzend lief er die Dachschräge nach oben. Da er Sportschuhe mit dick gepolsterten Sohlen trug, verursachte er nicht das geringste Geräusch. Und er musste auch nicht befürchten, auszugleiten.
Tom Hooker erreichte den Kamin. Er drehte sein Ohr hinein und lauschte. Schätzungsweise fünf bis sechs Meter unter ihm endete die Röhre, durch die in der kalten Jahreszeit der Rauch des Kaminfeuers entwich.
Hooker konnte murmelnde Stimme vernehmen, einmal lachte ein Mann.
Hooker holte eine der beiden Handgranaten aus der Jackentasche. Es war eine Army-Eierhandgranate mit Brennzünder und Verzögerungshebel.
Mit den Zähnen riss Hooker am Auslöser und aktivierte auf diese Weise den Zünder. Sein Hand umspannte die Granate samt Verzögerungshebel. Die hervorragende Ausbildung beim Militär kam Hooker in seinem Job als Killer ausgesprochen entgegen.
Er hob die Hand über die Kaminöffnung und ließ die Granate fallen. Mit einem Satz war er hinter dem anderen Kamin für die Öl-Zentralheizung in Deckung.
Eine gewaltige Explosion erschütterte den Bungalow. Fensterscheiben und Jalousien des Wohnzimmers wurden regelrecht in den Garten geblasen. Steinbrocken vom Kamin flogen durch die Luft. Sekundenlang war der Raum in gleißendes Licht getaucht. Kalkstaub quoll in die Höhe und füllte das Zimmer wie mit dichtem Nebel. Die Tür zum Flur war aufgeflogen. Der Staub suchte sich einen Weg durch die entstandenen Öffnungen ins Freie und in den Korridor ...
Schlagartig waren in dem Haus sämtliche Lichter erloschen.
Nur die brennenden Gardinen im Wohnzimmer sorgten für geisterhafte Lichtreflexe.
Milo und ich waren mit der fürchterlichen Detonation aus unseren Sesseln gesprungen, als hätte uns jemand einen glühenden Draht gegen das Hinterteil gehalten. Zwei Atemzüge lang waren wir ziemlich perplex, und ich wartete darauf, dass jeden Moment die Zimmerdecke herunterkam und uns unter sich begrub.
Dann kam das Begreifen.
Tom Hooker hatte einen Weg gewählt, um Harry Tompkin auszuschalten, auf den ein normaler Sterblicher erst kam, wenn er ihm auf brutale Art und Weise aufgezeigt wurde.
Eine zweite Detonation erschütterte das Haus wie ein furchtbares Erdbeben. Sie fand im Keller statt. Der Boden unter unseren Füßen schien zu wanken.
Tom Hooker hatte die zweite Handgranate in den Kamin der Zentralheizung fallen lassen.
Im erstem Moment dachte ich an eine Panzerfaust. Dann war ich auch schon bei der Tür. Die SIG lag in meiner Hand. Milo hatte die selbe Idee. Er riss die Tür schon auf. Staub wirbelte uns entgegen, legte sich auf unsere Schleimhäute und reizte sie. Ich hörte Milo hüsteln und versuchte flach durch die Nase zu atmen. Wir standen zunächst in absoluter Finsternis. Ätzender Geruch verbrannten Sprengstoffs vermischte sich mit dem wogenden Staub.
Unsere Augen passten sich an.
Die Tür des Livingrooms stand offen und hing schief in den Angeln. Zuckender Feuerschein durchdrang Staubwand und Finsternis und wies uns den Weg.
Wir tasteten uns vorwärts.
Licht und Schatten von den brennenden Gardinen huschten über die Szene, die sich unseren Blicken bot.
Harry Tompkin und seine Bodyguards lagen am Boden. Der kraushaarige Dan Tucker war halb unter dem Tisch begraben, der von der Explosion in die Höhe gewirbelt worden war. Die Sessel waren umgekippt. Möbeltrümmer lagen überall herum.
Ich rannte zur Haustür und schloss sie auf. Im nächsten Moment sprang ich ins Freie.
Milo landete mit beiden Beinen gleichzeitig neben mir.
Wir spritzten auseinander.
Tom Hooker war über das Garagendach wieder in den Garten gelangt. Geduckt rannte er in Richtung Nachbargrundstück.
Ich sah den huschenden Schemen zwischen den Büschen.
„Dort läuft er!“, stieß ich hervor und drückte mich ab.
Milo verlor nicht einen Augenblick und folgte mir.
Wir trennten uns. Ich hetzte an Blumenbeeten und Sträuchern vorbei, meine Füße schienen kaum den Rasen zu berühren.
„Stehenbleiben! FBI!“, quälte ich mir aus den Lungen und feuerte einen Warnschuss in die Luft.
Der Killer erreichte den Zaun und hechtete einfach darüber hinweg. Drüben rollte er sich geschickt über die Schulter ab und kam behände wieder auf die Beine.
Er rannte in den Schatten einer Hecke und verharrte in sprungbereiter, lauernder Haltung.
Als ich über den Zaun jumpte, schoss er. Ich sah die grelle Mündungsflamme und ließ mich flach auf die Erde fallen. Die Kugel pfiff über mich hinweg und zerfetzte eine Zaunlatte.
Milo feuerte über den Zaun. Sein Ziel war das Mündungslicht des Killers.
Ich lag auf dem Bauch und hielt die SIG vor mein Gesicht.
Milo wechselte nach jedem Schuss blitzartig die Position. Die Detonationen stießen durch die Nacht und über die Dächer der Häuser hinweg.
Bei dem Killer brüllte wieder die Pistole auf. Auch er hatte den Standort gewechselt. Er nahm Milo unter Feuer.
Mein Finger krümmte sich. In rasender Folge jagte ich vier Kugeln aus dem Lauf, so schnell, dass sich die Schüsse anhörten wie eine einziger, gewaltiger Donnerschlag.
Und dann war es still.
Dort, wo Hooker sich verschanzt hatte, war ein Rascheln zu vernehmen, ein Rauschen, als würde eine Böe in den Busch fahren, das Knacken von Zweigen, dann ein dumpfer Fall.
Ich kroch zur Seite und nahm hinter einem Busch kauernde Haltung ein. Mein Blick huschte über den Zaun und die Hecke zu Tompkins Grundstück. Von Milo war nichts zu sehen.
Aber von dort, wo sich Tom Hooker mit seinem letzten Schuss durch das Mündungsfeuer verraten hatte, wehte ein verlöschendes Gurgeln heran.
In einiger Entfernung vernahm ich ein dumpfes Geräusch. Ich vermutete, dass Milo über den Zaun gesprungen war.
Ich gab mir einen Ruck, drückte die Knie durch und kam hoch. Nach vorne gekrümmt, den Schutz der Büsche ausnutzend, pirschte ich mich an die Stelle heran, von wo ich das Gurgeln vernommen hatte.
Ich umrundete die Stelle.
Dann sah ich einen Schatten zwischen den Sträuchern auftauchen und hörte Milos raunende Stimme: „Sieht aus, als hättest du ihn erwischt, Partner.“
„Sieht so aus“, gab ich leise zurück.
Dennoch war äußerste Vorsicht geboten. Uns gegenseitig den Weg sichernd erreichten wir die Stelle, an der wir den Killer vermuteten. Und schließlich sahen wir das reglose, längliche Bündel, das sich schwarz vom Rasen abhob. Rasselnde Atemzüge verrieten uns, dass es sich um einen Menschen handelte, der da lag.
Milo pirschte um den Strauch herum. Und dann traten wir fast gleichzeitig aus der Deckung, die Waffen auf das Bündel am Boden angeschlagen. Milos Taschenlampe flammte auf.
Es war Tom Hooker. Seine Pistole lag neben ihm im Gras. Seine Brust hob und senkte sich unter keuchenden Atemzügen. Der Lichtkegel der Stablampe legte sich auf sein Gesicht. Hooker hatte die Augen geschlossen. Sein Gesicht wirkte wächsern und eingefallen.
Der Lichtschein wanderte weiter nach unten.
Auf Tom Hookers Brust war ein großer Blutfleck auszumachen. Er schimmerte dunkel und feucht.
Ich stieß mit dem Fuß die Kanone des Killers außer Reichweite und beugte mich über den Verwundeten. Hooker bäumte sich plötzlich auf, seine Lippen sprangen auseinander, es war wie das letzte Aufflackern seines Lebenswillens. Aber dann fiel er zurück und das Rasseln seiner Bronchien endete.
Eine meiner Kugeln hatte einen blutigen Punkt unter sein Leben gesetzt.
Ich richtete mich auf.
Und jetzt vernahm ich das ferne Heulen von Sirenen. Die Nachbarschaft hatte wahrscheinlich nach den gewaltigen Explosionen im Haus Tompkins und als die Schießerei begann, das Police Departement verständigt.
Jetzt rückten die Kollegen an.
Wie viel Zeit vergangen war, seit die Granaten explodiert waren, vermochte ich nicht zu sagen. Es konnten fünf Minuten gewesen sein, ebenso gut aber eine Viertelstunde.
Die Anspannung während der Verfolgung Hookers und der Schießerei hatte mich jeglichen Zeitbegriffs beraubt.