Читать книгу Mörder Nummer eins: 5 Krimis - Pete Hackett - Страница 16
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Am folgenden Tag fuhren Milo und ich mit einem Dienstwagen, einem schweren Buick, zu Fred Tompkin. Der Sportwagen war in der Werkstatt, damit seine Wunden versorgt wurden.
Fred Tompkin besaß eine Nobelherberge in Brooklyn Heights, einem alten Wohnviertel direkt gegenüber der Südspitze Manhattans. Hier hatte schon General Washington im Befreiungskrieg während der Schlacht um Long Island sein Hauptquartier aufgeschlagen.
Fred Tompkin war der Ältere der beiden Tompkin-Brothers. Als ich ihm gegenüberstand, fragte ich mich, ob er oder Harry die Organisation übernehmen würde, die sein Vater Billy gegründet und zur Blüte gebracht hatte. Vielleicht würden sie sich den Platz ihres Vaters auch teilen.
Fred war ein Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle, ein Mann von Welt, wie man so sagt. Man hätte ihn aber auch als einen aalglatten Hundesohn bezeichnen können. Er begrüßte uns wie alte Freunde, als wir uns als Agenten des FBI vorstellten. Er steckte in einem seidenen Hausanzug, seine schwarzen Haare waren straff zurückgekämmt, an seinen Fingern blitzten einige gewiss nicht billige Ringe, um seinen Hals lag eine dicke, goldene Kette mit einer diamantenbesetzten Nofretete als Anhänger.
Er führte uns in den Salon und forderte uns auf, Platz zu nehmen. Zwei Leibwächter, Kerle, denen man ihr Handwerk von den kantigen Gesichtern ablesen konnte, blieben vor der Tür. Eine Frau, die mit Fred beim Frühstück gesessen hatte, verzog sich ohne große Worte.
„Sicher“, meinte Fred Tompkin ernst, „wenn Bomben im Spiel sind, dann sind die Jungs vom FBI an der Reihe.“ Er faltete theatralisch die Hände, starrte auf seine Fingerkuppen, und gab mit brüchiger Stimme zum Besten: „Mein armer Dad. Hat immer nur das Beste gewollt. Für seine Familie, für das Gemeinwohl, für die Randgruppen unserer Gesellschaft. Wer mag ihn bloß ermordet haben? Ich wüsste nicht, dass er einen einzigen Feind gehabt hätte.“
Seine Lippen zuckten.
„Ja“, sagte Milo, „Billy Tompkin hat viel für das Gemeinwohl getan. Er hat soziale Einrichtungen finanziell unterstützt, hat Millionen Dollars in den sozialen Wohnungsbau investiert, hat dieses und jenes gute Werk in Szene gesetzt – und hat auf diese Weise Millionen Dollars aus seinen schmutzigen Drogengeschäften und der illegalen Prostitution gewaschen. Natürlich hatte Billy auch keine Feinde. Was zählen schon die Eltern all der jugendlichen Junkies, die er süchtig gemacht hat? Oder die Huren, die er abgetakelt hat wie alte Fregatten, wenn sie nicht mehr den Umsatz brachten, den er erwartete?“
Das Heucheln Fred Tompkins brachte Milo auf die Palme. Und es entriss ihm Dinge, die vielleicht nicht angebracht waren. Aber der Frust kann schon verdammt tief sitzen, wenn du weißt, du hast es mit einem skrupellosen Schwerbrecher zu tun, und du kannst ihm keines seiner Verbrechen nachweisen, weil du auf eine Mauer des Schweigens und der Angst stößt.
Milo erntete von Fred Tompkin, der die Hände wieder gesenkt hatte, einen vernichtenden Blick voll Gehässigkeit. „Sie beleidigen meinen Vater, G-man“, schnappte Fred. „Haben Sie einen einzigen Beweis für alles das, was Sie eben ausgespuckt haben wie eklige Krankheitserreger?“
Einen Beweis hatten wir nicht. Und bevor sich Milo weiter in haltlosen Anschuldigen verzettelte, ergriff ich das Wort. Ich sagte: „Das FBI erhielt einen Hinweis, dass der – hm, ich will mal sagen, dass der Sekretär Ihres Vaters, Tom Hooker, die Bombe in seinem Wagen versteckte. Tom Hooker scheint sich in Luft aufgelöst zu haben. Haben Sie eine Ahnung, wo er sich aufhalten könnte?“
Fred Tompkin lachte blechern. „Diesem Unsinn schenken Sie doch keine Beachtung, G-men. Tom Hooker war nach Harry und mir der engste Vertraute meines Dad. Vielleicht fürchtet er deswegen, dass man auch auf ihn einen Anschlag plant, und darum hat er sich für einige Zeit aus dem Rampenlicht verzogen.“ Fred Tompkin hob die Schultern. „Ich weiß es nicht. Zu Tom Hooker hatte ich kaum persönlichen Kontakt.“
„Sie sind ein Mann in den besten Jahren, Fred“, ließ ich wieder meine Stimme erklingen. „Ich nehme mal an, ein ehrgeiziger Mann. War es nicht längst an der Zeit, dass Billy die Geschäfte in jüngere, aktivere Hände legte?“
Er blinzelte mich an. „Was soll ich mit dieser Frage anfangen?“, murmelte er schließlich.
Ich grinste ihn an.
Er begriff und prallte zurück. Seine Lippen sprangen auseinander, aus seiner Kehle brach es: „Zum Henker, G-man, Sie denken doch nicht, dass ich meinem Vater den Killer auf den Hals schickte!“
„Wer wird Billys Erbe antreten, Fred?“, fragte ich. „Sie oder Ihr jüngerer Bruder Harry?“
In Fred Tompkins Zügen arbeitete es. Er starrte mich an, als wollte er meine geheimsten Gedanken ergründen. „Was das Immobiliengeschäft angeht, so denke ich, dass ...“
„Wir reden von der Herrschaft über das Syndikat“, fuhr ihm Milo in die Parade. „Syn-di-kat!“ Milo wiederholte das Wort und zerlegte es dabei in seine Silben. „Einer von euch wird doch die Tradition fortsetzen und das Gemeinwohl fördern, Fred.“
„Der zynische Tonfall Ihres Kollegen gefällt mir nicht, Mr. Trevellian“, wandte Fred Tompkin sich an mich. „Und da ich nicht glaube, dass ich Ihnen weiterhelfen kann in Ihrem Bestreben, den Mörder meines Vaters zu finden, bitte ich Sie, jetzt zu geh‘n. Ich muss mich in meinen eigenen vier Wänden nicht beleidigen lassen.“
Ich erhob mich.
Milo ruckte ebenfalls hoch.
Tompkin blieb sitzen und musterte uns mit hochgezogenen Brauen, was seinem glatten Gesicht einen ausgesprochen arroganten und erhabenen Ausdruck verlieh.
Ich sagte: „Wir waren gestern Abend bei Tom Hookers Freundin. Auch sie konnte uns nichts über Toms Verbleib erzählen. Als wir aber wegfuhren, wurden wir verfolgt. Ein Motorradfahrer. Er vergeudete einige Stücke stahlummanteltes Blei, das eigentlich uns die Lichter auslöschen sollte.“
„Und warum erzählen Sie mir das? Ihr FBI-Leute habt doch überall Feinde, die euch gerne sechs Fuß unter der Grasnarbe sehen würden.“
„Ich erzähle Ihnen das, weil wir annehmen, dass der Schütze auf dem Motorrad Tom Hooker war. Wir erklärten seiner Freundin, dass wir ihn für den Mörder Ihres Vaters halten, Fred. Und gleich darauf wird auf uns geschossen. Was schließen Sie daraus?“
„Dass Tom Hooker, falls er der Schütze war, auch der Killer meines Vaters ist. Und er wollte zwei Schnüfflern einen Denkzettel verpassen. Haben Sie vielleicht eine andere Idee, G-man?“
„Wir zeigten seiner Freundin unsere Ausweise nicht. Vielleicht hielt er uns für Männer, die ihm einer auf den Hals geschickt hat, einer, der Billys Tod rächen will. Was hätte er davon, wenn er zwei FBI-Agenten umlegt? Leute wie wir nehmen ihr Wissen nicht mit ins Grab. Denn alles, was wir in Erfahrung bringen, ist fein säuberlich auf der Festplatte unseres PC dokumentiert, und es landet in der Regel im Zentralcomputer des FBI in Washington. Also, was brächte einem Gangster der Tod zweier ermittelnder FBI-Leute?“
„Genugtuung, Zufriedenheit, tiefe, innere Befriedigung“, grinste Fred Tompkin. „Weiß man‘s denn, was in so manchem Verbrecherhirn vor sich geht?“
„Wenn man das wüsste, dann wäre ich jetzt sicherlich um einiges schlauer“, knurrte Milo wütend.
Fred Tompkin hatte eine scharfe Erwiderung auf der Zunge. Er schürzte die Lippen, aber ich kam ihm zuvor.
„Versuchen Sie nur nicht, das Gesetz in die eigenen Hände zu nehmen, Fred“, warnte ich. „Wir brauchen uns nichts vorzumachen. Sie und ich und auch mein Kollege wissen, dass Ihr Vater ein Mafioso war. In diesen Kreisen ist es üblich, dass man seine Angelegenheiten von einem bezahlten Killer erledigen lässt. Sie und Ihr Bruder waren die Kompagnons Billys. Und sicher werden Sie oder Harry oder Sie beide gemeinsam seine Nachfolge antreten. Wenn wir also irgendwann vor dem Leichnam Tom Hookers stehen sollten, werden wir uns an Sie halten.“
„Jetzt sagen Sie mir bloß noch eines, G-man“, schnaubte Fred Tompkin. „Weshalb sollte Tom Hooker meinen Vater ermorden? Nachdem Sie die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben scheinen, können Sie mir diese Frage doch sicher auch beantworten. Es gibt keinen Grund dafür.“
„Es sei denn, einer bezahlt Hooker mehr, als es Ihr Vater getan hat. Einer, der den Tompkin-Clan aus dem Geschäft drängen will. Ich könnte auch sagen, aus dem Geschäft schießen, oder aus dem Geschäft bomben. Denken Sie mal drüber nach, Fred, wenn Sie die Stelle Ihres Vaters einnehmen.“
Meine Worte schienen Fred Tompkin nachdenklich zu stimmen. Seine Arroganz zerbröckelte plötzlich wie poröses Mauerwerk. Und obwohl das so war, sagte er barsch: „Tompkin-Clan! Syndikat! Sie haben noch die Bezeichnung Mafia vergessen, G-man. Ich dachte immer, unser Betrieb nennt sich Tompkins Immobilien Ltd.“
Er musterte mich, als wollte er die Wirkung seiner Worte auf mich testen. Ich aber erwiderte gleichmütig seinen Blick, und so sprach er grollend weiter.
„Wenn uns jemand aus dem Geschäft drängen will, dann allenfalls jemand aus der Immobilienbranche. Der Konkurrenzkampf ist natürlich da. Aber den kennt man wohl in jeder Branche. In unseren Kreisen allerdings benutzt man andere Mittel und Wege, um die Konkurrenz an die Wand zu spielen. Über das Zeitalter, in dem man sich seine Pfründe mit dem Colt in der Faust sicherte, sind Leute wie wir Tompkins und unsere Konkurrenz hinaus.“
„Das wollen wir doch hoffen“, versetzte ich lächelnd. „Einer der Tompkin-Gegner allerdings scheint in dieser Hinsicht einen herben Rückfall ins neunzehnte Jahrhundert erlitten zu haben.“
Fred Tompkin klatschte mit der flachen Hand auf den Tisch. „Damit wäre endgültig alles gesagt, G-men. Soll ich Sie zur Tür bringen?“
„Wir finden schon selbst hinaus“, erklärte Milo. „Bemühen Sie sich nur nicht. – Ach ja, was ich noch fragen wollte: Wann ist die Beerdigung Ihres Vaters, und wo wird er begraben?“
„Sobald die Staatsanwaltschaft die sterblichen Überreste meines Vaters freigegeben hat. Das Begräbnis findet dann auf dem Greenwood Cemetery statt. Werden Sie etwa hinkommen, G-men?“
„Würde sich Ihr Vater nicht im Sarg umdrehen, wenn plötzlich zwei Special Agents des FBI an seinem Grab stünden?“, kam es spöttisch von Milo. „Bei dem Ärger, den ihm diese Organisation über einen langen Abschnitt seines Lebens hinweg bereitet hat?“
„Interessant wäre es allerdings schon“, fügte ich hinzu. „Wahrscheinlich würden wir eine Menge altbekannter Gesichter bei der Beerdigung sehen, Milo.“
Wir verließen das Haus und wussten, dass wir die Feindschaft zwischen Fred Tompkin und uns vertieft hatten.