Читать книгу Mörder Nummer eins: 5 Krimis - Pete Hackett - Страница 17
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Wir fuhren zu Harry Tompkin. Das Gespräch mit ihm verlief ähnlich wie mit seinem älteren Bruder. Wahrscheinlich hatte ihn Fred, während wir unterwegs waren, schon auf unseren Besuch vorbereitet.
Auch Harry war ein würdiger Sohn seines Vaters. Kaltschnäuzig, unverfroren, abgebrüht und ebenso skrupellos.
Er ließ uns ablaufen wie kaltes Wasser.
Als wir wieder auf der Straße standen, giftete Milo: „Warum ist es verboten, dieser Sorte die obere Zahnreihe in den Hals zu schlagen? Ich beneide meinen Urgroßvater.“
„Ha?“, machte ich fragend. Aber im nächsten Moment verstand ich. Als unsere Urgroßväter in den besten Jahren waren, wurde in weiten Teilen unseres Landes noch das Faustrecht praktiziert ...
„Nehmen wir noch einmal den Marilyn Monroe-Verschnitt in die Mangel“, knurrte mein Freund und Partner. Er meinte Lesley Clayton. „Vielleicht fällt ihr doch noch ein, wo sich ihr Lover Tom Hooker rumtreibt.“
Ich war einverstanden. Gleichzeitig nahm ich mir vor, ihr einige Frage wegen des Vorfalles vom Vorabend zu stellen. Denn dass der Kerl, der uns ein paar Löcher ins Fell stanzen wollte, aus ihrer Wohnung gekommen war, das war für mich keine Frage.
Also ließen wir den Buick nach Kips Bay rollen.
Es war Mittag vorbei, trotzdem öffnete uns Lesley im Nachthemd. Ihre wasserstoffblonden Haare waren verwirrt, ihr etwas verlebtes Gesicht wies die Abdrücke des Kopfkissens auf.
Der Hauch des absolut Verruchten umgab diese Frau, die von Natur aus sicher nicht hässlich war, die aber ein liederlicher Lebenswandel am Rande der Gesellschaft geprägt und geformt, bei der ein exzessives Leben unverkennbare Zeichen gesetzt hatte.
„Was wollt ihr beide denn schon wieder?“, raunzte sie uns übelgelaunt an. „Um diese Zeit ...“
„Tut uns leid, Lady“, knurrte Milo, „aber wir hatten leider keine Ahnung, dass Sie Mittag mit Mitternacht verwechseln. Wir haben noch einige Fragen an Sie. Gestatten Sie, dass wir eintreten?“
„Erstens“, fauchte sie, „habt ihr euch mir gegenüber schon gestern nicht ausgewiesen, zweitens glaube ich euch gestern unmissverständlich erklärt zu haben, dass ihr ohne einen Durchsuchungsbefehl hier nicht rein kommt.“
Ich zog meine ID-Card und hielt sie ihr vor die Nase. Als sie danach greifen wollte, zog ich sie zurück. „Lesen Sie immer mit den Händen?“, fragte ich ungnädig. Dann fügte ich ruhig hinzu: „Nach den Terroranschlägen vom elften September wurde das sogenannte Patriot-Gesetz erlassen, Miss. Wir brauchen keinen Durchsuchungsbefehl, um in Ihre Wohnung einzudringen, da der begründete Verdacht besteht, dass Sie einen Killer bei sich verborgen halten. Wir brauchen auch nicht Ihre Einwilligung. Was sagen Sie nun?“
Sie presste die Lippen zusammen und schaute verunsichert.
Milo dehnte: „Das ist so. Also werden wir jetzt mit oder ohne Ihre Erlaubnis diese Wohnung betreten. Sie werden doch nicht vermessen genug sein, zwei FBI-Agenten bei der Ausübung ihres Jobs zu behindern?“
„Na schön, kommt herein“, gab die Lady plötzlich klein bei. „Gegen euch kommt man ja sowieso nicht an.“
Auf dem Tisch im Livingroom standen zwei leere Weinflaschen, zwei schmutzige Weingläser und ein überquellender Aschenbecher. Es roch säuerlich nach Wein und nach erkaltetem Tabakrauch.
Lesley Clayton ließ sich auf die Couch sinken und schlug die Beine übereinander. Sie griff nach der Packung Lucky Strike und zündete sich einen der Glimmstängel an. „Ihr könnt euch ruhig platzen, G-men“, sagte sie und blies uns eine Wolke Zigarettenrauch entgegen.
Wir blieben stehen.
„Na, dann wollen wir das Verhör doch gleich beginnen“, sagte sie mit spotttriefender Stimme. „Damit wir‘s hinter uns bringen. Ich bin nämlich müde und brauche meinen Schlaf. Sie versteh‘n, G-men. Schlaf ist die beste Medizin gegen Falten.“
Sie saugte an der Lucky Strike wie ein Baby an seinem Schnuller. Der Rauch stieg aus ihrem halbgeöffneten Mund und zog in ihre Nase. Sie gab sich cool.
„Es ist kein Verhör, Miss“, versetzte ich. „Nur einige Fragen. Fragen nach Tom Hooker. Er hat für Billy Tompkin gearbeitet und nun hat er seinem Herrn und Meister die Lampe ausgedreht. Wo finden wir Tom? Und erzählen Sie uns jetzt nicht, dass Sie‘s nicht wissen, Lady. Er war doch gestern auch hier. Tom fuhr, kaum dass wir mit Ihnen gesprochen hatten, hinter uns her und ließ uns in die Mündung seiner Knarre blicken.“
Sie lehnte sich zurück, legte einen gekonnten Augenaufschlag hin, und hub an: „Tom ist ein alter Bekannter von mir. Für wen er gearbeitet hat, weiß ich nicht. Ob er jemand die Lampe ausgedreht hat, ebenso wenig. Billy Tompkin kenne ich nicht. Wo sich Tom rumtreibt – keine Ahnung. Zufrieden, G-men?“
„Nein!“, peitschte mein Organ. „Nicht nur wir sind hinter Tom her, Lady“, setzte ich dann mit ruhigerer Stimme hinzu. „Auch der Tompkin-Clan wird alles daransetzen, Tom die Rechnung für Billys gewaltsames Ableben zu präsentieren. Wenn ihn die Tompkin-Leute vor uns erwischen, können Sie ihn beerdigen. Wir aber können ihm vielleicht einige Zugeständnisse machen, wenn er über die Machenschaften Billy Tompkins und seiner Söhne aus der Schule plaudert. Vielleicht kommt er dann mit zwanzig Jahren weg. Tot zu sein aber währt ewiglich ...“
„Ich hab euch gesagt, was ich weiß – nämlich nichts. Und wenn ihr mir unterstellt, dass ich Tom gestern Abend in der Wohnung hatte, als ihr vor der Tür standet, dann bezeichne ich das mal als reine Vermutung eurerseits. Und jetzt macht euch dünn und lasst mich weiterschlafen. Ich hatte vergangene Nacht Besuch, und es ist ziemlich spät geworden.“
„Wie kann man von einer Arbeit im Liegen bloß müde werden?“, kam es spöttisch von Milo.
„Tja“, machte Lesley Clayton schnippisch und klimperte mit den Augendeckeln.
Ich ließ noch einmal meine Stimme erklingen: „Haben Sie schon mal daran gedacht, Miss, dass auch andere Leute Ihnen gegenüber Interesse an Tom bekunden könnten? Leute, die sich nicht nur aufs Verbale beschränken, die Mittel und Wege kennen, jemandem die Zunge zu lockern.“
Sie erschrak. Das war ziemlich deutlich. Lesley Clayton schien auf der Couch um einige Zentimeter zu schrumpfen. Jähe Unruhe ließ ihren Blick zwischen Milo und mir hin und her irren.
Milo hieb in die Kerbe, die ich geschlagen hatte: „Diesen Leuten werden Sie kaum standhalten können, Miss. Und dann sind Sie beide geliefert. Tom und Sie.“
„Sie – Sie wollen mich doch nur einschüchtern, G-men“, stammelte sie erregt und zog hastig an ihrem Glimmstängel. Sie rauchte plötzlich gar nicht mehr cool.
„Was hätten wir davon?“, murmelte ich. „Dürfen wir uns ein wenig in Ihrer Wohnung umseh‘n?“
Sie fand schlagartig zu ihrer alten kaltschnäuzigen Form zurück. „Was gedenken Sie denn zu finden?“, spuckte sie mir entgegen. „Rauschgift in größeren Mengen? Kinderpornos? Vielleicht einen halb verwesten Leichnam? Oder denken Sie, Tom Hooker hat sich in meinem Kleiderschrank versteckt?“
„Wer weiß“, erwiderte ich kühl.
„Na dann, viel Glück“, gab sie sich geschlagen.
Im Kleiderschrank fanden wir zwar nicht den Killer, dafür aber einige Hosen, Jacken und Hemden. In einer Kommode lagen Männerunterwäsche und Socken.
„Sie erzählen uns jetzt sicher gleich, dass Sie sich als Mann verkleiden, wenn Sie Ihren Job machen, Miss“, knurrte Milo. „Ist es eine neue Art von Perversität, mit der man Freier anziehen kann?“
„Diese Klamotten gehören Tom“, erwiderte sie kleinlaut. „Er hat mir das Zeug einfach dagelassen, nachdem er sich vor einiger Zeit abgesetzt hat.“
„Was verstehen Sie unter dem Begriff: vor einiger Zeit?“, grollte Milos Organ. „Vierzehn oder fünfzehn Stunden?“
Darauf erhielt er keine Antwort.
„Na schön, Miss“, sagte ich. „Sie sind also nicht bereit, uns weiterzuhelfen. Wir müssen es schlucken. Aber denken Sie an meine Warnung. Nicht nur wir haben Interesse an Tom Hooker. Und der Weg zu ihm führt über Sie. Das wissen auch seine Feinde.“
„Dann beschützt mich, ihr Scheißbullen!“, giftete sie. „Ist es nicht euer Job? Bleibt vor meiner Tür stehen und passt auf, dass ich in Ruhe gelassen werde.“
Es war sinnlos.
Wir verabschiedeten uns.
Unten angekommen meinte ich: „Ihr Vorschlag ist nicht mal so dumm, Milo. Warum bleiben wir nicht vor ihrer Tür stehen und passen ein wenig auf?“
„Meinst du wirklich vor ihrer Tür?“, fragte Milo zweifelnd und deutete ein Grinsen an.
„Ich will mal sagen – in der Nähe ihrer Tür“, erwiderte ich. „Aber wir sollten das vielleicht mit Mr. McKee absprechen.“
Milo nickte.
Wir gingen zum Buick.