Читать книгу Meine 13 hinterhältigsten Morde: Krimi Paket - Pete Hackett - Страница 15
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ОглавлениеAm Morgen dieses Tages, etwa um die Zeit, da Gerringbough noch lebte und auf dem Balkon seines Mietzimmers die Morgensonnenstrahlen genoss, trug der Boy des Hilton-Hotels Nashville zwei Koffer zu seinem Kombiwagen. Zwei Koffer, von denen der eine einem Mr. Michel Husting und der andere einem Senatsangestellten aus New York gehörte. Jener Angestellte hieß dem Etikett nach Scott.
Hustings Koffer war braun, der von Scott aus Leichtmetall, also keineswegs leicht zu verwechseln. Und der Boy hätte ihn auch nie mit Hustings Koffer verwechselt.
Er hatte den Auftrag, Hustings Koffer zum Bahnhof zu bringen, um ihn dort aufzugeben. Es war ein „Katzensprung“ bis zur Union Station, dennoch fuhr der junge Mann mit dem Wagen. Scotts Koffer musste nur wenig weiter befördert werden, nämlich zur Greyhound Omnibus-Reiseleitung.
Der Boy fuhr zuerst zu Greyhound.
Vor dem flachen Gebäude der neunten Avenue standen die silbernen Busse in Reih und Glied. Einer davon war mit Girlanden und Transparenten geschmückt. „50 Jahre Webster & Lesser“ stand darauf. Gelangweilt betrachtete der Boy die Schar aufgekratzter Reisender, die lautstark ihre Freude über die Fahrt kundtaten, als würden sie eine Reise in unerschlossene Gebiete antreten.
Der Boy hielt seinen Wagen an, stieg aus, holte Scotts Leichtmetallkoffer und trug ihn ins Gepäckbüro der Greyhound-Gesellschaft. Währenddessen ließ er die Klapptür am Heck seines Wagens offenstehen.
Unweit von seinem Wagen lungerten drei junge Burschen herum, die nicht so aussahen, als würden sie jemals eine bezahlte Reise in einem der Busse antreten. Niemand kümmerte sich um sie, auch der Polizist nicht, der vorn auf der Straße, am Rande des Omnibusplatzes, auf seinem Motorrad saß und schläfrig die Straße entlang blickte. Erst recht gaben die von Reisefieber gepackten Jubiläumsgäste vor dem geschmückten Bus nicht Acht auf die drei jungen Kerle.
Einer der Burschen, ein schlaksiger Krauskopf, schlenderte auf den Kombiwagen des Hotels zu, blieb dahinter stehen, steckte sich eine Zigarette an und blickte sich scheinbar interessiert nach allen Seiten um. Dann langte er in den Wagen, schnappte sich den Koffer, machte ein paar Schritte, und als von seinen Kumpanen her ein kurzer Pfiff ertönte, ging er in Richtung der parkenden Busse weiter, wohl in der Absicht dazwischen unterzutauchen. Er war gerade neben dem geschmückten Gesellschaftsbus angelangt, als der Cop auf der Straße des langen Haltens müde geworden war und sein Motorrad startete. Vielleicht war es Zufall, vielleicht war dem Polizisten jener abgerissene junge Bursche mit dem rindsledernen Koffer wirklich verdächtig vorgekommen … wer weiß? Jedenfalls zog der Cop seine Maschine zum Platz hin, knatterte genau auf den jungen Burschen zu.
Der reagierte blitzschnell. Er stellte den Koffer an die Rückwand des Busses und wischte sich dann die Hände am Hosenboden ab, als hätte er eine gute Arbeit geleistet. Ohne den Cop zu beachten, ging er langsam, beinahe lässig, zu seinen Kumpanen zurück.
Der Cop fuhr an ihm vorbei, ohne ihn anzuhalten oder nur eine Frage zu stellen. Sein Verdacht schien sich nicht bewahrheitet zu haben.
Indessen verließ der Hotelboy das Office. Darauf hatten die beiden anderen Burschen die ganze Zeit gewartet. Sie gingen ihm nach, nahmen ihn in die Mitte und stiegen mit ihm ins Auto. Niemand wurde darauf aufmerksam. Der Polizist war indessen schon sonstwo.
Eine Weile saßen die beiden zusammen mit dem Boy im Kombiwagen. Es sah aus, als würden sie sich unterhalten. Kein Mensch auf dem Platz nahm die Pistole wahr, die einer der Burschen auf den Boy gerichtet hielt.
Nun wollte der Kofferdieb seine Beute zurückholen. Doch das schien im Augenblick unmöglich zu sein.
Der Busfahrer war mit dem Mann des Büros neben den Bus getreten, sah den Koffer, packte ihn und maulte: „Keiner kann hier pünktlich sein, alles wird in Raten geliefert. Wie oft muss ich denn noch auf die Kiste klettern? Ich habe dir gleich gesagt, Henry, dass ich mit solchen Vereinsmeiern nicht gerne fahre. Da ist mir der Liniendienst lieber. Glaub mir‘s doch, Henry. Die saufen nach der ersten Meile, dann kotzen sie einem den Bus voll, und schließlich grölen sie wie die abgestochenen Schweine, um anschließend zu schnarchen, dass man meint, sie wollten ganz Kanada abholzen. Nee, Henry, die Gesellschaftsfahrten sind mein Untergang. Verdammt, was hat der denn in seinem Koffer, schwer wie Blei, und das auf einer Dreitagesfahrt. Menschenskind, was diese Vögel doch so alles mit herumschleppen. Ich glaube, dass sie nicht einen Kühlschrank mitnehmen, ist nur ‘n dummer Zufall. Henry, sieh nach, ob diese Kerle alle beisammen sind. Ich will jetzt los. Wer weiß, was ich mit denen noch alles erlebe.“
Er wusste nicht, dass er prophetische Worte sprach.
Der Bus fuhr kurz darauf los. Der Koffer war für den Dieb verloren. Vielleicht sein großes Glück. Im Bus aber saßen vierzig frohe Menschen, die das fünfzigjährige Bestehen der Firma Webster & Lesser feierten und groß feiern wollten. Seit einem Jahr hatten sie sich auf diese Dreitagesfahrt gefreut. Vierzig junge und alte Menschen, Männer und Frauen, und dazu der Reiseleiter Henry Lodge und sein Fahrer Bill McCloud … und unter diesen zweiundvierzig Ahnungslosen im Unterflur Kofferraum eine Zeitbombe, die an diesem Abend gegen zwanzig Uhr explodieren würde. Vielleicht in den Serpentinenstraßen der Walden-Ridge-Berge, vielleicht auf dem Highway 41, wenn der Bus auf einer langen Geraden mit sechzig Meilen dahinrasen würde … vielleicht auf einer Rast, während niemand im Bus weilen könnte … vielleicht, vielleicht.
Der Bus war schon gut zwei, drei Meilen weit gefahren, als auf dem großen Busplatz die beiden Burschen dem Boy vom Hotel die Brieftasche aus der Jacke zogen, doch darin nichts weiter fanden als lächerliche Mädchenfotos und einen Parkschein. Vor Wut schlugen sie ihn knockout, verließen den Wagen und liefen davon. Als der Boy wieder zu sich kam, sah er nichts. Und als er die Polizei benachrichtigte, waren die drei schon längst über alle Berge. Auch Mr. Husting, dessen Koffer fehlte, konnte nicht mehr informiert werden. Sein Hotelzimmer war indessen leer. Mr. Husting saß um diese Zeit im Flughafen Restaurant und nahm einen Martini dry zu sich.
Der Bus und seine tödliche Fracht brummten um diese Zeit bereits dreißig Meilen östlich auf dem Highway 70 N den Cumberland-Bergen zu.