Читать книгу Europäisches Marktöffnungs- und Wettbewerbsrecht - Peter Behrens - Страница 47
1. Außenhandel
ОглавлениеLiteratur:
Arnold Außenhandelsrecht, in: Dauses (Hrsg.) Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts (Loseblatt) Abschnitt K.I.; Schwarze Europäisches Wirtschaftsrecht (2007) 181 ff.; Bungenberg/Herrmann (Hrsg.) Die gemeinsame Handelspolitik der Europäischen Union nach Lissabon (2011); Boysen Das System des Europäischen Außenwirtschaftsrechts, in: von Arnauld (Hrsg.) Europäische Außenbeziehungen [Enzyklopädie Europarecht, Bd. 10] (2014) § 9, 447; Weiß Vertragliche Handelspolitik der EU, in: von Arnauld (Hrsg.) Europäische Außenbeziehungen [Enzyklopädie Europarecht, Bd. 10] (2014) § 10, 515; Bieber/Epiney/Haag/Kotzur Die Europäische Union (12. Aufl. 2016) § 34: Handelspolitik und Entwicklungspolitik, 658.
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Zu den Tätigkeiten der Union gehört gem. Art. 207 AEUV seit jeher eine „gemeinsame Handelspolitik“. Art. 3 Abs. 1 lit. a und e AEUV weisen der Union dafür eine ausschließliche Zuständigkeit zu. Der unionsrechtliche Begriff der Handelspolitik im Sinne der ursprünglichen Art. 3 lit. b und 113 EWG [aufgrund des Vertrages von Nizza seit 2002: Art. 133 EG] umfasste nach der Rechtsprechung des EuGH[52] zunächst einmal den internationalen Warenverkehr. Der internationale Dienstleistungsverkehr war dem Warenverkehr hingegen nur insoweit gleichgestellt, wie er nicht mit dem Grenzübertritt von Personen, dh der Einreise von Drittstaatsangehörigen oder gar mit deren Niederlassung in der EG, verbunden war, weil Art. 3 lit. d EWG diesen Aspekt der Personenfreizügigkeit bzw. der Niederlassungsfreiheit von der Handelspolitik getrennt hielt. Auch der Schutz geistigen Eigentums fiel nicht in den Anwendungsbereich der gemeinsamen Handelspolitik.[53] Insoweit hatten also die Mitgliedstaaten ihre außenwirtschaftspolitische Autonomie behalten, vorbehaltlich allerdings der „AETR-Rechtsprechung“ des EuGH[54] zu den der Gemeinschaft stillschweigend verliehenen auswärtigen Kompetenzen (implied powers). Sie erstrecken sich auf diejenigen Rechtsgebiete, auf denen unionsintern eine Regelungszuständigkeit besteht, sofern sie auch tatsächlich ausgeübt worden ist. Um zu vermeiden, dass entsprechende unionsinterne Regelungen durch Verpflichtungen der Mitgliedstaaten gegenüber Drittstaaten beeinträchtigt werden, hat der EuGH eine stillschweigende ausschließliche Kompetenz der Union angenommen (siehe dazu jetzt die Kodifikation in Art. 3 Abs. 2 AEUV). Erst der Vertrag von Nizza von 2001 hatte den Art. 133 EG dahingehend ergänzt, dass die gemeinsame Handelspolitik auch den internationalen Dienstleistungshandel sowie die Handelsaspekte des Schutzes geistigen Eigentums erfasst, soweit sie nicht bereits von der bisherigen Regelung des Vertrages abgedeckt waren. Insoweit hat aber auch der Vertrag von Nizza der Gemeinschaft keine ausschließliche Kompetenz zugestanden; vielmehr behielten die Mitgliedstaaten eine konkurrierende Zuständigkeit, soweit die von ihnen abgeschlossenen Abkommen mit Drittstaaten „mit den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften und anderen einschlägigen internationalen Abkommen in Einklang stehen“ (Art. 133 Abs. 5 UAbs. 4 EG). Darüber hinaus hatte Art. 133 Abs. 6 UAbs. 2 EG für bestimmte (insbesondere kulturelle und audiovisuelle) Dienstleistungsbereiche ausdrücklich eine gemischte Vertragsabschlusskompetenz der EG und ihrer Mitgliedstaaten vorgesehen.
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Der Vertrag von Lissabon hat nun eine grundlegende Revision dieser tradierten Regelungen vorgenommen. Der Bereich der gemeinsamen Handelspolitik, der gem. Art. 3 lit. a und e AEUV von der ausschließlichen Zuständigkeit der EU erfasst wird, erstreckt sich nunmehr gem. Art. 207 Abs. 1 AEUV ausdrücklich sowohl auf den Warenhandel als auch auf den Dienstleistungshandel sowie den Schutz geistigen Eigentums. Erfasst sind also auch solche Formen von Dienstleistungen, die den Grenzübertritt (vor allem die Einreise) von Personen oder gar bestimmte Formen der Niederlassung implizieren wie es im Rahmen des WTO-Rechts für das GATS gilt, sowie die „Handelsaspekte des geistigen Eigentums“, die im Rahmen des WTO-Rechts vom TRIPS-Abkommen angesprochen werden. Beseitigt ist auch die für bestimmte Bereiche bislang aufrechterhaltene gemischte Kompetenz der EU und der Mitgliedstaaten. Insoweit sind also die Mitgliedstaaten nicht mehr berechtigt, Abkommen mit Drittstaaten abzuschließen bzw. sich an deren Abschluss zu beteiligen. Soweit Abkommen der EU mit Drittstaaten allerdings – wie häufig – auch Materien regeln, die nicht in den Bereich der gemeinsamen Handelspolitik fallen, richtet sich die Zuständigkeitsverteilung zwischen EU und Mitgliedstaaten weiterhin nach den oben erwähnten Grundsätzen der erwähnten „AETR-Rechtsprechung“ des EuGH zu den implied powers, die auch in Art. 3 Abs. 2 AEUV ihren Niederschlag gefunden hat.
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Es ist also auch in Zukunft nicht gewährleistet, dass die EU im Hinblick auf den Abschluss von Übereinkommen mit Drittstaaten, die über die Vereinbarung von Regelungen betreffend den Einsatz handelspolitischer Instrumente hinausgehen, ohne weiteres als Einheit auftreten kann. Man denke etwa an die neue Generation von „WTO-plus“-Abkommen, die auch Materien regeln, die weit über Fragen des Waren- und Dienstleistungshandels oder des Schutzes geistigen Eigentums hinausgehen (siehe zu diesen Abkommen unten Rn. 216).
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Sowohl im Hinblick auf ihre autonome als auch auf ihre konventionelle Handelspolitik sind die Union und ihre Mitgliedstaaten jedenfalls an die in Art. 206 AEUV niedergelegten primärrechtlichen „einheitlichen Grundsätze“ gebunden. Sie verpflichten die Union auf eine liberale Handelspolitik, dh auf eine weitestgehende Öffnung des Binnenmarkts gegenüber Drittstaaten. Dementsprechend ist die Einfuhr von Waren in die EU im Grundsatz ebenso frei[55] wie auch die Ausfuhr.[56] Hinsichtlich des Einsatzes beschränkender handelspolitischer Steuerungsinstrumente ist die EU an die Einschränkungen gebunden, die sich aus den von ihr abgeschlossenen völkerrechtlichen Übereinkommen bzw. aus ihrer Mitgliedschaft in Internationalen Organisationen ergeben. Hinsichtlich des Grades der jeweiligen Marktöffnung ist dabei völkerrechtlich auch weiterhin zwischen Waren-, Dienstleistungs- und Personenverkehr zu unterscheiden.
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Hervorzuheben ist die – bislang neben der eigenständigen Mitgliedschaft der einzelnen Mitgliedstaaten bestehende – Mitgliedschaft der EU in der WTO (siehe dazu Rn. 211).[57] Sie ist ebenfalls Vertragspartei der diversen WTO-Übereinkommen (insbesondere des GATT und des GATS sowie des TRIPS-Übereinkommens), die umfassende Bindungen bezüglich des Einsatzes handelspolitischer Instrumente enthalten und auf diese Weise im Bereich des Waren- und Dienstleistungsverkehrs ein erhebliches Maß der Marktöffnung gegenüber Drittstaaten sowie eine Beschränkung des Einsatzes handelspolitischer Instrumente (wie insbesondere von Antidumpingzöllen oder Ausgleichszöllen für unzulässige Exportsubventionen) verbindlich vorschreiben.[58] Dabei hat der EuGH dem WTO-Recht allerdings keine unmittelbare Anwendbarkeit innerhalb der EU zugesprochen.[59]
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Ein wesentlich intensiveres und umfassenderes wirtschaftliches Integrationsverhältnis ist die EU mit den EFTA-Mitgliedern Liechtenstein, Island und Norwegen durch die Gründung des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) eingegangen (siehe dazu Rn. 185 ff.).[60] Das EWR-Recht ist dem EU-Recht weitestgehend nachgebildet, insbesondere hinsichtlich der wirtschaftlichen Verkehrsfreiheiten und der Wettbewerbsregeln. Der Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb ist somit auch im Rahmen des EWR verwirklicht. Die Beziehungen zur Schweiz bleiben noch dahinter zurück, wenngleich die bilateralen Übereinkommen, welche die EG mit der Schweiz abgeschlossen hat, ebenfalls zu einer weitgehenden Marktöffnung beigetragen haben (siehe dazu Rn. 193 ff.). Im Übrigen hat die EU mit unterschiedlichen Gruppen von Drittstaaten Assoziierungsabkommen vereinbart, die teils eine künftige Mitgliedschaft vorbereiten sollen (Beitrittsassoziierungen gem. Art. 217 AEUV), teils die Nachbarschaftsbeziehungen regeln (Art. 8 EUV), teils der Entwicklungszusammenarbeit und der Steigerung des Handelsverkehrs mit afrikanischen, karibischen und pazifischen Staaten (AKP-Staaten) dienen (Entwicklungsassoziierungen gem. Art. 4 Abs. 4 AEUV iVm Art. 198 ff., 208 ff., 212 AEUV). Entsprechend unterschiedlich ist der in diesen Übereinkommen vorgesehene Grad der Marktöffnung und des Wettbewerbsschutzes (siehe dazu näher untern Rn. 189 ff., 202 ff., 206 ff.).