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2. Investitionen
ОглавлениеLiteratur:
Johansen Die Kompetenz der Europäischen Union für ausländische Direktinvestitionen nach dem Vertrag von Lissabon, in: Beiträge zum transnationalen Wirtschaftsrecht, Heft 90 (2009); Gnebel Überlegungen zur Wahrnehmung der neuen EU-Kompetenz für ausländische Direktinvestitionen nach Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon, RIW 2009, 469; Bungenberg/Griebel/Hindelang (Hrsg.) Internationaler Investitionsschutz und Europarecht (2010); Herrmann Die Zukunft der mitgliedstaatlichen Investitionspolitik nach dem Vertrag von Lissabon, EuZW 2010, 207; Woolcock Das Konzept für die Auslandsinvestitionspolitik der EU nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon (2010); Tietje Bilaterale Investitionsschutzverträge zwischen EU-Mitgliedstaaten als Herausforderung im Mehrebenensystem des Rechts, KSzW 2011, 128; Bungenberg Europäischer Internationaler Investitionsschutz, in: von Arnauld (Hrsg.) Europäische Außenbeziehungen [Enzyklopädie Europarecht, Bd. 10] (2014) § 13, 743; Reinisch Internationales Investitionsschutzrecht, in: Tietje (Hrsg.) Internationales Wirtschaftsrecht (2. Aufl. 2015) § 8, 398.
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Grenzüberschreitende Investitionen sind zunächst einmal Kapitalanlagen und somit eine Frage des Kapitalverkehrs. Ihr Zweck muss sich aber nicht – wie im Falle von „Portfolioinvestitionen“ – in der verzinslichen Anlage von Kapital erschöpfen,[61] sondern kann auch auf die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten durch die Errichtung bzw. den Erwerb von Unternehmen abzielen. Dann berühren sie auch die Personenfreizügigkeit und das Niederlassungsrecht im Verhältnis zu Drittstaaten wie es bei „Direktinvestitionen“ der Fall ist. Grenzüberschreitende Investitionen können also je nach ihrer Eigenart durch Kapitalverkehrsbeschränkungen und/oder durch Beschränkungen der Personenfreizügigkeit bzw. des Niederlassungsrechts behindert werden.
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Gem. Art. 63 AEUV besteht die Kapitalverkehrsfreiheit grundsätzlich auch im Verhältnis zu Drittstaaten. Diesen Grundsatz hatte bereits die Kapitalverkehrsrichtlinie 88/361/EWG zur Durchführung des ehemaligen Art. 67 EWG-Vertrag[62] eingeführt. Er ist dann durch den Vertrag von Amsterdam in das Primärrecht aufgenommen worden (Art. 73b EG, später: Art. 56 EG) und unverändert auch im Vertrag von Lissabon enthalten. Kapitalverkehrsbeschränkungen haben typischerweise den Charakter von Verboten bzw. Genehmigungsvorbehalten für bestimmte Transaktionen oder von Devisenkontrollen. Solche Beschränkungen sind nach Art. 63 AEUV auch im Verhältnis zu Drittstaaten verboten. Das gilt sowohl für den Import als auch für den Export von Kapital. Das Beschränkungsverbot richtet sich an die Mitgliedstaaten. Vorbehalten sind gem. Art. 65 AEUV gewisse steuerliche Maßnahmen, die den Kapitalverkehr berühren können. Ob die EU eine Kompetenz zur Einführung von Kapitalverkehrskontrollen hätte, erscheint höchst fraglich. Portfolioinvestitionen gehören nämlich nicht in den Anwendungsbereich der gemeinsamen Handelspolitik, weil Art. 206/207 AEUV ausdrücklich nur die Direktinvestitionen erwähnt. Sie sind daher auch nicht von der ausschließlichen Kompetenz der EU gem. Art. 3 Abs. 1 lit. e AEUV erfasst. Eine entsprechende stillschweigende Kompetenz (implied power) ließe sich allenfalls auf die AETR-Rechtsprechung des EuGH[63] bzw. Art. 3 Abs. 2 AEUV stützen, sofern sich begründen ließe, dass die EU intern im Hinblick auf die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV bereits Regelungen getroffen hat, deren Integrität durch etwaige mitgliedstaatliche Abkommen mit Drittstaaten gefährdet würde.[64] Art. 66 AEUV enthält eine Schutzklausel, die es der EU jedenfalls erlaubt, zum Schutz des Funktionierens der Wirtschafts- und Währungsunion kurzfristige Schutzmaßnahmen zu ergreifen, wenn es unbedingt erforderlich ist. Im Ergebnis bedeutet dies, dass Kapitaltransfers im Rahmen von Portfolioinvestitionen ohne jegliche Einschränkungen zulässig sind und außer in dem zuletzt genannten Fall auch nicht beschränkt werden können.
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Anders als Portfolioinvestitionen fallen Direktinvestitionen nach dem Vertrag von Lissabon gem. Art. 206/207 AEUV nunmehr in den Anwendungsbereich der gemeinsamen Handelspolitik und damit in die ausschließliche Kompetenz der EU nach Art. 3 Abs. 1 lit. e AEUV. Der Begriff „Direktinvestitionen“ ist zwar im Vertrag nirgends näher definiert. Er ist jedoch in der Nomenklatur für den Kapitalverkehr, die in Anhang I der Kapitalverkehrsrichtlinie 88/361/EWG zur Durchführung des ehemaligen Art. 67 EWG-Vertrags[65] enthalten war, definiert worden. Nach der Rechtsprechung des EuGH hat diese Nomenklatur nach wie vor die Bedeutung einer „Richtschnur“, und zwar gerade im Hinblick auf den Begriff der Direktinvestitionen.[66] Nach dieser Nomenklatur bezieht sich der Begriff auf „die Gründung und Erweiterung von Zweigniederlassungen oder neuen Unternehmen, die ausschließlich dem Geldgeber gehören, und die vollständige Übernahme bestehender Unternehmen, die Beteiligung an neuen oder bereits bestehenden Unternehmen zur Schaffung oder Aufrechterhaltung dauerhafter Wirtschaftsbeziehungen, langfristige Darlehen zur Schaffung oder Aufrechterhaltung dauerhafter Wirtschaftsbeziehungen sowie Reinvestitionen von Erträgen zur Aufrechterhaltung dauerhafter Wirtschaftsbeziehungen“. Es geht somit um „Investitionen jeder Art durch natürliche oder juristische Personen zur Schaffung oder Aufrechterhaltung dauerhafter und direkter Beziehungen zwischen denjenigen, die die Mittel bereitstellen, und den Unternehmen, für die die Mittel zum Zwecke einer wirtschaftlichen Tätigkeit bestimmt sind“.[67] Entscheidendes Abgrenzungskriterium gegenüber bloßen Portfolioinvestitionen ist also die Erlangung unternehmerischer Kontrolle.
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Im Hinblick auf Direktinvestitionen geht es zum einen um den Zugang ausländischer Investoren zum Binnenmarkt. Zwar gilt auch insoweit zunächst einmal der Grundsatz der Kapitalverkehrsfreiheit. Aber Art. 64 Abs. 2 und 3 AEUV lassen im Hinblick auf Direktinvestitionen unionsrechtliche Regulierungen des Kapitalverkehrs mit Drittstaaten zu, insbesondere bezüglich des Erwerbs von Immobilien, der Errichtung oder des Erwerbs von Unternehmen, der Erbringung von Finanzdienstleistungen oder der Zulassung von Wertpapieren zu den Kapitalmärkten. Darüber hinaus gilt auch in diesem Zusammenhang die erwähnte Schutzklausel des Art. 66 AEUV. Ob die EU darüber hinaus auch bezüglich der niederlassungsrechtlichen Aspekte ausländischer Direktinvestitionen Maßnahmen zur Abwehr bzw. Kontrolle solcher Investitionen einführen kann (beispielsweise hinsichtlich des Kontrollerwerbs an Unternehmen in der EU durch ausländische Staatsfonds), ist fraglich. Jedenfalls können die Mitgliedstaaten nach Art. 65 Abs. 2 AEUV ihre einzelstaatlichen Niederlassungsbeschränkungen anwenden, soweit sie mit dem Unionsrecht vereinbar sind.
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Zum anderen geht es auch um Direktinvestitionen von Unionsangehörigen in Drittstaaten. Sie werden von den Mitgliedstaaten aufgrund entsprechender Förderprogramme zur Abmilderung von Investitionsrisiken in erheblichem Umfang unterstützt. Darüber hinaus geht es um den Schutz von Direktinvestitionen gegen staatliche Eingriffe, die den wirtschaftlichen Wert einer Investition beeinträchtigen oder vernichten. Diesen Schutz haben die Mitgliedstaaten der EU in der Vergangenheit – abweichend von den unsicheren Investitionsschutzregeln des allgemeinen Völkerrechts – in eigener Regie zunehmend in bilateralen Investitionsschutzabkommen (bilateral investment treaties – BITs) mit anderen Staaten (von denen einige inzwischen zur EU gehören) gewährleistet. Diese Investitionsschutzverträge verpflichten die Vertragsstaaten zur Einhaltung vergleichsweise hoher Standards im Hinblick auf den Schutz von Investoren, insbesondere vor unfairer oder diskriminierender Behandlung und vor entschädigungslosen Enteignungen. Damit werden die Vertragsstaaten an die Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze gebunden.[68] Ihre Verletzung kann von den betroffenen Investoren aufgrund entsprechender Schiedsklauseln unmittelbar gegen die jeweiligen Staaten vor internationalen Schiedsgerichten geltend gemacht werden. Ganz unabhängig von der Kompetenzverteilung bezüglich des Abschlusses bilateraler Investitionsschutzabkommen sind die Mitgliedstaaten nach der jüngsten EuGH-Rechtsprechung[69] verpflichtet, für die Vereinbarkeit der bisher von ihnen abgeschlossenen Abkommen mit dem EU-Recht zu sorgen. Die bestehenden Abkommen bleiben gem. Art. 351 Abs. 1 AEUV in Kraft. Aber sie dürfen insbesondere nicht die Wirksamkeit etwaiger unionsrechtlicher Maßnahmen beeinträchtigen und müssen erforderlichenfalls angepasst werden. Das gilt insbesondere für völkervertragliche Regelungen betreffend den freien Kapitalverkehr, soweit sie etwaige Kapitalverkehrsbeschränkungen beeinträchtigen können, die von der EU aufgrund ihrer Eingriffskompetenzen gem. Art. 64 Abs. 2 und 3 AEUV sowie Art. 66 AEUV erlassen werden können.
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Die Kommission beabsichtigt nun, ihre ausschließliche Kompetenz für die Auslandsinvestitionspolitik zu nutzen, um im Laufe der Zeit das nach den Investitionsschutzverträgen der Mitgliedstaaten unterschiedliche Schutzniveau zu harmonisieren und um Lücken zu schließen, die darin bestehen, dass die Investitionsschutzverträge in der Regel nicht den Marktzugang als solchen regeln, sondern sich auf Garantien für die Behandlung bereits getätigter Investitionen beschränken. Es ist davon auszugehen, dass die ausschließliche Kompetenz der EU sich in der Tat sowohl auf den Marktzugang ausländischer Investoren als auch auf die Standards für die Behandlung durchgeführter Investitionen und den Eigentumsschutz erstreckt. Eine entsprechende Agenda für Investitonsverhandlungen hat die Kommission bereits skizziert.[70] Die mit ihrer Verwirklichung zusammenhängenden rechtlichen Übergangsprobleme sind höchst komplex. Sie betreffen insbesondere das Schicksal der bestehenden Verträge, die Mitgliedstaaten mit Drittstaaten in der Vergangenheit abgeschlossen haben[71] sowie die Ausgestaltung künftiger Investitionsstreitigkeiten im Verhältnis zwischen der EU und Drittstaaten.[72] 2012 ist eine sekundärrechtliche Übergangsregelung erlassen worden.[73]