Читать книгу Blutsbande - Peter Horper - Страница 11

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III

Er stand neben ihrem Bett. Sie lauschte, tat, als schliefe sie, als wäre sie noch ohne Bewusstsein, aber alles in ihr lauerte auf Wahrnehmbares. Sie hörte seinen Atem. Mit irgendeinem ihrer Sinne, von dem sie nicht gewusst hatte, dass es ihn gab, fühlte sie seine Blicke auf ihr.

Die Augen hielt sie geschlossen. Wollte ihn nicht sehen. Ihn sehen, hieße, etwas tun müssen. Etwas sagen, sich widersetzen, schreien. Aber das konnte sie nicht. Nicht jetzt. Nicht in diesem Moment, in dem sie nicht verstand, was mit ihr geschah. Sein Anblick würde all die Furcht, vor der sie die Augen schloss, in ihr Inneres jagen. Doch sie wusste, dass ihm nichts entging. Nicht das kurze Flattern ihrer Lider. Nicht ihr Bemühen um einen stetigen Atem. Eben noch hatte ein verräterisch tiefer Zug ihre Brust gedehnt. Bestimmt hatte er ihn gesehen, vielleicht sogar gehört. Sie tat alles, um ihn nicht wahrnehmen zu lassen, dass sie wach war, und wusste, dass sie ihn nicht täuschte.

Er band sie los, ergriff ihre Hand, zog sie hoch, sie ließ es zu. Nacheinander nahm er ihre Gelenke in die Hand, versorgte die aufgeschürften Stellen. Das Desinfektionsspray brannte.

»Du kannst das Bad benutzen.«

Er führte sie in eine Ecke des Raumes, die außerhalb ihres Blickfeldes gewesen war, als sie in Fesseln lag. Das Bad war ein kleiner abgetrennter Raum, durch eine Schiebetür zu öffnen. Sie bemerkte erst jetzt, dass es ihn gab.

Es war ein karg ausgestattetes Badezimmer. Ein Duschkopf an der Decke. Das Wasser musste über ein Gefälle im Betonboden in einen Gully abfließen. Ein Waschbecken, neben dem eine Seife und ein Handtuch lagen. Ihre Handtasche hatte er dazu gelegt. In der Ecke eine Toilettenschüssel. Er hatte einen kleinen Klappspiegel aufgestellt, ein paar andere Dinge gebracht, von denen er wohl annahm, dass sie sie brauchte. Zahnbürste, Zahnpasta, einen Becher, Seife, Shampoo, einen kleinen Föhn.

Er schob sie in den Raum, schloss die Schiebetür hinter ihr und ließ sie allein.

»Beeil dich! Ich warte.«

Sie setzte sich auf die Toilette und entleerte sich, betätigte die Spülung. Sich auszuziehen, kostete sie Überwindung. Der Boden war kalt. Das Wasser war nicht wärmer als lau. Es war die freudloseste Dusche, die sie je genommen hatte. Dennoch wusch sie sich ausgiebig, auch die Haare, kämmte ihre langen dunklen Locken, schminkte sich. Die Dinge aus ihrer Handtasche waren alle da. Nein, sie wollte nicht verwahrlosen. Würdelos sollte er sie nicht sehen.

Sie trocknete sich ab, föhnte ihre Haare.

»Komm jetzt endlich raus!«

Sie zog sich an, ihre Haare noch feucht, schob die Tür auf. Er stand wartend im Raum.

»Leg dich wieder hin!«

Sie gehorchte. Er setzte sich auf den Rand des Bettes, verharrte, legte sich neben sie, eng, so entsetzlich eng. Er sprach leise, hauchte fast in ihre Achselbeuge, als wollte er, dass seine Worte dort endeten.

»Weißt du, dass meine Mutter die schönste Frau der Welt war? Und weißt du, dass du Augen hast wie sie? Und dass du lachst wie sie? Ich sehe sie so oft vor mir. Ich höre ihre Stimme, ich kann sie riechen, ihre Haut spüren. Weißt du, wie ich sie jede Nacht sehe? Sie steht vor dem Badezimmerspiegel und kämmt sich die Haare. Sie sind lang und dunkel, so wie deine, und wenn sie sie auskämmt, reichen sie ihr fast bis zum Po.«

Langsam ließ er seine Hand über ihren Bauch wandern. Tastete nach ihrem Atem. Sie hielt ihn an, als könnte sie sich damit wehren gegen seine Berührung.

»Sie stand eine Ewigkeit vor dem Spiegel und kämmte sich. Die Tür zwischen dem Badezimmer und ihrem Schlafzimmer stand offen. Immer wenn Papa nicht da war, lag ich in ihrem Bett und versteckte mich unter der Decke.

Es war unser Spiel.

›Ich bin so froh, dass ich den Kleinen hab‹, sagte sie manchmal zu Papa, wenn sie gestritten hatten, ›und dass er nicht nach dir kommt.‹

Ich erinnere mich an alles. Alles! Ich erlebe es. Wieder und wieder. Ich habe die Decke über den Kopf gezogen und mir mit der Hand ein Guckloch offen gehalten. Sie steht immer noch nackt vor dem Spiegel. Jetzt ist sie fertig mit dem Kämmen und dreht sich um. Ich sehe ihren großen Busen mit den dunkelbraunen Spitzen und ihr schwarzes Dreieck in der Mitte, da wo die Beine aufhören.

Sie macht das Licht aus, kommt ins Schlafzimmer. Auf der Kommode liegt ihr Nachthemd. Sie streift es über. Es ist hellblau und ganz dünn und durchsichtig und so kurz, dass es gerade über den Po reicht.

›Ja, wen haben wir denn da‹, sagt sie und greift ganz schnell unter die Decke, kitzelt mich am Fuß oder wo sie mich halt grad erwischt.

›Solltest du nicht längst in deinem Bett sein?‹

›Gleich‹, sage ich.

›Mein kleiner großer Kuschelbär‹, sagt sie und legt sich neben mich.

Sie streichelt meine Haare und mein Gesicht.

Du bist mein Liebster, sagt sie. Aber jetzt musst du in dein Bett gehen und schlafen.

Gleich, sage ich.

Sie liegt auf dem Rücken. Mein Kopf auf ihrer Schulter. Meinen Arm habe ich über sie gelegt. Meine Hand ist auch da, einfach so, weil sie am Ende meines Armes hängt. Meine Hand liegt jetzt auf ihrer Brust. Sie ist so weich, und ich spüre die Spitzen unter dem dünnen Nachthemd.

Mein Bauch mit dem harten Pimmel liegt an ihrer Seite, an ihrer Hüfte oder an ihrem Schenkel.

Sie bewegt ihr Bein, und ich habe mich an sie gepresst und bewege mich auch.

Ich streichle ihre Brust und drücke sie sanft und spüre, wie ihre Spitzen ganz fest werden, und dann zuckt es unten bei mir.

In meiner Schlafanzughose ist es ganz nass geworden. Nass und klebrig.

Mama lächelt.

›Komm mein Großer‹, sagt sie, küsst mich auf den Mund. ›Marsch ins Bett!‹

Ich schäle mich aus der Decke und gehe zu der Tür, die in mein Kinderzimmer führt. Ich gehe ein bisschen seitwärts, so dass sie nicht sieht, dass meine Schlafanzughose noch immer vorn ausgebeult ist und einen nassen Fleck hat.«

Anja zitterte, als würde sie frieren.

»Verstehst du, verstehst du nun, warum du da bist?«

Ein Krampfen begann, sich von den Fingern und den Zehen her in ihren Körper zu schieben, durchwanderte ihre Glieder, packte sie in ihrer Mitte.

»Gar nichts verstehe ich!«, schrie sie. Und dann hörte es nicht mehr auf, das Schreien. Es bahnte sich seinen Weg heraus aus ihr, bis er zuschlug mit all seiner Kraft, bis seine Hand ihr Gesicht traf und es wieder dunkel wurde.

Er schmiegte seinen Körper an den ihren, presste sich an ihre Hüfte, ihre Schenkel, seinen Kopf in ihre Achselhöhle, wurde ganz klein, streichelte sie mit seiner Wange.

»Du bist so schön!«

Blutsbande

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