Читать книгу Blutsbande - Peter Horper - Страница 6

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»Zehnnullsieben!«

»Ja.«

»Was heißt hier ja? Ich hör wohl nicht recht! Sind Sie nicht mehr ganz frisch, Zehnnullsieben? Gehen Sie mal auf Kanal drei!«

Ich fingerte am Funkgerät, um den Kanal einzustellen, ohne die Straße aus den Augen zu lassen.

»Hier Zehnnullsieben«, sagte ich und wusste nicht so recht, wie nah ich mit meinem Mund an das Mikrofon gehen sollte.

»Was ist denn das bei Ihnen für ein Krach im Wagen?«

»Puccini.«

»Machen Sie das aus! Da steigt Ihnen erstens kein Fahrgast ein und zweitens kann ich Sie nicht verstehen.«

Ich würgte die Musik ab.

»Wie lange ist es her, dass Sie den Taxischein und den Funkkurs gemacht haben, Zehnnullsieben?«

»Ein paar Monate.«

»Viel ist anscheinend nicht hängengeblieben. Ok. Ich erklär Ihnen das jetzt ein einziges Mal, und wenn Sie mir dann noch mal auf Kanal eins rumpfuschen, entziehe ich Ihnen die Taxifunklizenz. Also. Wo fahren Sie grad rum?«

»In der Metzstraße.«

»Wo ist der nächste Stand?«

»Am Rosenheimer Platz.«

»Genau. Ich rufe also Rosenheimer Platz. Was machen Sie?«

»Ich melde mich mit Zehnnullsieben.«

»Falsch. Sie halten den Mund, weil Sie nicht am Stand sind. Sie kommen erst ins Spiel, wenn sich am Rosenheimer keiner meldet. Dann gebe ich die Adresse durch und den Auftrag frei. Wie mache ich das?«

»Sie sagen für und dann die Adresse.«

»Genauso ist es, Zehnnullsieben. Und wenn Sie sich schnell melden und nah genug sind, bekommen Sie den Auftrag. Und was machen Sie dann?«

»Ich wiederhole die Adresse und den Namen des Auftraggebers.«

»Richtig. Sie wiederholen die Adresse und den Namen, damit ich weiß, dass Sie mich verstanden haben. Haben Sie mich verstanden, Zehnnullsieben?«

»Ich habe verstanden.«

»Also, gehen wir zurück auf den Einser. Passen Sie auf!«

Ich lenkte mit der Linken um das Rondell am Weißenburger Platz, mit der Rechten stellte ich den Auftragskanal ein. Den Einser.

Wahrscheinlich war ich eines der ältesten Greenhorns im Münchner Taxigewerbe. Die Studenten waren bei der Auftragsannahme schneller mit den Fingern und hatten eine raschere Auffassungsgabe. Und wahrscheinlich glaubten sie daran, diesen Job irgendwann wieder an den Nagel hängen zu können. Spätestens wenn sie ihr Examen in der Tasche hatten. Für manche würde sich das allerdings als Illusion herausstellen. Vor allem für die Germanisten, Romanisten, Finnougristen, Philosophen, Politologen.

Und wie lange blieben angehende Privatdetektive an diesem Job kleben? Wie lange mussten sie sich anschnauzen lassen, wenn der gewählte Weg nicht der unumstritten kürzeste war? Wie lange mussten sie sich von Besoffenen ins Auto kotzen und von arroganten Tussis herumkommandieren lassen, Türen öffnen, Koffer verladen, warten und sich langweilen? Jahre? Für immer? Ich kannte keine Statistiken.

Eine Taxischicht pro Woche, um den Bezug zur Nacht und ihren Kreaturen nicht zu verlieren, aber ansonsten genug Kunden, um davon leben zu können. Das wäre optimal. Noch war das leider eine Vision. Doch Taxifahrer mussten Sitzfleisch haben, und die Detektei »Ludwig Fendt« gab es ja auch erst seit ein paar Wochen. Die Homepage, die mir Jan, mein Schwiegersohn in spe, eingerichtet hatte, war brandneu.

Außerdem fuhr ich nicht ungern. Der Job, so anstrengend und schlecht bezahlt er war, zeigte mir eine andere Welt. Menschen, denen ich sonst nie begegnen würde, von denen ich ohne diesen Job nicht einmal wüsste, dass es sie gab.

»Rosenheimer Platz!«

Keine Antwort. Mein Finger lauerte an der Taste. Es war drei Uhr morgens und ich war müde, aber diesen Auftrag wollte ich noch haben.

»Für Metzstraße!«

»Zehnnullsieben in der Metzstraße.«

»Zehnnullsieben! Metzstraße zwölf Schmidt.«

»Metzstraße zwölf, Schmidt.«

Ich rollte langsam durch die Straße, hielt vor dem Haus Nummer zwölf und wartete. Nach zehn Minuten stieg ich aus und schlenderte Achten auf dem Gehsteig. Es kam kein Schmidt. Wahrscheinlich war er in ein vorbeifahrendes Taxi gestiegen.

Ich hatte genug von der Nacht.

Blutsbande

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