Читать книгу Blutsbande - Peter Horper - Страница 18
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Sie kamen, als ich beim Frühstück saß. Geweckt hatte mich Karin, um mir zu sagen, dass sie sich von mir wünsche, dass ich darauf achten solle, dass Ines sich regelmäßig bei ihr meldete. Ich versprach es.
Es waren Jan und zwei Kumpels. Ines war nicht dabei.
»Bleib einfach sitzen! Alles unter Kontrolle!«, meinte Jan.
Ich blieb sitzen, frühstückte weiter und erfuhr, was Ines so alles für nötig erachtete, um nur kurz und vorübergehend bei mir unterzuschlüpfen.
Ich beschloss, nicht hinzuschauen, und sah Truhen, Spiegel, Kisten, Körbe, Kleidersäcke, eine Tischplatte und Böcke an mir vorbeiwandern. Jan hörte nicht mehr auf zu grinsen. Er musste gesehen haben, wie ich immer kleiner wurde und in meinem Stuhl zusammensank. Nach einer halben Stunde waren sie fertig. Die Kumpels verabschiedeten sich, Jan ging in die Küche, schenkte sich einen Kaffee aus der Thermoskanne ein und setzte sich zu mir.
»Du siehst mäßig glücklich aus, Schwiegerpapa«, ulkte er. »Freust du dich nicht über die Heimkehr der verlorenen Tochter?«
In solchen Momenten, in denen ich ihn zum Mond schießen hätte können, dachte ich, dass ich mit ihm als Schwiegersohn prima auskommen würde.
»Du bist nur eifersüchtig«, antworte ich. »Damit muss man ja erst mal klar kommen, dass sie lieber zu einem alten Sack wie mir zieht, als sich Nacht für Nacht neben dich zu legen.«
Jan und ich hatten unsere eigene Sprache.
»Eifersüchtig gerade nicht, aber ein wenig enttäuscht war ich zuerst schon.«
Das war das Besondere zwischen uns. Der Schwenk zum ernst Gemeinten war zu jedem Zeitpunkt möglich. Ein paar Mal hatte ich versucht, Karin das begreiflich zu machen. Dass Ines’ Freund nicht nur ein humorbegabter und gewandter Luftikus war, sondern auch Ernsthaftigkeit hatte, wenn es darauf ankam, und vor allem, dass er unsere Tochter sehr gern hatte. Und dass er links war, weil er Charakter hatte und empathiefähig war und einen Sinn für Gerechtigkeit hatte. Und dass er ein notorischer Studiengangwechsler war, weil ihm daran gelegen war, das Richtige für sich zu finden, und nicht einfach irgendeine Karriere hinlegen wollte.
»Du findest ihn so toll, weil er so ist, wie du warst. Aber soll er das werden, was du bist?«
An dieser Stelle mochte ich meistens das Gespräch mit Karin über Jan nicht mehr.
Er war also enttäuscht darüber, dass Ines noch nicht mit ihm zusammenleben wollte.
»Es ist für sie einfach noch nicht der Zeitpunkt, Jan. Es eilt nun wirklich nicht mit der Kleinfamiliengründung.«
Er grinste wieder, und ich wusste, was er sagen würde.
»Wenn ich mir so ansehe, was sie hier im Handstreich aus deiner Bude macht, dann denke ich, dass du Recht hast«, sagte er.
»Ich muss los.« Er trank seinen Kaffee aus, tätschelte mitfühlend meine Schulter, und als er vor der Tür stand, öffnete sie sich von außen.
»Du bist noch da!«, rief Ines und umarmte ihn. »Habt ihr schon alles reingetragen?«
»Ja. Ich muss, Ines.« Er küsste sie. »Und sei nett zu deinem Papa!«
Abgang Traumschwiegersohn. Ines umarmte nun auch mich.
»Du bist der beste Vater, den ich habe.«
Ich berichtete ihr von Karins Anruf und ihrem Wunsch nach Kontakt.
»Ich klär das schon mit Mama«, meinte sie. »Du musst mich nicht ständig erinnern.«
»Gut. Das ist auch nichts für mich. Erinnern vergesse ich regelmäßig.«
»Ich ruf sie heute Abend an, sobald ich fertig bin mit Einräumen.«
Das Telefon läutete, ich nahm ab. Es war Susan Maiwald. Sie gab mir die Telefonnummer ihrer Großeltern. Sie habe sie informiert darüber, dass ich anrufen würde. Sie seien alles andere als begeistert, hätten aber doch zugestimmt.
Außerdem, sagte sie, habe sie mir eine E-Mail geschickt, im Anhang ein Foto ihrer Mutter.
Ich legte auf, fuhr den Rechner hoch, loggte mich ein und öffnete das Bild.
Die blonde nordische Susan musste ihrem Vater ähnlich sehen, denn in dieser Frau, die mich aus dem Bildschirm anlächelte, sah ich sie nicht. Dunkeläugig, lange schwarze Haare, attraktiv war untertrieben. Das war Carmen pur. Aber Carmen war zu schön gewesen, zu leichtlebig, zu verführerisch. Carmen war nicht alt geworden.
In meinem inneren Ohr hörte ich sie singen. Für mich die Carmen schlechthin. Elīna Garanča, Habanera. »L’amour est un oiseau rebelle. Die Liebe ist ein wilder Vogel«. Vor meinem inneren Auge selbstverständlich mit schwarzen Haaren, Anja Maiwald nicht unähnlich. Obwohl Elīna Garanča, die baltische Diva, blond war und nicht schwarz. Hans hatte sich oft lustig gemacht über meine Liebe für große Sänger und große Arien. Er, der Purist, mochte natürlich die komplette Musik von der ersten bis zur letzten Note und nicht nur die Publikums-Highlights. Das war etwas für Banausen wie mich. Außerdem mochte er schwer zugänglichen Jazz und zeitgenössische Klassik, was für mich das Gleiche war.
Ines war in ihrem Zimmer verschwunden, das heute Morgen noch mein Schlafzimmer gewesen war, und hatte sich an die Vollendung ihres Werks gemacht.
Und ich wählte die Nummer, die Susan Maiwald mir gegeben hatte.