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Ich hätte mich jetzt gern von Jonas Kaufmann beim Einschlafen »hinübersingen« lassen. Die Puccini-CD war in meiner Taxitasche. Aber Ines war da. Ines kam und ging, wann sie wollte. Sie hatte Schlüssel. Seit sie mit Jan zusammen war, blieb sie am Abend öfter mal in der Stadt. Wenn sie mit ihm unterwegs gewesen war und die letzte S-Bahn raus nach Solln verpasst hatte, schlief sie bei mir.

»Immer bei Jan schlafen? Wir wollen noch nicht, dass es zur Gewohnheit wird«, meinte sie.

Ich war mir nicht sicher, ob Jan das auch meinte. Aber meistens liefen die Dinge so, wie mein Töchterchen es wollte.

Sie hatte die Couch im Wohnzimmer bezogen. Ihre Bettwäsche lag immer bereit.

Nach der Trennung von Karin und ihrem Auszug mit Ines hatte ich mich an das Alleinsein erst wieder gewöhnen müssen. Dass niemand da war, wenn ich morgens aufstand. Dass die Wohnung leer war, wenn ich von meinen Taxischichten nach Hause kam, so wie der Kühlschrank, wenn ich vergessen hatte einzukaufen. Das Bett kalt. Keine Spuren von Leben außer denen, die ich selbst hinterlassen hatte. Das Auskommen mit mir allein war manchmal leidvoll, aber nicht allzu oft. Zu viel Krieg lag hinter mir, als dass ich den Frieden, selbst den einsamen, nicht hätte genießen können.

Bei Karin war bald Herbert auf der Matte gestanden. Herbert, erfolgreicher Immobilienmakler. Ich hasste Makler. Diese Schmarotzer, die sich an den grundlegenden Lebensbedürfnissen der arbeitenden Bevölkerung bereicherten. Ich erkannte den Sinn jedweden lebenden Wesens an. Schmeißfliegen, Tanzmäuse, Quallen, sogar Wespen waren nützlich, wenngleich ich nicht wusste wofür. Aber Makler! Passte jedenfalls zu Karin. Ein ehrgeiziger Ärmelhoch-Mann, der den Markt abfischte, während seine Karin als Studienrätin mit beamteter Sicherheit ausgestattet war. Sogar steuerlich waren die beiden eine Oase geworden. Herbert konnte so gut wie alles absetzen, was Karin käuflich erwarb.

Nein, ich war nie eifersüchtig gewesen, obwohl die Erkenntnis, gegen etwas Besseres ausgetauscht worden zu sein, schon etwas bitter war. Nicht eifersüchtig, aber gekränkt. Mein Ego hatte heftig geschwankt.

Ich setzte mich in die Küche, schenkte mir noch ein Bier ein, hantierte so leise wie möglich, aber Ines hatte den leichten Schlaf von ihrer Mutter geerbt. Gottseidank nicht viel mehr, dachte ich dankbar, als ich sie in der Küchentür stehen sah.

»Wie spät ist es? Wieso bist du schon da? Ist es nicht gut gelaufen?«

»Halb vier. Ich war müde. Nein.«

Die Angewohnheit, Fragen aneinander zu reihen, ohne den Antworten einen Zwischenraum zu lassen, hatte sie auch von ihrer Mutter. Die hatte ich vergessen.

»Heute Abend war eine Kundin hier!«

»Eine Kundin?«

»Eine mögliche Kundin. Sie hat nach dem Inhaber der Detektei Fendt gefragt. Das bist doch du, oder?«

»Ja, das bin ich. Noch bin ich nicht aufgekauft oder feindlich übernommen. Hat sie erzählt, was sie will?«

»Nein.«

»Wie sah sie aus?«

»Jung.«

»Jung? Wenn du das sagst, muss sie sehr jung gewesen sein. Oder nimmst du mich als Maßstab?«

»Nein, ich glaube, sie war sogar jünger als ich. Ich schätze mal, achtzehn, neunzehn. Grad Abi oder so.«

»Aha. Und weiter?«

»Paps! Das ist doch jetzt egal. Schau sie dir selber an! Sie hat eine Karte da gelassen und du sollst zurück rufen.«

»Ok. Aber ich hab gern eine Idee, mit wem ich es zu tun habe, bevor ich anrufe. Was für einen Eindruck hat sie gemacht?«

»Hübsch. Aufgetakelt. So geschminkt, dass sie vor dem Schlafengehen einen Spachtel braucht, um alles wieder abzukriegen. Teuer angezogen.«

»Also jung und vermögend. Das ist schon mal nicht uninteressant zu wissen, wenn’s dann um die Honorarvereinbarung geht.«

»Ich geh wieder schlafen, Paps.«

Ines nahm mich kurz in den Arm, stellte sich auf die Zehenspitzen, küsste mich auf die Stirn, sagte »Du kriegst bald eine Glatze«, und verschwand im Wohnzimmer.

Jan war ein Glückspilz. Er hatte sich das Schönste und Beste und Liebenswerteste geschnappt, das ich in meinem Leben zuwege gebracht hatte.

Und sie hatte Recht. Ich war noch nicht kahl, aber es würde nicht mehr allzu lange dauern, bis sich meine hohe Stirn mit der nackten Fläche auf dem Dach zusammentun würde. Da machte ich mir nichts vor. Da war mal ein dunkler Lockenwald gewesen. Nicht so licht wie heute. Und die weißen hatte ich namentlich gekannt. Heute konnte ich die dunklen zählen.

Mit diesen trüben Gedanken und den schönen an die größte Liebe meines Lebens trank ich mein Bier aus und ging schlafen.

Blutsbande

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