Читать книгу Blutsbande - Peter Horper - Страница 19

Оглавление

VI

Sie hörte Geräusche, Tritte auf Treppenstufen, etwas schlug an eine Wand. Die Tür öffnete sich. Er trug einen schwarzen ovalen Putzeimer, einen Wischmopp, schloss die Tür hinter sich, füllte den Eimer im Bad mit Wasser, stellte ihn in die Mitte des Raumes, warf den Mopp daneben, herrschte sie an: »Steh auf, Schlampe, und putz! Glaubst du, ich mach dir hier das Dienstmädchen?«

Er hatte sich neben ihr Bett gestellt und sah wütend auf sie herab. Woher kam diese Aggression? Sie hatte doch nichts anderes getan als hier im Bett gelegen und gewartet, dass er kam, dass Tag wurde, dass irgendetwas geschah. Sie entschied, sich nicht zu bewegen, nicht zu antworten. Als sie den Zorn in seinen Augen sah, wusste sie, dass diese Entscheidung nicht die richtige war. Eine grobe Hand packte sie an den Haaren und zerrte sie hoch.

»Lass mich los, ich mach doch schon!«, wollte sie rufen, aber die Worte fanden nicht aus ihrem Mund. Er schleifte sie zur Zimmermitte, gab ihr einen kräftigen Stoß. Sie kam neben dem Eimer zu liegen.

Er setzte sich aufs Bett.

»Nimm den Mopp und wisch den Raum aus. Das Bad auch. Du wirst das von nun an regelmäßig machen. Hier gibt’s keine Putzfrau wie bei dir zu Hause. Hier putzt keine Zugehfrau aus Polen das Klo, in das du geschissen hast!«

Seine Stimme war jetzt leiser und beherrschter, aber da schwang etwas mit, das ihr Angst machte. Da war Gefahr. Nicht die, in der sie schwebte, seit sie hier war. Unmittelbarer. Es hatte mit ihrer letzte Begegnung zu tun, mit seiner Erregung, die sie gespürt hatte. Es war, als würde er sie und sich bestrafen wollen für die Schwäche und den Kontrollverlust, den er sie hatte sehen lassen. Als hasste und verachtete er sich selbst und würde nun sie dafür leiden lassen.

Sie nahm wortlos den Mopp, tauchte ihn ins Wasser und begann, den Boden zu wischen.

Er blieb auf dem Bett sitzen und sah ihr zu. Sie fühlte, wie er sie beobachtete, tat, als würde sie das nicht berühren. Wischte durch den ganzen Raum, dann im Bad, die Umgebung des Bettes fehlte noch.

Sie wollte nicht dorthin. Wollte nicht in seine Nähe, in seine Reichweite. Doch das Bad und der restliche Raum waren fertig. Natürlich wusste er längst, dass sie Angst hatte. Aber sie wollte es ihm nicht vor Augen führen. Sie nahm den Eimer, trug ihn durchs Zimmer, begann rund ums Bett zu wischen, er lachte, hob die Füße. Sie versuchte, ihn nicht anzusehen, ihre Arbeit zu tun. Als sie sich bückte, um mit dem Mopp unter das Bett zu gelangen, spürte sie seine Hand an ihrem Kopf. Seine leicht aufgesetzten Fingerkuppen auf ihrem Haar brannten, fraßen sich durch ihre Kopfhaut, durch den Schädel.

»Du entkommst mir nicht!«, sagten sie. »Nirgends kannst du dich vor mir verstecken. Ich habe immer Zugriff auf dich. Immer! Kann dich verletzen, leicht und tief, innen und außen, wann ich will, wie ich will.«

Sie wollte aufschreien, sich schütteln, ihn abschütteln, sammelte ihre ganze Kraft, hielt es aus, machte weiter, stellte, als sie fertig war, Eimer und Mopp neben die Tür. Wohin sollte sie jetzt gehen? Es gab keinen Ort für sie. Sie ging ins Bad, drehte den Hahn mit dem kalten Wasser auf. Eiskaltes Wasser ins Gesicht, bis es schmerzte. Als sie zurück ins Zimmer kam, stand er an der Tür. Er hatte sie bereits geöffnet, blickte zurück.

»Ich weiß, dass du nicht an unsere Zukunft glaubst. Du kannst nicht über die Mauern unseres Gefängnisses schauen. Kannst dich nicht lösen. Aber wir haben nur ein Leben und in diesem einen Leben sind wir füreinander geschaffen, Anja. Unser Leid, unsere Irrungen. Alles nur Umwege, die vielleicht nötig waren, um uns zusammenzuführen.«

Sie schwieg. Was hätte sie antworten sollen? Sie schwieg und sie verstand. Er hatte nicht vor, sie in ihr Leben zurückgehen zu lassen. Er hatte Anderes für sie im Sinn. Eine andere Zukunft.

»Wir gehören zusammen, Anja. Bis der Tod uns scheidet.«

Blutsbande

Подняться наверх