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Der Fall Dr. Otto John

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Ein weiterer eklatanter Fall beschäftigte im Juli 1954 sowohl die Öffentlichkeit als auch die Berliner Polizei und die Justiz.

Dr. Otto John, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, war auf mysteriöse Art und Weise verschwunden. Nachdem man zunächst nahezu übereinstimmend davon überzeugt war, dass er Opfer sowjetzonaler Verbrecherbanden geworden sei, stellte sich im August 1954 heraus, dass er sich freiwillig von Westberlin aus nach Ostberlin begeben hatte. „Am 19. Juli 1954, dem Tage vor der Erinnerungsfeier für die Opfer des 20. Juli 1944“, so meldete sich Dr. John aus Ostberlin, „habe ich mich bei einem Empfang des Bundespräsidenten entschlossen, Westdeutschland zu verlassen und in die DDR zu gehen, weil ich in dieser Veranstaltung, die doch den Opfern gelten sollte, mehr Nazis als Leute und Angehörige von Leuten des 20. Juli zu Gesicht bekommen habe ... Schon vorher hatte ich, als ich im Dezember 1950 mein Amt in der Bundesrepublik übernahm, die Illusion, am Aufbau eines neuen Deutschland mitwirken zu können.“ Da er jedoch, wie er erklärte, recht bald feststellen musste, dass „die wildesten Nazis und Militaristen wieder hoffähig gemacht wurden, ein Minister Oberländer in der Bundesregierung saß, der in Polen die Eindeutschungspolitik Hitlers betrieben hatte, und Dr. Globke, Kommentator der Nürnberger Gesetze, die rechte Hand des Bundeskanzlers Adenauer war, sowie Generäle, Polizisten, Ärzte und Juristen des ehemaligen Nazideutschland in höchsten Positionen untergebracht waren, glaubte ich nicht mehr daran, dass eine vernünftige Friedenspolitik in der Bundesrepublik betrieben werden würde.“ Warum er sich dann allerdings nicht vehement in der Bundesrepublik gegen derartige Strukturen aufgebäumt beziehungsweise das Ausland über seine Erkenntnisse informiert hatte und stattdessen ausgerechnet in der DDR untergetaucht war, war lange nicht nachzuvollziehen. Er begründete es später damit, dass „die wieder aufgeschürte Verunglimpfung der Widerstandskämpfer und Emigranten in der westdeutschen Presse ein Beweis vor aller Öffentlichkeit gewesen sei, nicht ungestraft gegen die amerikanische Kriegspolitik auftreten zu können und dass ihm nach seiner Flucht aus Deutschland im Jahre 1944 nach England klar geworden war, dass man von einem fremden Land aus nicht tätig sein könne“.

Dennoch ist ihm nicht viel Freiraum in der DDR geblieben, sodass er 1956, nachdem er sich erkundigt hatte, ob ihm bei seiner Rückkehr in die Bundesrepublik die Verhaftung durch die westdeutsche Polizei beziehungsweise ein Gerichtsverfahren drohe, wieder zurückkehrte und sich völlig aus der Politik heraushielt.

Berliner Kriminalpolizei von 1945 bis zur Gegenwart

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