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Baustein 3: Medikamentöse Therapien

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Patienten mit chronischem Kreuzschmerz müssen in Bewegung bleiben. Damit das überhaupt möglich ist, benötigen sie häufig Schmerzmittel. Diese lindern den Schmerz so, dass die Betroffenen ihren Alltagsaktivitäten nachgehen können. Aber sie unterdrücken nur das Symptom Schmerz und heilen ihn nicht. Die medikamentöse Schmerztherapie bildet also nur eine Brücke zur dauerhaften Verbesserung, die nur mit der multimodalen Therapie (siehe Kapitel 3) erreicht werden kann.

„Schmerzmittel lindern das Symptom Schmerz – aber sie heilen ihn nicht.“

Zum Einsatz kommen zunächst freiverkäufliche Mittel, wie zum Beispiel sogenannte nichtsteroidale Antirheumatika. Wegen möglicher unerwünschter Langzeitwirkungen (wie Nierenschädigungen oder Leberschädigungen) sollten diese aber nicht über viele Wochen oder Monate eingenommen werden. Gleiches gilt für den Wirkstoff Metamizol. Paracetamol ist bei Rückenschmerzen ohnehin relativ wirkungslos und wird in der neuesten Nationalen Versorgungsleitlinie nicht mehr empfohlen. Damit ist das Spektrum der „normalen“ Schmerztabletten relativ schnell ausgereizt. Bleiben sie wirkungslos, bekommen Patienten langwirksame Opioide. Aber auch diese sollten zunächst maximal bis zu zwölf Wochen eingenommen werden und die schmerzlindernde Wirkung mit dem Arzt engmaschig überprüft, die Mittel gegebenenfalls wieder abgesetzt werden. Eine längere Opioid-Behandlung ist grundsätzlich nur im Rahmen einer multimodalen Therapie sinnvoll, aber auch dann sollten die Opioide spätestens nach sechs Monaten langsam reduziert werden, um zu sehen, wie sie zur Schmerzlinderung beitragen.

In letzter Zeit gibt es Erkenntnisse aus der Forschung und Klinik, also der Behandlung von Patienten, dass bei etwa 30 Prozent der Rückenschmerzen eine sogenannte „neuropathische Komponente“ hinzukommt. Das heißt, dass Nervenschmerzen zusätzlich auftreten. Ursache dafür ist die mechanische Schädigung oder entzündliche Aktivierung von kleinen Nervenfasern, die aus dem Rückenmark abbiegen. Sie versorgen die Muskulatur an der Wirbelsäule („autochtone Rückenmuskulatur“), die kleinen Gelenke der Wirbelsäule und die Bandscheibe mit Schmerzfasern. Wenn diese Schmerzfasern verstärkt Signale weiterleiten, werden die Schmerzreize deutlich intensiviert. In diesem Falle müssen Medikamente genommen werden, die ansonsten für die Behandlung von Nervenschmerzen eingesetzt werden. Hierzu zählen Antidepressiva und Antikonvulsiva (siehe Kapitel Nervenschmerzen). Diese können die Nervenschmerz-Komponente beim Rückenschmerz wirksam bekämpfen. Häufig werden sie bereits im akuten Stadium der Schmerzen in Kombination mit den Antirheumatika eingesetzt. Wichtig ist, dass ein Arzt an beide Schmerzkomponenten denkt und eine genaue Diagnostik durchführt. Dabei kann er einen Fragebogen anwenden, den Mediziner Pain Detect nennen, um herauszufinden, ob eine solche Komponente beteiligt ist.

Erst das Ineinandergreifen aller drei Bausteine aus Bewegungstherapie, psychologischen Maßnahmen und medikamentöser Behandlung ermöglicht eine umfassende Therapie. Das ist derzeit die wirksamste Möglichkeit, chronische, nicht spezifische Kreuzschmerzen in den Griff zu bekommen.


Der plastische Chirurg Michael S. hat als Jugendlicher Leistungssport betrieben und sich aufgrund der erhöhten Belastung chronische Rückenschmerzen zugezogen, die in den Oberschenkel ausstrahlen. Trotz seines hohen Arbeitspensums integriert er mittlerweile regelmäßig Bewegung und gesunde Ernährung in seinen Alltag – und weiß, dass man immer etwas gegen Schmerzen tun kann.

Das Handbuch gegen den Schmerz

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