Читать книгу Das Handbuch gegen den Schmerz - Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Thomas R. Tölle - Страница 71

„Ich musste lernen, meine Schmerzen ganzheitlich anzugehen, weil keine OP hilft.“

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Prof. Dr. med. Michael S. (54), plastischer Chirurg aus Frankfurt, spezialisiert auf mikrochirurgische Eingriffe an den Händen, leidet seit neun Jahren unter heftigen Rückenschmerzen im Lendenwirbelbereich. Hier erzählt er, wie ihm Manuelle Therapie und Akupunktur helfen.

Mein Beruf und meine Berufung sind es, Schmerzen anderer Menschen durch komplexe Operationen zu lindern oder zu verhindern – doch ich selbst habe chronische Beschwerden, die kein Eingriff nehmen kann. Das anzunehmen fiel mir am Anfang nicht ganz leicht. Bei mir sitzt der Schmerz im Rücken, genauer gesagt im Bereich der Lendenwirbelsäule. Er ist stark stechend, strahlt in den rechten Oberschenkel aus, die Muskeln verhärten sich und sorgen für ein heftiges Verspannungsgefühl – und der Schmerz ist immer da, mehr oder weniger stark, seit mittlerweile neun Jahren.

„Die Ursache für meine Rückenschmerzen liegt im Leistungssport meiner Jugend.“

Ich spüre die Stiche im Rücken jeden Tag, besonders wenn ich sitze – was ein Hauptteil meines Berufs ist. Ich untersuche und operiere sitzend und bin dabei nach vorne gebeugt. So eine Operation kann schon mal sechs Stunden am Stück dauern, wenn sie komplex ist. Ich kann zwischendurch aufstehen und mich dehnen, aber das reicht oft nicht. Das macht den Rücken nicht besser, genauso wenig wie lange Autofahrten zu Vorträgen oder Kongressen, die sich aber nicht immer vermeiden lassen.

Die Ursache für meine Schmerzen liegt in der Jugend. Ich habe viel Leistungssport getrieben, trainierte täglich für Tennis und Handball. Mein Spinalkanal, durch den im Rücken alle Nerven laufen, ist verengt, außerdem habe ich beginnende Arthrose, die Wirbelsäule versteift sich, die Beweglichkeit nimmt ab. Ich ging zu vielen Kollegen wie Internisten, Orthopäden, Neurologen und Wirbelsäulenchirurgen. Ich wurde durch das MRT geschoben, nahm eine ganze Batterie an Schmerzmitteln und Muskelrelaxanzien, probierte Physiotherapie und Kortisonspritzen – bis ich schließlich und endlich bei Schmerzmediziner Dr. Michael Hammes in Bad Homburg Hilfe fand. Er ist Neurologe, aber auch Spezialist für Traditionelle Chinesische Medizin und Akupunktur. Das sind beides Verfahren, deren Wirkung mit starren wissenschaftlichen Methoden immer noch schwer messbar sind – aber die vielen Patienten Linderung verschaffen. So geht es auch mir.

„Man ist ja ein kompletter Mensch – deshalb muss man sich bei Schmerzen um den ganzen Menschen kümmern.“

Über einen Zeitraum von mehreren Monaten wurde ich mehrmals pro Woche mit einer manuellen chinesischen Massage und dünnen Nadeln behandelt. Das löste mit speziellen Griffen über Triggerpunkte die Verspannungen. Ich habe außerdem regelmäßig Dehnübungen gemacht und achte bei der Ernährung darauf, dass Cholesterin und Harnsäure nicht zu hoch sind, was Entzündungen lindert. Ich reduziere also Eier, tierisches Fett und Hülsenfrüchte.

Man ist ein kompletter Mensch, keine Summe aus Knochen und Sehnen, also muss man sich bei Schmerzen auch um den ganzen Menschen kümmern. Das ist ehrlicherweise oft aber leichter gesagt als getan. Ich war eine Zeit lang fast völlig schmerzfrei. Und was habe ich gemacht, obwohl ich es doch eigentlich hätte besser wissen müssen? Ich habe die Behandlungsansätze schleifen lassen. Klar ist mein Alltag dafür verlockend, ich esse immer, wenn ich Zeit habe, also tagsüber kaum und spät abends dann mit brutalem Hunger. Zeit für Bewegung zu finden ist auch schwer. Aber am Ende bleibt einem nichts anderes übrig, als zu akzeptieren, dass man mitmachen muss, wenn es einem gut gehen soll.

„Ich habe erfahren, dass man immer etwas tun kann, auch wenn man schon sehr lange Schmerzen hat.“

Der Sommer ist eher meine Jahreszeit. Da fällt mir der Sport leichter und er motiviert dann auch zu besserer Ernährung. Bei Bewegung merkt man schnell, dass der Körper konditionsstärker ist, wenn er Gutes zugeführt bekommt. Prävention ist etwas, das man nicht unmittelbar spürt. Das ist sicher ein Grund, warum viele Menschen chronische Schmerzen haben. Sie haben den Moment verpasst, an dem sie auf sich hätten achten müssen. Aber auch wenn ich aktuell kein Musterbeispiel bin, habe ich die Erfahrung machen dürfen, dass man immer etwas tun kann, auch wenn man schon sehr lange Schmerzen hat. Man muss „nur“ den richtigen Arzt finden – sowie einen Punkt, an dem man anfängt und bestenfalls nicht oder nur selten wieder aufhört.

Das Handbuch gegen den Schmerz

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