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Vorwort

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Für Studierende des Faches ÜbersetzenÜbersetzen stellt sich die wissenschaftliche Beschreibung ihres Studieninhalts am Anfang recht unübersichtlich und komplex dar. Bei einer „Einführung in die ÜbersetzungswissenschaftÜbersetzungswissenschaft“ ist die oft unvereinbare Begrifflichkeit der verschiedenen Richtungen der ÜbersetzungstheorieÜbersetzungstheorie auffällig, die doch alle den Anspruch haben, das Gleiche, den Vorgang der Umsetzung eines Textes in eine andere Sprache,Sprache zu beschreiben. Dieses schillernde Bild wird durch das weitgehend unverbundene Nebeneinander der deutschen Übersetzungswissenschaft und von Forschungsansätzen aus anderen Ländern noch unklarer.

Die Komplexität wird besonders deutlich, wenn man Festschriften oder Kongressakten durchsieht, die ja Beiträge von Wissenschaftlern unterschiedlicher Provenienz enthalten, welche einander oft auch direkt widersprechen. In den einzelnen Theorien wird jeweils meist ein Gedanke besonders hervorgehoben, der an anderer Stelle zu wenig oder noch nicht gesehen worden war. Problematisch ist dann allerdings der Versuch, eine Einzelerkenntnis zum Dreh- und Angelpunkt einer allgemeinen ÜbersetzungstheorieÜbersetzungstheorie zu machen.

Obwohl sich die Forschungstätigkeit zum Übersetzen mittlerweile durchaus als eine Disziplin etabliert hat, zeigt das Erscheinungsbild einer Wissenschaft nach außen hin wenig Konturen, wenn sich in ein und demselben Sammelband zum ThemaThema „ÜbersetzenÜbersetzen“ die Einzelbeiträge unversöhnlich gegenüberstehen. Dies mag mit ein Grund dafür sein, dass das Übersetzen außerhalb des Kreises der damit unmittelbar Befassten zuweilen eher geringschätzig betrachtet worden ist und dass die Wissenschaft vom Übersetzen sehr lange nicht als eine eigenständige Disziplin anerkannt worden ist.

Der interdisziplinäre Charakter der Wissenschaft vom ÜbersetzenÜbersetzen, die mit unterschiedlichen Nachbardisziplinen in Kontakt steht, ist ein weiterer Grund für die Vielfalt der theoretischen Ansätze und damit auch für die Uneinheitlichkeit im Begriffsapparat. Die Fortentwicklung der noch relativ jungen Disziplin führte nicht zu einer allmählichen Herausbildung einer allgemeinen Übersetzungstheorie, vÜbersetzungstheorieielmehr wurden und werden ständig neue „Ansätze“ entwickelt.

Die Entwicklung verlief keineswegs geradlinig, sondern eher wie eine Spirale, immer wieder aus einem anderen Blickwinkel um dieselben Fragen kreisend. Viele Gedanken wurden unabhängig voneinander oft gleichzeitig geäußert, weil andere Denkrichtungen nur ungenügend zur Kenntnis genommen wurden. Andererseits wurden fremde Einsichten bei der Einarbeitung in eigene Überlegungen häufig anders bewertet und führten dann neben begrifflicher Umdeutung auch zu neuen Schlussfolgerungen. Die Orientierung hier zu erleichtern ist ein Anliegen des vorliegenden Studienbuches, indem Querverbindungen und Berührungspunkte der verschiedenen Übersetzungstheorien hervorgehoben werden.

TheorieTheorie ist ja der Versuch, die vielfältigen Strukturen und Zusammenhänge eines konkreten Sachverhalts in einem abstrakten Modell darzustellen, sodass eine Problematik klar hervortritt. Doch allein die Bezeichnungen des Forschungsgegenstandes variieren zwischen Ausdrücken wie (dt.) ÜbersetzungswissenschaftÜbersetzungswissenschaft, Übersetzungstheorie, TranslationslinguistikTranslationslinguistik, Translationswissenschaft, Translationstheorie, TranslatologieTranslatologie, TranslatorikTranslatorik, (engl.) theory of translation, translation theory, translation science, translation studies, translatology, (frz.) traductologie, translatistique, traductique, théorie de la traduction, (it.) teoria della traduzione, translatica, (sp.) traductología, teoría de la traducción, (pg.) teoria da tradução. Die Konkurrenz zwischen „ÜbersetzungstheorieÜbersetzungstheorie“ und „Übersetzungswissenschaft“ zeigt außerdem, dass noch nicht entschieden ist, ob es sich hier um eine allgemeine, reine Theoriediskussion handelt oder vielmehr um eine angewandte SprachwissenschaftSprachwissenschafts. Linguistik, welche die Verbesserung konkreter Übersetzungsleistungen zum Ziel hat.

Die fortschreitende DifferenzierungDifferenzierung der Wissenschaft bringt auch eine Differenzierung der Wissenschaftssprache mit sich. So gilt, dass einerseits Ähnlichkeiten zwischen verschiedenen Modellen nicht notwendig auch Übereinstimmung in der Sache und andererseits neue Terminologien nicht auf jeden Fall auch neue Erkenntnisse beinhalten. Gleiche Benennungen werden in den Geisteswissenschaften oft unterschiedlich definiert, mit anderen Inhalten versehen, ja sie wandern auch zwischen den Disziplinen. Daher wird ein wissenschaftlicher BegriffBegriff vor allem im Rahmen seiner Entstehung und seines geisteswissenschaftlichen Hintergrundes richtig verstanden. Umgekehrt sind für den Kenner der Materie die Begriffsbenennungen für sich schon ein Indiz dafür, um welche „Schule“ es sich gerade handelt. So zeigt sich ein Unterschied der wissenschaftlichen Herkunft, wenn etwa von „der ÜbersetzerinÜbersetzer“, vom „TranslatorTranslator“ oder vom „zielsprachlichen SenderSenders. Autor, Produzent“ die RedeRedes. parole ist. Das vorliegende Studienbuch möchte hier eine Orientierung bieten, indem Herkunft und InhaltInhalt von Kernbegriffen erläutert und verbreitete Übersetzungstheorien vorgestellt werden. Zu diesem Zweck werden die ausgewählten theoretischen Ansätze bewusst mit reichlichen Originalzitaten vorgestellt, um die jeweilige Diktion erkennbar werden zu lassen. Damit soll der Zugang zu den Haupttexten der vorgestellten Richtungen erleichtert werden, wobei diese jeweils am Kapitelende als „Lektürehinweise“ genannt sind.

Fragt man sich also, worin denn – kurz gefasst – die wesentlichen Unterschiede zwischen den heute gängigsten Übersetzungstheorien liegen, so wird deutlich, dass kaum jemand eine klar umrissene, stringente TheorieTheorie als solche entworfen hat. Vielmehr wurde die eigene Vorstellung meist in der Diskussion konkreter ÜbersetzungsproblemeÜbersetzungsprobleme und nach ausführlicher kritischer Würdigung anderer Ansichten mehr oder weniger implizit mit zum AusdruckAusdruck gebracht. Kernfragen wie die ÜbersetzbarkeitÜbersetzbarkeit überhaupt, Möglichkeiten der Textanalyse, die Übereinstimmung zwischen TextvorlageTextvorlages. Ausgangstext, AS, Original und Übersetzung, die Wirkung des Übersetzungstextes als einzelner, sowie im Rahmen einer Nationalliteratur, konzentrieren jeweils eine Wolke unterschiedlicher Kommentare, Analysen und kritischer Darstellungen um sich, die oft genug die Verwirrung eher noch steigern, weil der eigene Standpunkt nicht klar genug definiert wird. Dies gilt auch für die wiederholten Versuche einer Aufarbeitung der Geschichte des Übersetzens, weil auch hier nicht nach „Schulen“ differenziert wurde, sondern wiederum die Meinungen verschiedener Autoren zu wesentlichen Übersetzungsproblemen zusammengetragen und undifferenziert miteinander verglichen wurden.

Es gibt aber gewisse Grundtendenzen im Denkansatz, die herausgearbeitet werden können. Diese verständlich zu machen dient dem Bestreben, ein gewisses Vorverständnis für die Lektüre einschlägiger Werke zu entwickeln. So lässt sich in einem Überblick über die neueren übersetzungswissenschaftlichen Studien inzwischen ein gewisser Perspektivenwandel der Wissenschaftler in der Problemdiskussion ausmachen.

Zunächst konzentrierte man sich auf die Sprachenpaare, die beim ÜbersetzenÜbersetzen aufeinandertreffen und verglich deren Wort- und Satzstrukturen. Da aber nicht nur Wörter und Sätze, sondern Texte im Rahmen einer gesellschaftlichen SituationSituation übertragen werden, wandte sich das wissenschaftliche Interesse produktorientiert alsbald mehr textlinguistischen Fragestellungen zu. Die Beobachtung der Vielschichtigkeit von Texten und die Einwirkung außersprachlicher Bedingtheiten hat schließlich den Blick auf die übersetzenden Personen selbst und prozessorientiert auf deren DenkenDenken und HandelnHandeln gelenkt. Dabei wurden einerseits Handlungsmodelle entwickelt und andererseits auch der Versuch unternommen, das Verstehen zu reflektieren und das übersetzerische Denken zu untersuchen, um so dem Prozess auf die Spur zu kommen.

Dass hier für Studienanfänger ein gewisser Klärungsbedarf besteht, macht das Erscheinen mehrerer Überblicksversuche in der ersten Hälfte der neunziger Jahre deutlich. In der vorliegenden durchgesehenen und überarbeiteten siebten Auflage der „Einführung“ wurden zwischenzeitlich erfolgte Weiterentwicklungen, einige bisher übersehene Strömungen und Perspektivenverschiebungen sowie neuere LiteraturLiteratur aufgenommen.

Zunächst geht es darum, die wichtigsten Forschungsrichtungen im Einzelnen vorzustellen und zu erläutern. Nach Denkschulen geordnet werden die wesentlichen Ansatzpunkte und Grundaussagen wichtiger Autoren zum ÜbersetzenÜbersetzen, ggf. mit Originaldefinitionen und Beispielen, vorgestellt und durch Angaben der wichtigsten LiteraturLiteratur zu jedem Kapitel ergänzt. Diese Literaturhinweise sind am Ende des Buches noch einmal in einer Gesamtbibliographie zusammengestellt. Quellenangaben zu speziellerer Literatur erscheinen in den Fußnoten. Kernbegriffe werden besonders hervorgehoben und erläutert. Während in den Naturwissenschaften das Erscheinungsdatum eines Beitrags auf dessen Aktualität schließen lässt, kann hier das Vorgehen nicht rein chronologisch erfolgen, da vieles gleichzeitig oder in partieller Auseinandersetzung entstanden ist. Dennoch ist natürlich auch eine gewisse zeitliche Weiterentwicklung ersichtlich.

Das vorliegende Studienbuch versucht, in die Vielfalt von miteinander konkurrierenden übersetzungstheoretischen Erörterungen eine gewisse Ordnung zu bringen, indem nach der PerspektivePerspektive auf den Forschungsgegenstand (SprachsystemSprachsystem, Text, Disziplin, HandlungHandlung, ÜbersetzerÜbersetzer) unterschieden wird. Die Darstellung konzentriert sich absichtlich nicht auf einige wenige „Schule machende“ Richtungen, denn der junge Wissenschaftler ist ja gerade mit der Vielfalt unterschiedlicher Ansätze konfrontiert. Und auch dem weniger anspruchsvollen „Neuling“ muss nicht unbedingt die Anstrengung der eigenen kritischen Stellungnahme und Auswahl abgenommen werden. Eine strenge Trennung zwischen „Theoretikern“ und „Didaktikern“ erschien auch nicht sinnvoll, weil jeder sich als Didaktiker gerierende AutorAutors. Sender stets auch implizit eine bestimmte TheorieTheorie vertritt (und um die geht es hier), und weil die meisten sog. Theoretiker insgeheim doch auch eine praktische Anwendung ihrer Theorie im Auge haben, sonst würden sie nicht stets ihre Modelle mit praktischen Textbeispielen ausschmücken. PraxisPraxis ohne Theorie ist funktionaler Leerlauf, und Theorie ohne Praxis ist tote Begrifflichkeit.

Die unterschiedlichen Herangehensweisen gegenwärtiger Übersetzungstheorien sowie deren Reichweite werden so deutlich gemacht und miteinander verglichen. Im Durchgang durch diese vielen Theorien ist es faszinierend zu sehen, wie diese immer umfassender werden. Dabei ist es nicht so, dass die jeweils spätere Theorie immer die bessere wäre. Vielmehr wird eher eine Gesamtwahrnehmung der verschiedenen Ansätze der tatsächlichen Komplexität des Übersetzens gerecht. Keineswegs sollen hier aber die Grenzen einer Disziplin „Translationswissenschaft“ aufgezeigt werden, weil sich die Perspektiven der Wissenschaftler und ihr frei wählbarer Standort nicht festlegen lassen.

Den Kapiteln ist jeweils ein kurzes Abstract zur Grundorientierung vorangestellt. Da in der ÜbersetzungswissenschaftÜbersetzungswissenschaft die einzelnen Ansätze mit Autorennamen verbunden sind, werden diese in den Abschnittüberschriften genannt, doch gelegentlich wird ein Ansatz auch in mehreren aufeinander folgenden Abschnitten behandelt. Am Ende jeden Kapitels erscheint ein kurzer Kommentar, welcher die LeserLesers. Empfänger und Leserinnen zu kritischer Distanz und zusammenfassendem Nachdenken anregen soll. Bewusst werden in der Bibliographie nur die für diese Einführung wichtigeren Werke der genannten Autoren aufgeführt, sodass einige speziellere und ergänzende Angaben nur in der jeweiligen Fußnote zu finden sind.

Diese Einführung ist gedacht als erste Orientierung im Bereich der Übersetzungstheorien für Studierende der Übersetzerstudiengänge, der Philologien sowie für Praktiker, die schon immer einmal wissen wollten, was denn ÜbersetzungstheorieÜbersetzungstheorie eigentlich soll. Allerdings ersetzt die Lektüre dieser Einführung nicht das Studium der Originale. Weil eine solche Einführung naturgemäß plakativ und verkürzend ist, möchte dieses Studienbuch zu selbständigem Weiterforschen anregen.

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