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2.8 Interaktionstests

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Interaktionstests oder Tests sind bestimmte Handlungsstrategien, mit deren Hilfe Klienten mit Persönlichkeitsstörung herausfinden wollen, wie der Therapeut zu ihnen steht.

Die Schemata, insbesondere die Beziehungsschemata, die persönlichkeitsgestörte Klienten aufweisen, besagen, dass sie in Interaktionen mit Problemen rechnen müssen: Dass sie abgewertet werden, ignoriert, bevormundet usw. Diese Schemata führen damit bei allen persönlichkeitsgestörten Klienten zu einem (mehr oder weniger) ausgeprägten Misstrauen: Die Klienten gehen in die Therapie nicht mit einem Vertrauensvorschuss (»Der Therapeut wird mich schon gut behandeln.«), sondern mit Misstrauen.

Andererseits möchten die Klienten, dass der Therapeut eine gute Beziehungsgestaltung realisiert und das bedeutet auch, sie möchten dem Therapeuten im Grunde vertrauen. Damit sind die Klienten aber in einem Dilemma: Einerseits wollen sie vertrauen, andererseits können sie das wegen ihrer Schemata aber nicht.

Prinzipiell haben die Klienten nun zwei Möglichkeiten, mit dem Dilemma umzugehen: Sie können abwarten, wie sich die Beziehung entwickeln wird und meist nimmt durch die komplementäre Beziehungsgestaltung dann das Misstrauen ab – das tun die meisten Klienten. Oder sie sind ungeduldig und wollen sofort Klarheit: Dann testen sie den Therapeuten.

Tests treten damit nicht sehr häufig auf, aber wenn, dann stellen sie in aller Regel sehr schwierige Situationen für den Therapeuten dar. Besteht ein Therapeut den Test nicht, kann das das Ende der Therapie bedeuten. Daher ist es sehr wichtig, dass ein Therapeut einen Test besteht.

»Test« bedeutet, dass Klienten etwas tun, was die therapeutischen Regeln verletzt, was den Therapeuten provoziert oder was man allgemein in Interaktionen nicht tun sollte: Sie werten z. B. den Therapeuten ab, kritisieren ihn ohne triftigen Grund, überschreiten Grenzen usw.

Klienten testen aber nicht, um Regeln zu verletzen oder um einen Therapeuten zu verärgern: Sie tun das nur, um festzustellen, wie der Therapeut daraufhin mit ihnen umgeht.

Tests sind daher keineswegs »bösartig« und die Klienten machen das auch nicht »zum Spaß«: Sie tun es nur, um für sich selbst Klarheit und Sicherheit zu gewinnen.

Diese Erkenntnis hilft Therapeuten oft, Tests auch nicht persönlich zu nehmen, denn das sind sie nicht: Jeder Therapeut würde in der Situation getestet.

Die Logik des Vorgehens ist Folgende: »Wenn ich den Therapeuten verärgere, kritisiere o. ä. und der Therapeut dann trotzdem freundlich und zugewandt bleibt und die Beziehung nicht kündigt, ist das ein Zeichen dafür, dass ich dem Therapeuten vertrauen kann.«

Tests dienen also nur einem Zweck: Festzustellen, ob ein Klient dem Therapeuten trauen kann. Kann er das, dann kann der Klient sich weiter auf die Beziehung einlassen. D. h. besteht der Therapeut den Test, entwickelt sich die Beziehung weiter. Besteht der Therapeut den Test nicht, verschlechtert sich die Beziehung oder ist sogar zu Ende.

Tests dienen somit zentral dazu, »Sicherheit« zu schaffen an Stellen, an denen die Person misstrauisch ist.

Tests sind immer Prüfungen der Beziehung, sie beziehen sich immer darauf, Einstellungen oder Eigenschaften des Interaktionspartners im Hinblick auf die Gestaltung von Beziehung zu testen. Die Klienten nutzen dabei oft Inhalte für den Test (»Sie verstehen mich nicht.« o. ä.), es geht aber nie um die Inhalte, es geht immer um Beziehung. Daher muss ein Therapeut auch auf der Beziehungsebene reagieren, nicht auf der Inhaltsebene.

Er sollte auch keine Inhalte diskutieren, didaktisieren o. ä.: Das ist alles Unsinn, denn darum geht es dem Klienten nicht. Der Therapeut sollte stattdessen durch eine gezielte Beziehungsbotschaft auf den Test eingehen (s. u.).

Dabei kann der Interaktionspartner auf ganz Verschiedenes hin getestet werden, z. B.:

• Ob er auch in kritischen Situationen zugewandt bleibt.

• Ob er wirklich verlässlich ist.

• Ob er solidarisch ist.

• Ob er kompetent ist.

• Ob er stark genug ist.

• Ob er sich durchsetzen kann usw.

Viele Klienten mit PD realisieren auch in der Therapiesituation (für eine Störung charakteristische) Tests. Diese Tests stellen besonders hohe interaktionelle Anforderungen an Therapeuten: Bestehen Therapeuten diese Tests nicht, verschlechtert sich die Therapeut-Klient-Beziehung und ein Klient kann die Therapie abbrechen.

Psychotherapie von Persönlichkeitsstörungen

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