Читать книгу Im Südwesten Kretas - Ralph Schroff - Страница 5
Kreta im Mai 2014
ОглавлениеVier Jahre später kamen wir im späten kretischen Frühling für zweieinhalb Wochen zurück nach Kreta. Nachdem wir in Heraklion gelandet waren, sind wir mit dem Bus nach Chania gefahren, um dort die erste Woche zu verbringen und übernachteten abermals in asteli. Dieses Jahr war es der erste Urlaub, in dem ich auch gelaufen bin und Chania ist ein reizvoller Ort für entspannende Läufe am Morgen. Man kann zum Hafen hinunterlaufen, der Küste entlang in die eine oder andere Richtung, kann sich in den engen Gassen der Altstadt verirren oder zu dem botanischen Garten und dem Stadion hinauslaufen und eine Runde auf der Tartanbahn drehen. Im Unterschied zu unserem letzten Kreta-Urlaub sind wir jeden Abend in das Restaurant Tamam gegangen,welches ein altes Lieblingslokal von Karen ist, was dort durchaus für Erstaunen gesorgt hat, aber wir genossen die Atmosphäre, das gute Essen und die zunehmend herzlicher werdende Gastfreundschaft. Wir erkundeten die Altstadt, genossen die frühlingshafte Atmosphäre und hatten ein paar angenehme Stunden in dem archäologischen Museum Chanias. Unser Zimmer in der Pension ging auf einen Garten hinaus, der von einer alten Befestigungsmauer umgeben war, was mich vor das Rätsel stellte, welchen Sinn eine Befestigungsmauer inmitten der Stadt ergab. Es war auch faszinierend auf unseren Spaziergängen an modernen Gebäuden vorbeizugehen, die neben archäologischen Ausgrabungen, an alte Befestigungsmauern angelehnt waren oder neben zu Ruinen verfallenen Häusern standen. Chania ist voller alter Geschichte und hat nie aufgehört mich zu verzaubern. Früher oder später stößt man auf noch ältere Steine, was kann man wie freilegen und ausstellen und wie neue Häuser auf diesen alten Steinen bauen. Viele alte Häuser folgen einem uralten Plan, der sich längst nicht mehr jedem erschließt oder welcher verschieden interpretiert wird. Neue weite Straßen mit modernen Geschäften wechseln sich mit alten engen Gassen ab. Bausubstanz die Jahrhunderte überdauert hat und darüber etwas bröselig geworden ist, steht neben aufwändig renovierten Häusern. Chania wartet an jeder Ecke mit neuen Überraschungen auf und man weiß nie, was einen erwartet.
Mit einem Leihauto machten wir wieder ein paar Ausflüge in die nähere Umgebung. Der Erste führte uns auf die Halbinsel Akrotiri, die Chania von Souda trennt. Dort sahen wir uns zunächst den Strand von Stavros an. Eine weite Bucht, das Meer war ruhig und wir machten einen entspannenden Strandspaziergang in der Frühlingssonne, wobei nichts darauf hindeutete, dass wir uns an einem der beliebtesten Sommerausflugsziele Chanias befanden. An diesem Strand wurden einst Teile des Films Zorba gedreht mit dem markanten Berg im Hintergrund, der als Kulisse für den Tanz der beiden Hauptdarsteller in der Schlussszene diente. Wir schauten uns um, genossen die Weite der Landschaft und fuhren nach Agia Triada weiter, was ein entzückendes Kloster ist, das uns mit seiner Erhabenheit und Anmut verzauberte. Schon vom Parkplatz aus entfaltet es seine Magie. Man kommt durch die Tore und sieht seine Innenanlagen, die verschachtelten ineinander übergehenden Innenhöfe. Wir sahen es uns allen Blickwinkeln aus an, wandelten darin herum, stießen auf immer neue Überraschungen und nahmen uns alle Zeit der Welt hierfür. Die prächtige Kirche mit ihrem verschwenderischen Dekor, ihren Ikonen und den Deckenmalereien, der Weinkeller mit dem langen Tisch und der Blick von den Außenmauern über die Weite der umgebenden Landschaft hinweg mit ihren Olivenhainen darin. Es waren faszinierende Stunden als wären wir in eine andere Welt eingetaucht. Auf dem Weg zurück nach Chania sind wir zu dem Denkmal und Grabstätte von Eleftherios Venizelos auf dem Hügel Profitis Ilias abgebogen, haben aber vorrangig die grandiose Aussicht über Chania bewundert. Man hat einen einmaligen Blick auf die Küste vor Chania und sieht den prachtvollen venezianischen Hafen vor der eindrucksvollen Kulisse des Häusermeers der Altstadt Chanias. Ein fantastischer Blick für die Ewigkeit, der Hafen elegant wie anmutig, man sieht die östlichen Verteidigungsanlagen und kann die Arsenale erahnen, wenn man darum weiß. Wie ließen unsere Blicke schweifen und bewunderten die Aussicht auf die zauberhafte Stadt.
Der nächste Ausflug war eine kurzweilige Rundfahrt in die andere Richtung, erst nach Westen, dann der Küste entlang nach Süden und wir haben uns das Nonnenkloster Moni Chrisoskalitissis sowie den bekannten Strand von Elafonisi angesehen. Auf der Heimfahrt sind wir in einer Taverna an einer Flussbiegung eingekehrt, wo wir einen höchst unterhaltsamen Nachmittag verbracht haben, mit einem guten Mittagessen in einem Garten an einem Fluss gelegen. Was die Taverna unvergessen werden ließ, war ihre Weinprobe. Karen wollte ein Glas Wein mit ihrem Mittagessen trinken, konnte sich aber nicht entscheiden, weshalb ihr drei verschiedene Rotweine zum Probieren angeboten wurden: von einem dunklen, fast schwarzen Rotwein über einen dunkelroten bis zu einem helleren Roten. Alle drei Gläser waren großzügig eingeschenkt, Karen hat gekostet, miteinander verglichen und sich am Ende erwartungsgemäß für den schwarzen Wein entschieden, der so gut war, dass ein weiteres Glas nicht genug war. Es wurde sich rührend um uns gekümmert, die Bedienung hatte viel Freude an Karens Weinprobe, sich über Karens Begeisterung für den schwarzen Wein gefreut und ihr zunehmend flüssigeres Kretisch bewundert. Wo sonst findet man solche Gastfreundschaft und Herzlichkeit?
Anschließend sind wir für drei Nächte in die weißen Berge nach Chora Sfakion gefahren, haben im Hotel Alkyon gewohnt und in der Taverna Lefka Ori zu Abend gegessen, welches die erste Taverna auf der rechten Seite ist, wenn man die Treppe von unserem Hotelzimmer zur Promenade hinuntergeht. Dort ließen wir uns am ersten Abend nichtsahnend unwissend wie wir waren nieder. Mitte Mai war es noch nicht warm genug um außen zu sitzen, aber innen saßen wir bequem, das Essen war reichhaltig und der Wein gut. Mit dem Nachtisch kam eine Karafaki Raki, der Kellner hatte ein Glas für sich dabei und hat mit uns angestoßen. Wir waren begeistert ob dieser Geste der Gastfreundschaft und sahen keinen Grund in den nächsten beiden Tagen andere Tavernen aufzusuchen. Ansonsten haben wir von dem Ort nur wenig gesehen, waren mit Ausflügen nach Aradena und Frangokastello zu beschäftigt, um uns in die Idylle fallen zu lassen, von der wir nicht wussten, dass sie existierte.
Wir sind weiter der Küste entlang nach Terza gefahren, dem winzigen Dorf mit zwei Tavernen und einem Apartmentgebäude, in dem wir drei wunderbare Tage verbrachten und einen weinseligen Nachmittag in Mithi. Nachdem Karen mir Mithi und die Schlucht bei dem Ort bereits vor vier Jahren gezeigt hatte, sind wir dieses Jahr in das Kafeneio gegangen, das sich in der Ortsmitte unter einem mächtigen Baum befindet. Karen hat den örtlichen Wein genossen und da das erste halbe Kilo so gut gemundet hat, gab es keinen Grund nicht auch ein zweites halbes Kilo zu trinken. In weiten Teilen Kretas ist es nachwievor üblich, den Wein nach Gewicht zu bestellen. Ob es die Höhenluft von Mithi war oder die besondere Güte des Weins, Karen ist zunehmend rührseliger geworden und es wurde ein denkwürdiger Nachmittag. Noch auf der Heimfahrt nach Terza hing sie ihren Erinnerungen nach. Dort angekommen, haben wir uns aus unerklärlichen Gründen, völlig ungewöhnlich dazu entschieden in der anderen Taverna des Dorfes zu Abend zu essen. Diese war kleiner, die Tische befanden sich auf dem Strand, wir saßen wunderbar an diesem warmen Abend am Strand und hatten ein reizendes Abendessen. Der Wirt gab sich alle Mühe, das Essen war frisch zubereitet und er hat uns Köstlichkeiten auf den Tisch gezaubert.
Nach Terza fuhren wir für drei Tage nach Archanes, diesmal auf der Schnellstraße, auf der man so schnell dort ist, dass man darüber vergessen könnte, wie gebirgig Kreta sein kann. Unser Apartment war in diesem Jahr spektakulär und auf zwei Ebenen konnten wir uns nach Lust und Laune ausbreiten. Im Eingangsbereich befindet sich ein unermesslich großes Wohn- und Speisezimmer mit einer großzügigen Küchenzeile, die Treppe hinunter sind das Badezimmer und unser Schlafzimmer, ebenfalls in Dimensionen, die wir weder gewohnt waren, noch für möglich gehalten hätten. Wie Karen dieses Apartment gefunden und auf was für einen Preis sie sich in der Vorsaison mit der Großmutter geeinigt hatte, hat sie mir nie verraten, meinte allerdings, es wäre deutlich günstiger gewesen als im Internet angeboten. Unsere Luxusherberge, in der wir uns mit unseren wenigen Habseligkeiten schier verloren. Allein der Balkon war größer als viele unserer Hotelzimmer und hatte einen herrlichen Blick über das Dorf und die gegenüberliegenden Berge. Archanes ist eine liebenswürdige Stadt, deren oberer Teil an einem Berg liegt, schmale Gassen kreuzen diesen und stammen aus Zeiten, als Automobile noch nicht das Stadtbild dominierten. Entsprechend anspruchsvoll gestaltet sich das Fahren und Parken, jeder Zentimeter wird ausgenutzt, zudem verliere ich in dem engen Labyrinth gerne die Orientierung, komme gelegentlich an Stellen heraus, an denen ich nie hatte sein wollen und vor allem nicht weiß wo ich mich befinde. Die einzige Orientierungshilfe ist die entzückende Stadtkirche mit ihrem Vorplatz, die das Häusermeer ein wenig strukturiert. Am Fuß des Berges erstreckt sich die Geschäftigkeit des unteren Dorfes, welches mehr Platz zur Entfaltung hat. Um die Plateia herum sind Tavernen und Kafeneia gruppiert. Hier pulsiert das örtliche Leben, treffen sich Kinder und Jugendlichen zum Fußballspielen, Männer in den Kafeneia und Familien in den Tavernen. Nachdem wir uns am ersten Abend für eine entschieden haben, sahen wir keinen Grund die anderen Abende nicht auch dort zu verbringen. Das Essen war gut, man saß gemütlich, überblickte die Plateia und wurde herzlich umsorgt. Zum Nachtisch bekamen wir eine großzügige Portion Loukoumades zum Raki serviert, in denen ich förmlich schwelgte. Mit jedem weiteren Abend wurde der Nachtisch, bei dem es sich um frittierte Hefeteigbällchen handelt, reichhaltiger und ich konnte mein Glück kaum fassen, bis uns am letzten Abend ein wahrer Berg dieser Köstlichkeiten serviert wurde. Was für eine unglaubliche Gastfreundschaft, wie kann man sich ihrer erwehren oder sie erwidern? Wenn man der Straße im Tal folgt, kommt man zu der Kirche des Ortes, eindrucksvoll mit den Bergen im Hintergrund und daneben dem liebevoll gestalteten archäologischen Museum. Archanes ist ein guter Ort, um sich zu entspannen, die Seele baumeln zu lassen oder sich in das Gleichmaß der Zeit fallen zu lassen. Wenn man etwas Lebendigkeit vor dem Zubettgehen wollte, konnte man eines der Kafeneia am Fuße des Berges aufsuchen und bei einer Karafaki Raki oder zwei den Abend ausklingen lassen. Man war daheim bei Freunden gut aufgehoben und ich empfinde Dankbarkeit, dass ich das in meinem Leben erfahren durfte, was einem so oft auf dieser Insel zuteil wird.