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Der Weg nach Hause

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1961 war ich 30 Jahre alt und befand mich auf dem Höhepunkt meiner akademischen Laufbahn. Ich hatte meinen Doktor an der Universität Stanford gemacht und arbeitete als Professor für Soziale Beziehungen in Harvard. Ich war genau dort im Leben angekommen, wo ich sein sollte – sowohl in beruflicher, gesellschaftlicher als auch finanzieller Hinsicht. Und doch war ich innen leer – da war das Gefühl, dass mir trotz allem, was ich hatte, doch etwas fehlte. Da war ich nun in Harvard, dem Mekka der Intellektuellen. Wenn ich allerdings meinen Kollegen in die Augen blickte und mich fragte: „Weißt du, worum es geht?“, dann erkannte ich, dass das, was ich suchte, auch dort nicht zu finden war.

Bei familiären oder gesellschaftlichen Anlässen sahen die Leute zu mir hoch und hingen mir an den Lippen, schließlich war ich ja Professor in Harvard, also wusste ich alles. Mir selbst aber blieb das Geheimnis des Lebens verborgen. Ich wusste zwar viel, besaß aber keine Weisheit. Aufgrund dieser Unzufriedenheit stopfte ich mein Leben mit Dingen voll, die ich zu brauchen glaubte oder weil sie gesellschaftlich als erstrebenswert galten. Ich aß und trank zu viel. Ich häufte materielle Güter und Statussymbole an: Ich besaß ein Triumph-Motorrad und eine Cessna. Ich spielte Cello. Ich war sexuell aktiv. Und doch gaben mir diese Vergnügen nicht die Antworten, die ich ersehnte. Tief in mir war ich nie wirklich zufrieden.

Ein weiterer Psychologe, Timothy Leary, bezog sein Büro bei uns den Gang hinunter. Ihn zu treffen bedeutete einen Wendepunkt in meinem Leben. Wir wurden Trinkkumpane. Wie ich bald herausfand, war er ein brillanter Denker – brillant in dem Sinne, dass er anders war, offen dafür, die Welt unter ganz neuen Gesichtspunkten zu betrachten.

In einem Semester kam Timothy aus den mexikanischen Bergen zurück, wo er psychedelische Pilze genommen hatte, die teonanácatl oder „das Fleisch der Götter“ hießen. Er meinte, aus dieser Erfahrung habe er mehr gelernt als in seinem ganzen Psychologiestudium. Das interessierte mich. Im März 1961 nahm ich Psilocybin, eine synthetische Version der Zauberpilze, und danach war nichts mehr so wie früher. Ich hatte das Gefühl, dass ich durch Psilocybin meine Seele kennengelernt hatte, die unabhängig von Körper und gesellschaftlicher Identität existierte. Diese Erfahrung erweiterte mein Bewusstsein und veränderte mein Konzept der Realität.

Unsere darauffolgenden psychedelischen Forschungen und natürlich die Entlassung aus Harvard sorgten regional und landesweit für Schlagzeilen und machten uns berühmt und berüchtigt. Zu diesem Zeitpunkt gab es schon etwas in mir, dem akademische Grade und das Ansehen unter den Kollegen nicht mehr wichtig war, weil die Welt, die ich gerade erforschte, so viel aufregender war. Die Psychedelika machten es mir möglich, meine traditionelle Erziehung auszublenden und in Welten des Geistes und der Spiritualität vorzudringen, die ich mit keinem anderen Mittel zu erreichen vermochte. War ich high, dann war ich der, als den ich mich erkannte – ein tiefes Wesen, in Frieden, in Liebe und frei.

Ich nahm weitere fünf oder sechs Jahre psychedelische Mittel, um an diesem Ort der Erleuchtung zu bleiben, dem Ort, an dem ich Liebe war. Ich wurde high, kam wieder runter; wurde wieder high, kam runter – ich berührte den Zustand des Liebe-Seins, aber vermochte nicht darin zu verweilen. Und ich wollte frei sein, nicht high. Schließlich begriff ich, dass diese Technik bei mir nicht funktionierte – und versank in tiefe Verzweiflung.

Im Nachhinein verstehe ich, dass Psilocybin und auch LSD für mein eigenes Erwachen zwar von großer Bedeutung waren, Psychedelika dennoch für den Prozess des Ins-Selbst-Kommens nicht nötig sind. Sie zeigen dir zwar, was möglich sein kann, aber hast du diese Möglichkeit erst einmal gesehen, verwandelt es dich nicht, wenn du sie immer wieder und wieder aufsuchst. Alan Watts sagte gern: „Hast du die Botschaft gehört, kannst du das Telefon einhängen.“ Du musst schließlich in der Welt leben und dich dort transformieren.

Von Aldous Huxley bekamen wir ein Exemplar des Tibetischen Totenbuchs. Ich erkannte, dass es im Osten längst Landkarten der inneren Zustände gab, die wir gerade intuitiv und ohne jeden Anhaltspunkt erforschten. Also ging ich 1966 nach Indien, um jemanden zu finden, der sich auf diesen spirituellen Ebenen des Bewusstseins auskannte. In den ersten drei Monaten reiste ich gemeinsam mit einem Freund, der seinen Land Rover nach Teheran verschifft hatte und mich einlud, ihn zu begleiten. Wir reisten inmitten einer Haschischwolke durch Afghanistan, Pakistan, Indien und Nepal. Es war also bloß ein weiterer Trip – immer das Gleiche: high werden, runter kommen – mehr von meiner eigenen Realität. Und es führte nur zu noch größerer Verzweiflung.

Eines Tages betrat dann in Kathmandu, Nepal, ein auffällig großer Mann aus dem Westen mit langem, blonden Haar und einem ebensolchen Bart ein Hippierestaurant, das „Blue Tibetan“. Er trug indische Kleidung und setzte sich zu uns an den Tisch. Das war Bhagavan Das, ein 23-jähriger Surfer aus Laguna Beach, der bereits seit mehreren Jahren in Indien lebte. Als ich etwas Zeit mit ihm verbracht hatte, wusste ich, dass er Indien wirklich kannte. Also beschloss ich, mit ihm weiterzureisen und etwas zu lernen. Als wir durch Nepal und Indien fuhren, versuchte ich, ihm eine meiner gewöhnlich recht charmanten Anekdoten zu erzählen oder ich fragte ihn, wohin es ging. Bhagavan Das antwortete gewöhnlich: „Denke nicht an die Vergangenheit. Sei einfach jetzt hier.“ Oder: „Denke nicht an die Zukunft, sei einfach jetzt hier.“ Er war zwar mitfühlend, verstrickte sich aber nicht in meine Gefühle. Es gab nichts zu besprechen. Nach mehreren Monaten mit Blasen an den Füßen, Anfällen von Durchfall und Unterricht in hatha yoga, meinte Bhagavan Das, er müsse nun wegen seines Visas seinen Guru in den Ausläufern des Himalayas aufsuchen. Er wollte mit dem Land Rover dorthin, den wir bei einem indischen Bildhauer zurückgelassen hatten, wo ich ihn jederzeit borgen konnte. Also ging ich mit Bhagavan Das dorthin.

Auf dem Weg hielten wir nachts an und ich ging nach draußen, um mich zu erleichtern. Unter dem sternenklaren indischen Nachthimmel dachte ich an meine Mutter, die im Jahr zuvor an Krebs in der Milz gestorben war. Als ich an sie dachte, spürte ich ganz stark ihre Gegenwart. Ich erzählte niemandem davon. Der freudianische Psychologe in mir dachte: „Da schau mal an! Da denkst du an deine Mutter, während du auf dem Klo hockst.“

Einfache Wahrheit

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