Читать книгу Aufmerksamkeit ist das natürliche Gebet der Seele - Regina Bäumer - Страница 13

I.1.C. Die Entwicklung von der Anachorese zum Koinobitentum

Оглавление

„Das Mönchtum der Sketis, das uns die sog. Apophthegmata Patrum in vollendeter Form und Klarheit abspiegeln, ist seinem Grundcharakter nach anachoretisch.“63 Mit dieser Feststellung beginnt W. Bousset seinen grundlegenden Artikel zum Mönchtum der sketischen Wüste.

In den Apophthegmata fehlt Pachomius, der Vertreter des koinobitischen Ideals völlig, und auch das koinobitische Milieu spielt nur eine geringfügige Rolle. Es gibt einige Erzählungen, die die Anachoreten in freundlichem Umgang mit Klöstern zeigen, jedoch herrscht eine eindeutige Polemik gegen die Klöster zugunsten der Anachorese vor. Die Grenzlinie zwischen Anachoretentum und Koinobitentum zu ziehen ist nicht so einfach, denn es gab in dieser Zeit viele Übergangsformen. Bousset nennt als wesentliches Kriterium die Frage nach der Autorität: „Man wird aber doch wohl sagen dürfen, daß das Kennzeichen eines Koinobions der Koinobiarches ... ist. Wo sich ein solcher Klostervorsteher findet, der von Amts wegen, nicht auf Grund nur vorübergehender freiwilliger Unterordnung der Brüder, und gewöhnlich lebenslänglich führt, wird man von einem Kloster reden können.“64 Dem gegenüber bleibt festzuhalten: „Der ganz einsam lebende Anachoret ist immer nur eine schnell schwindende Erscheinung des ersten Anachoretenwesens. Um den einzelnen Anachoreten sammeln sich Schüler, siedeln sich mit ihren Zellen in seiner Nähe an65, beginnen für seine äußeren Bedürfnisse zu sorgen, in unbedingter Ehrfurcht zu ihm aufzuschauen, sich ihm in fast sklavischem Gehorsam zu unterwerfen.“66 Das Verhältnis allerdings zwischen dem Anachoretenvater (ebenfalls Abbas) genannt und seinem Schüler bleibt ein freieres und loseres. Oft wird berichtet, daß Schüler ihren Meister wechseln, was durchaus erlaubt ist, wenngleich davor gewarnt wird, dies zu oft zu tun.67 „Für den Anachoreten ist die Bindung an Wille und Weisung des Abba zeitlich begrenzt. Das Ziel der Bindung an den geistlichen Vater ist, daß der Jünger eines Tages selbst ‘Abba’ wird, der nun seinerseits Jünger leitet. Für den Cönobiten dagegen ist der Gehorsam Lebensgesetz, das ihn nicht mehr freigibt, da er Wesenselement des kommunitären Lebens ist.“68

Amma Synkletika sprach:

„Wenn wir in einem Koinobion sind, dann mußt du den Gehorsam der Askese vorziehen, denn die letztere lehrt Hochmut, der erstere Demut.“ (Amma Synkletika 16)(Apo 907)

Der Gehorsam wird zur charakteristischen Tugend des koinobitischen Lebens und nimmt jene zentrale Stellung ein, die bei den Anachoreten die Demut einnimmt. Weitere, für das Klosterleben charakteristische Bestimmungen sind die täglichen gemeinsamen Mahlzeiten und die täglichen geregelten Gottesdienste. Nach der Regel des Pachomius war eine tägliche zweimalige Gebetszusammenkunft (collecta) und eine zweimalige Mahlzeit vorgesehen.69 Die gesamte Klosteranlage, die in der frühen Zeit aus mehreren Gebäuden bestand, wurde von einer großen Mauer umfaßt und nach außen abgeschlossen. Damit wurde der „koinos bios“, der gemeinsame Lebensraum, definiert. Wer diesen ohne Erlaubnis verließ, machte sich strafbar, ging man erlaubterweise hinaus, dann immer zu zweit.70

Vor allem gegen diese Regelungen polemisieren die Anachoreten der Apophthegmata:

„Einem Bruder, der in der Wüste der Thebais wohnte, kam der Gedanke: ‘Was sitzt du hier so unfruchtbar da? Auf, geh ins Koinobion, und dort wirst du Frucht bringen.’ Er stand also auf, kam zum Altvater Paphnutios und teilte ihm seinen Gedanken mit. Der Greis sagte zu ihm: ‘Geh fort und setz dich in dein Kellion. Verrichte ein Gebet am Morgen, eines am Abend und eines in der Nacht. Wenn du Hunger hast, dann iß, wenn du Durst hast, dann trinke, und wenn du Schlaf hast, dann schlafe. Bleibe in der Wüste und laß dich nicht auf den Gedanken ein.’ Er kam auch zum Abbas Johannes und teilte ihm die Weisungen des Abbas Paphnutios mit. Und Abbas Johannes sagte ihm: ‘Bete überhaupt nicht, nur bleibe in dem Kellion.’ Und er stand auf, kam zum Abbas Arsenios und teilte ihm alles mit. Der Greis sprach zu ihm: ‘Halte fest, was die Väter dir gesagt haben, ich habe dir nicht mehr zu sagen.’ Völlig zufriedengestellt ging er von dannen.“ (Paphnutios 5)(Apo 790)71

Verschiedene Autoritäten der Sketis zeugen gegen das Koinobion. Die Zelle ist der entscheidende Ort des Anachoreten72, dies wird immer wieder betont:

„Ein Bruder kam in die Sketis zum Altvater Moses und begehrte von ihm ein Wort. Der Greis sagte zu ihm: ‘Fort, geh in dein Kellion und setze dich nieder, und das Kellion wird dich alles lehren.“ (Moses 6)(Apo 500)

Evagrios Pontikos unterscheidet bezüglich der Kampftaktik der Dämonen:

„Gegen die Anachoreten kämpfen die Dämonen offen, an die Cönobiten aber oder an jene, die in Gemeinschaft mit anderen die Tugenden üben, machen sie sich über nachlässige Brüder heran. Die zweite Art zu kämpfen ist nicht so gefährlich wie die erste, denn auf der ganzen Erde gibt es niemanden, der so verbissen wie die Dämonen kämpft, niemanden, der gleichzeitig alles Böse im Menschen zu stützen sucht.“73

Der wesentliche Gegensatz zwischen Anachoretentum und Koinobion bestand offensichtlich nach dem Zeugnis der Apophthegmata in der Einschränkung des Selbstbestimmungsrechtes des Einzelnen durch die Gemeinschaft und ihre

Erfordernisse und Regeln74, so auch Abbas Poimen:

„Ein Bruder wandte sich an den Abbas Poimen: ‘Ich will ins Koinobion gehen, um dort zu wohnen.’ Der Abbas fragte ihn: ‘Du willst ins Kloster gehen? Wenn du nicht auf alle Unterhaltung und auf jedes Geschäft vergessen kannst, dann kannst du auch kein Klosterleben führen. Denn dort hast du nicht einmal ein Recht auf einen einzigen Becher.“ (Poimen 152)(Apo 726)

Dies betraf in der weiteren Entwicklung auch den entscheidenden Punkt der Seelenführung. Der Anachoret suchte sich seinen geistlichen Vater selbst und wechselte ihn unter Umständen, im Koinobion wurde entweder der Klostervorsteher zum Seelenführer der Gemeinschaft oder es mußte eine Regelung innerhalb der Gemeinschaft gefunden werden. Das Wort Abbas (Vater), bzw. auch Amma (Mutter), ursprünglich die Ehrenanrede für die „Geistträger“75, denen man sich als Schüler anvertraute76, wurde immer mehr zur Bezeichnung des institutionalisierten Amtes des Klostervorstehers. Das ursprünglich charismatische, geistgefüllte Wort Abbas wird nach und nach zur rein juridischen Bezeichnung.77

Ist bei Pachomius noch von der Einheit zwischen charismatischer Begabung und juridischer Funktion auszugehen78, so bestimmt er selbst bereits in seiner Regel, daß die Gebote der „seniores“ zu achten seien und daß diese vom Mönch nicht unbeachtet bleiben sollen79, damit er seine Gedanken prüfen kann.80

Diese Spannung findet sich auch noch in der Regel Benedikts. Im 49. Kapitel heißt es bezüglich des Fastens: „Was aber jeder als Opfer darbringt, muß er seinem Abt unterbreiten, damit es mit seinem Gebet und seiner Zustimmung geschieht; denn was ohne Erlaubnis des geistlichen Vaters geschieht, gilt als Anmaßung und eitle Ruhmsucht, nicht als Verdienst. Deshalb soll man alles mit Zustimmung des Abtes tun.“81 Abt und geistlicher Vater sind also gleichgesetzt. Daneben zeigt aber die Tatsache, daß es neben dem Abt noch andere „seniori spirituali“82 gibt, daß der Prozeß der Unterscheidung von geistlicher und juridischer Vaterschaft bereits im Gange ist.83

Aufmerksamkeit ist das natürliche Gebet der Seele

Подняться наверх