Читать книгу Aufmerksamkeit ist das natürliche Gebet der Seele - Regina Bäumer - Страница 24
I.1.E.c. Johannes Cassian als Vermittler des Evagrios Pontikos im Westen
ОглавлениеCassian war zur selben Zeit wie Evagrios in Ägypten und kannte nachweislich dessen Schriften, so daß die Möglichkeit einer direkten Begegnung gegeben war, wofür aber jegliche Zeugnisse fehlen.191
K. Ruh stellt fest: „Es ist fast immer nur beiläufig vermerkt worden, daß mit Cassian dem Abendland vier Jahrhunderte vor der epochalen Dionysius-Rezeption ein griechischer Vater vermittelt worden ist, Evagrios Ponticos, der sonst dem Mittelalter fremd geblieben wäre. Er ist der wichtigste Gewährsmann Cassians, der ihn freilich an keiner einzigen Stelle nennt. So blieb er im Mittelalter namenlos.“192
Das Verschweigen hat seinen Grund wohl im oben bereits erwähnten Verdikt des Hieronymus, außerdem rechnete man ihn zu den Origenisten.
Vor allem die sog. „Ach-Laster-Lehre“193 des Evagrios, die eng zusammenhängt mit seiner Vorstellung vom Mönchtum als dem Kampf mit den Dämonen194, übernimmt Cassian in seine Schriften.195
Darüber hinaus ist es die Kontemplations- und Gebetslehre, die Cassian weitgehend dem Evagrios verdankt.196
Beide Autoren kannten das Leben in der Wüste aus eigener Erfahrung und manche der Altväter, von denen die Apophthegmata berichten, aus persönlicher Begegnung. Für beide hatte dieses Leben in der Wüste Vorbildcharakter. Cassian will das ägyptische Mönchsleben in den südgallischen Raum übertragen.197 Für Evagrios gehören die Wege der Mönche neben der Hl. Schrift zu den Quellen der Erkenntnis für die Gestaltung eines christlichen Lebens198:
„Es ist sehr wichtig, sich sorgsam die Wege der Mönche anzusehen, die sie, ohne auf Abwege zu geraten, gegangen sind, und sich auf denselben Weg zu machen. Sie haben uns viele Ratschläge und Beispiele hinterlassen.“199
Evagrios und Cassian sind beide gebildete Mönche und beschreiben auf diesem Hintergrund das Leben der Wüstenväter, systematisieren es da und dort und interpretieren ihre Erfahrungen im Sinne ihrer Absichten. Daher spricht einiges für die Bemerkung von L. Regnault, daß die Schriften von Evagrios, Cassian und Palladius gewiß interessant seien, jedoch nicht die ursprüngliche, reine Tradition des ägyptischen Mönchtums repräsentierten, während das Interesse der Apophthegmata der ursprünglichen Form des Mönchtums, wie es im 4. und 5. Jahrhundert in der Sketis vorfindlich war, gegolten hätte.200 In der Tendenz ist hier L. Regnault zuzustimmen, jedoch muß einschränkend bemerkt werden, daß natürlich auch die Apophthegmata einen Redaktor mit gewissen Interessen hatten, die sich weitgehend, wenn auch nicht ausschließlich auf die Bewahrung der ursprünglichen Überlieferung beschränkten.201