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Der Sonderbeauftragte

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Nach Abschluss des Münchner Abkommens, aber noch vor dem Prager Überfall erreichte Franz von Papen in Wallerfangen ein spezieller Auftrag Hitlers, der einiges diplomatisches Geschick verlangte. Als ‚Außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter des Deutschen Reichs zur besonderen Verwendung‘ hatte Papen sich nach Abschluss der Wiener Mission ständig für Dienste des Reichs bereitzuhalten. Hitler ließ ihn also im Oktober 1938 von Wallerfangen nach Berlin kommen, um ihn zu bitten, in Stockholm den schwedischen Ministerpräsidenten Per Albin Hansson aufzusuchen. Er solle mit ihm gewisse Dissonanzen in den deutsch-schwedischen Beziehungen bereinigen. Diese seien durch einige Taktlosigkeiten seines Reichsluftfahrtministers, des Generalfeldmarschalls Hermann Göring, entstanden. Er, Papen, habe doch gute Beziehungen zu Schweden und möge diese Dinge in Ordnung bringen. Noch bessere Beziehungen hatte Hans Reinhard Graf von Kageneck, Papens enger Mitarbeiter in der Vizekanzlei und in Wien, aus seiner Praktikantenzeit in Schweden zum Herzog Charles Louis Fouché d’Otrante.61

Papen und Kageneck fuhren am 23. Oktober 1938 mit dem Nachtzug zunächst nach Adelnäs auf Gotland zum Schloss der Baroness Adelswärd. Eine knappe Woche widmeten sich der Botschafter z.b.V. und der Graf der Jagd auf Damwild und Elche sowie manchen Geselligkeiten. Ende des Monats reisten sie nach Stockholm und unternahmen die delikate Mission beim schwedischen Ministerpräsidenten. Im Anschluss daran lud König Gustav V. die vom Herzog d’Otrante eingeführten Emissäre zu einem Essen in sein Schloss. Erfreut teilte der König dem Sonderbotschafter von Papen mit, dass das Gespräch mit seinem Ministerpräsidenten ja denkbar erfolgreich verlaufen sei. Seine Zufriedenheit unterstrich Gustav V., indem er Papen den Wasa-Orden 1. Klasse am Band verlieh. Graf Kageneck musste sich mit dem der 2. Klasse begnügen. Papens diplomatisches Geschick kam aber nicht nur ihm selbst, sondern auch dem Anlass seiner Stockholm-Mission zugute. Wenig später nämlich, im Februar 1939, stattete der schwedische König zusammen mit Kronprinz Gustav Adolf Berlin einen offiziellen Besuch ab. Er ließ es sich nicht nehmen, Hermann Göring in der schwedischen Botschaft das ‚Großkreuz des Schwertordens mit Kette‘, den höchsten schwedischen Militärorden, anzuheften.

Die außergewöhnliche Auszeichnung Görings dürfte darin begründet gewesen sein, dass dieser dem König aus einer heiklen Lage verholfen hatte. Görings Taktlosigkeiten nämlich, die zu Papens Auftrag geführt hatten, waren zweifellos mit dem hochstaplerischen Schweden Kurt Haijby in Verbindung zu bringen. Dieser hatte wiederholt öffentlich und von den Medien stark beachtet behauptet, eine intime Beziehung mit dem König unterhalten zu haben. Seinem vorlauten Naturell gemäß wird sich der dank Ehefrau Carin und Entziehungskuren gute Kenner Schwedens Hermann Göring hierzu, und auch für das schwedische Königshaus vernehmbar, entsprechend abfällig geäußert haben. Ende des Jahres 1938 erklärte sich der Generalfeldmarschall dann aber durchaus dazu bereit, den in Schweden verurteilten Haijby nach dessen Ausweisung der Gestapo in Deutschland anzuvertrauen. Den hochdekorierten Hermann Göring und auch Franz von Papen ergänzten die schwedischen Auszeichnungen deren bereits gut bestückte Sammlung von Orden aus aller Welt.

Kein offizieller Auftrag, wohl aber eine offizielle Einladung der schwedisch-deutschen Gesellschaft zu einem Vortrag, verschaffte Franz von Papen nach der erfolgreichen Schwedenmission wenig später eine erneute Reise nach Stockholm. In seinen Memoiren bemerkt er: „Mit Einverständnis Ribbentrops sagte ich mit Vergnügen zu.“62 Hatte er in Wien auf seinen ausdrücklichen Wunsch noch direkt dem ‚Führer‘ unterstanden, musste Papen als ‚Botschafter zur besonderen Verwendung‘ nunmehr für offizielle Auslandsreisen – abgesehen von Sonderaufträgen des ‚Führers‘ – das Einverständnis des Außenministers Joachim von Ribbentrop einholen.

Hitler hatte Ribbentrop zum Nachfolger Konstantin von Neuraths im Auswärtigen Amt an demselben Tage, dem 4. Februar 1938, ernannt, an dem er Papen vom Botschafterposten in Wien abberief. Den neuen Außenminister kannte Papen bereits aus gemeinsamer Kriegszeit in der Türkei. So war Papen im Jahre 1918 Chef des Generalstabs der 4. türkischen Armee, während Ribbentrop – noch ohne Adelstitel – ab April für ein halbes Jahr der Militärmission in Konstantinopel als Oberleutnant zur Versorgung des osmanischen Heeres zugeteilt war. Der ‚Fußsoldat‘ Ribbentrop konnte den Kavalleristen von Papen kaum beeindruckt haben.

Mitte der 1920er-Jahre setzte sich dann das Mitglied des elitären Berliner ‚Unions Clubs‘, Franz von Papen, für die Mitgliedschaft des frisch geadelten Joachim von Ribbentrop in diesem sozialen Zentrum der Rennwelt ein. Im Hause Ribbentrop in Berlin-Dahlem trafen sich beide am 22. Januar 1933 wieder. Zusammen mit Hitler, Göring und Frick schmiedete Papen den Machtwechsel im Reich wenige Tage später.

Ribbentrop hatte Papen bereits einige Wochen nach ihrem Wiedersehen im Januar 1933 „gebeten, dafür zu sorgen, dass er Staatssekretär des Auswärtigen Amtes werde“, notierte Papen später.63 Er habe Ribbentrop damals aber erklärt, dass diesen Posten nur „ein Mann von breitem Wissen und erprobten Fähigkeiten“ bekleiden könne. Bis dahin konnte Ribbentrop sich allerdings nur als Vertreter für französische Weine und Liköre seiner Firma ‚IMGROMA‘ (Import großer Marken), als Ehemann von Annelies Henkell, Tochter des Inhabers der Henkell & Co. Sektkellerei, sowie als glühender Anhänger Hitlers ausweisen. Fünf Jahre später war Ribbentrop, den Papen gern auch als den ‚Weinhändler‘ bezeichnete, nun Vorgesetzter des ehemaligen Reichs- und Vizekanzlers Franz von Papen.

Verständlicherweise belastete Papens Einstellung zum neuen Amtschef nicht zuletzt auch, dass Ribbentrop anders als er kein Adliger von Geburt war. Selbst wenn die Familie von Papen sich nur zum untitulierten Adel zählen konnte und das „von“ ihr erst seit 1708 zustand, war Papen anders als Ribbentrop kein ‚Scheinadliger‘. Der homo novus hatte sich im Mai 1925 von der inflationsgeschädigten Verwandten Gertrud Charlotte von Ribbentrop adoptieren lassen. Über 15 Jahre belohnte er sie mit einer monatlichen Rente von 450 Reichsmark. Da der ‚nichtadelige Namensträger‘ die Zahlung zwischenzeitlich schon mal ‚vergaß‘, musste die ‚Tante‘ sie wiederholt einklagen, was Ribbentrop zum Gespött mancher NS-Größen werden ließ.

Gut nachvollziehbar ist vor diesem Hintergrund, dass Franz von Papen es brüsk ablehnte, sich seine Stockholmer Rede vorab von dem zusätzlich mit „Vorurteilen und Minderwertigkeitskomplexen erfüllten Außenminister“ billigen zu lassen. Zu Papens Auftritt in Stockholm Mitte Januar 1939 berichtete die deutsche Gesandtschaft Stockholm dann lakonisch nach Berlin: „Botschafter zbV traf am 15.1. hier ein – 1500 Zuhörer“. Diese dürre Mitteilung war Papens „Wahrheit“ zufolge in keiner Weise dem bedeutenden Ereignis angemessen, zumal „der große Wintergarten des Grand-Hotel mit einem auserlesenen Publikum bis auf den letzten Platz besetzt war.“64

Auch fand Papen in Stockholm wieder den ihm aus seiner Sicht gebührenden und länger vermissten Zugang zum Hochadel, denn „S. M. der König empfing mich gnädig und verständnisvoll wie stets.“ Papen nutzte die Gelegenheit und schlug Gustav V. staatsmännisch vor, „er möge als der Doyen der gekrönten Häupter Europas einen freundschaftlichen Schritt bei Hitler unternehmen, um ihm klarzumachen, dass seine Außenpolitik zum Kriege führen müsse.“ Der König sagte dem Politiker und Friedensfreund von Papen „eine wohlwollende Erwägung zu“. Doch ebenso geringen Respekt vor Monarchen wie die Sozialdemokraten in Deutschland zeigten auch die schwedischen Kollegen, sodass Papen aus Kreisen des Königs erfahren musste, „seine sozialistische Regierung habe diesen Schritt nicht gewünscht.“65 Demnach hatte Papen im Januar 1939 Hitlers Planungen durchschaut, was ihn aber nicht davon abhielt, ihm drei Monate später in Ankara tatkräftig zur Seite zu stehen.

Im Übrigen konnte sich Franz von Papen auf seinem Gut im saarländischen Wallerfangen von den aufreibenden Jahren seiner Kanzler- und Vizekanzlerschaft wie auch von denen seiner Wiener Gesandten- und Botschafterzeit in standesgemäßem Ambiente erholen. Die waldreiche Landschaft erlaubte dem leidenschaftlichen ehemaligen Hürdenreiter dort und auf den Besitztümern befreundeter Standesgenossen, weite Ausritte vorzunehmen und seinem Jagdhobby nachzugehen. Bald vermisste er aber das Netzwerk des Berliner Herrenklubs, der Repräsentanz der konservativen politischen Oberschicht aus Adel, Beamtenschaft, Großkapital, Industrie und Militär.

Papen war Gründungsmitglied des im Jahre 1924 nach englischem Vorbild gegründeten Klubs gewesen. Vordergründig diente dieser politisch-wissenschaftlichen und kulturellen Interessen. Erklärtes Ziel der Vereinigung war es indessen, das Vordringen des Marxismus in Deutschland zu verhindern. Dem Reichskanzler von Papen bedeutete der Herrenklub seinerzeit vornehmlich eine unentbehrliche Anlaufstelle für dringlich benötigte politische Kontakte.

In Wallerfangen dagegen musste Franz von Papen schließlich auch darauf verzichten, an Treffen mit in- und ausländischer Prominenz oder bei Verhandlungen auf internationaler Bühne beteiligt sein zu können, welche sich in den Medien angemessen niederschlagen konnten. Seine Rede in Schweden zog zwar ein umfangreiches, aber eher nur neugieriges Publikum an, welches hauptsächlich den mutigen Verkünder der Marburger Rede vom Juni 1934 persönlich kennenlernen wollte. Ein einzeiliger Bericht an das Auswärtige Amt und knappe Notizen in den schwedischen Medien ohne jegliche öffentliche Kenntnisnahme in Deutschland reichten Papen verständlicherweise nicht aus.

Obwohl bereits im 60. Lebensjahr stehend, fühlte Franz von Papen sich Ende des Jahres 1938 noch rüstig genug, um wieder einen vollwertigen Dienst für das deutsche Vaterland zu leisten. Eines seiner möglichen Motive nannte später der mit ihm gut vertraute Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk, welchen der Reichskanzler von Papen als Finanzminister in das ‚Kabinett der Barone‘ berufen hatte: „Papen hielt es nicht aus, nicht mit von der Partie zu sein, auch wenn ihm die Mitspieler nicht gefielen.“66 Diese Maxime musste sich indessen auch der Graf selbst zuschreiben lassen. Als Finanzminister diente er Hitler loyal bis zum Ende. Nach Hitlers Tod hatte er noch am 7. Mai 1945 als Außenminister des Deutschen Reichs die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht zu verkünden.

Um wieder von der Partie sein zu können, boten sich Franz von Papen im Verlaufe des Jahres 1938 zwei Alternativen. Über die erste hatte der ehemalige Generalstabsoffizier zu entscheiden, als ihn die Einberufung zur Wehrmacht ereilte: „Ich sollte ein Infanterie-Regiment einer in Wiesbaden aufzustellenden Reservedivision führen, deren Einsatz am Westwall geplant war.“67 Im Nachhinein zeigte er sich erstaunt darüber, „wie eifrig die Aufstellung neuer Divisionen betrieben wurde“. Mit Kriegsvorbereitungen brachte er diese indessen in seinen Memoiren in keiner Weise in Verbindung.

Dem Vaterland gedachte Papen aber nicht mehr im ursprünglich erlernten Militärberuf zu dienen, auch wenn ihm das Vorbild des verehrten Generalfeldmarschalls von Hindenburg vor Augen gestanden haben mochte, der im August 1914 mit 67 Jahren aus dem Ruhestand zum Oberbefehlshaber der 8. Armee berufen worden war. Papen musste es wohl als Zumutung erschienen sein, lediglich für die Führung des Regiments einer Reservedivision und nicht für die einer Armee vorgesehen gewesen zu sein. Unter diesen Umständen kam nur der Dienst in der später eingeübten Diplomatie infrage.

So bemühte sich Papen im Verlaufe des Jahres 1938 mit allen Mitteln um den attraktiven und wichtigen Botschafterposten in Paris. Seine langjährigen Kontakte nach Frankreich sowie seine guten Kenntnisse der Sprache ließen ihn als eine ideale Besetzung erscheinen. Bereits Anfang Dezember 1932 hatte er sich nach Rücktritt vom Kanzleramt auf Anregung des Reichskanzlers von Schleicher für den Posten interessiert. Reichspräsident von Hindenburg erhob damals aber Einspruch, weil er Papen für wichtigere Aufgaben, nämlich für die Anbahnung einer Koalition mit Hitler und zu dessen ‚Zähmung‘ in einer Koalitionsregierung benötigte. Hindenburgs Nachfolger im Präsidentenamt, Adolf Hitler, erhob im Jahre 1938 zwar keinen Einspruch, unterstützte aber auch nicht das Bemühen Papens, die Botschaft in Paris zu übernehmen.

Die Entscheidung sollte nach Hitlers Anweisung Außenminister von Ribbentrop treffen, welcher sie seinerseits an den zuständigen Personalchef in seinem Amt, Curt Prüfer, delegierte. Dieser wiederum erläuterte Papen in einem Gespräch in der Wilhelmstraße, Johannes Graf von Welczek leite die Pariser Botschaft erst seit knapp zwei Jahren und stehe nicht zur Versetzung an. Daraufhin erklärte Papen dem Personalchef überraschend, seinem Freund Welczek gefalle es in Paris nicht mehr und er werde sicherlich nichts dagegen haben, einen anderen Botschafterposten zu übernehmen. Der Personalchef zog den zufällig im Auswärtigen Amt anwesenden Grafen zum Gespräch hinzu. Welczek sei „völlig überrascht und außerordentlich bestürzt“ gewesen – so Prüfer gegenüber Hans Kroll, dem Vertreter des Botschafters von Papen in Ankara – und habe zu Papen gewandt ausgerufen: „Aber Franz, wie konntest du mir so etwas antun?“68

Franz von Papen

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