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Ein Militär lernt Politik und Diplomatie Hypothek aus soldatischen Tagen

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Das Angebot des ‚Führers‘ Adolf Hitler, die Leitung der Deutschen Botschaft in Ankara zu übernehmen, entsprach im Frühjahr 1939 nicht dem ausgesprochenen Wunsch des Franz von Papen für seinen letzten Posten im Dienste des deutschen Volkes. Das diplomatische Geschäft hatte der frühere Reichskanzler und vormalige Vizekanzler Adolf Hitlers zwar nicht erlernt, wohl aber relativ früh kennengelernt. Als Militärattaché des Kaiserreichs war er Ende des Jahres 1913 an die Botschaft in Washington abgeordert worden. Bereits sehr früh, nämlich mit elf Jahren und von den Geschwistern seinerzeit ‚der Major‘ genannt, hatte er sich dem Kriegshandwerk verschrieben: Die Karriere begann im Jahre 1891 beim Kadettenkorps in der Schlossstadt Bensberg. Die Hauptkadettenanstalt in Groß-Lichterfelde bei Berlin folgte. Etikette lernte Papen als Page am Hofe Wilhelms II., bevor ihm das feudale 5. Ulanenregiment in Düsseldorf, in dem der rheinisch-westfälische Adel seine Söhne dienen ließ, danach die Kavallerie-Reitschule in Hannover, die Kriegsakademie in der Berliner Dorotheenstraße und schließlich der Große Generalstab am Berliner Königsplatz den weiteren Schliff und die Beförderung zum Hauptmann im Generalstab brachten.

Die Botschaftsjahre als Militärattaché in Washington förderten ab Jahresanfang 1914 Franz von Papens Kenntnis der Aufgaben eines Diplomaten ebenso wie die der englischen Sprache. Spezielle Fähigkeiten konnte er nach Kriegsbeginn im August 1914 nachweisen, als er das Hauptquartier einer sogenannten „Kriegsnachrichtenstelle“ in einer deutschen Firma in New York einrichtete. Als Folge seiner Geheimdienstaktivitäten war sein USA-Aufenthalt indessen nicht ungetrübt und fand ein vorzeitiges, wenig rühmliches Ende. Nur knapp zwei Jahre konnte Papen an der Botschaft wirken, als er Ende Dezember 1915 von der amerikanischen Regierung mit dem Vorwurf der Wirtschaftsspionage und Sabotage gegen die Alliierten aus den Vereinigten Staaten ausgewiesen wurde. Ein US-Bundesgericht klagte ihn im April 1916 an, einen Anschlag auf die Eisenbahnbrücke über den Wellandkanal, die Verbindung vom Erie- zum Ontariosee, geplant zu haben. Mit seiner Ernennung zum Reichskanzler wurde die Anklage gegen Papen Anfang Juni 1932 fallen gelassen.

Weit länger verfolgte Franz von Papen dagegen die Black-Tom-Explosion vom Juli 1916. In heftigen Repliken und in einem Leserbrief an das Time Magazine noch zu Beginn der 1950er-Jahre verwahrte er sich gegen den Vorwurf, in die Black-Tom-Anschläge verwickelt gewesen zu sein. Nach späterem Urteil hatten deutsche Agenten diese auf die Umschlags- und Lagerhallen für Munitionsgüter auf Black Tom Island in New Jersey verübt. Sie wollten verhindern, dass die Güter an die Entente-Mächte nach Europa verschifft wurden. Fatalerweise wurden Franz von Papen auf der Heimreise aus den USA Ende 1915 in der britischen Hafenstadt Falmouth Geheimtelegramme und ein Scheckbuch mit den Namen seiner Mithelfer und den an sie überwiesenen Summen abgenommen. Die englische Propaganda nutzte den Leichtsinn Papens und bediente sich genüsslich der Namen und Hinweise, die seine Verknüpfung an zentraler Stelle mit der deutschen Agenten-, Spionage- und Propagandatätigkeit in den USA offenlegten. Die Dokumente erlaubten es den USA daraufhin, eine große Zahl von Mitgliedern der amerikanischen Agentengruppe des Militärattachés von Papen zu identifizieren und zu verhaften.

Bedauernd erklärte Franz von Papen dem ‚Internationalen Militärgerichtshof gegen die Hauptkriegsverbrecher‘ in Nürnberg (IMT) im Jahre 1946, dass er es „leider niemals versucht“ habe, die aus seiner Sicht „falsche Propaganda richtig zu stellen“, die mit der Black-Tom-Explosion verbunden gewesen war. Seinerzeit wurden insgesamt 1000 Tonnen Munition, darunter 50 Tonnen TNT, die nach Großbritannien und Frankreich verschifft werden sollten, durch die Explosionen zerstört. Sieben Menschen starben. Der materielle Schaden – selbst die New Yorker Freiheitsstatue blieb nicht unbeschädigt und war Besuchern für zehn Jahre unzugänglich – wurde auf 20 Millionen US-Dollar geschätzt. In den Jahren 1915 und 1916 erreichte Papen in den USA eine beachtliche Publizität, als die Bürger landesweit in Dutzenden von Zeitungsartikeln auf seinen Namen stießen. Dieser zweifelhafte Bekanntheitsgrad erklärt das spätere große Interesse an Papens Lebenserinnerungen in den Vereinigten Staaten von Amerika und besonders an seiner bedenklichen Rolle bei Hitlers Machtübernahme und -erhalt.

Nach dem 1. Weltkrieg ließ der Betreiber der Black-Tom-Einrichtungen, die Lehigh Valley Railroad Company, es sich nicht nehmen, Schadensersatzansprüche gegen das Deutsche Reich geltend zu machen. Eine mit Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen im Jahre 1921 eingerichtete gemischte deutsch-amerikanische Kommission, die ‚German American Mixed Claims Commission‘, nahm sich des Falls an. Die Medien berichteten regelmäßig über den Stand der Kommissionsverhandlungen, die erst im Jahre 1939 mit dem Spruch des Haager Schiedsgerichts endeten, wonach das Deutsche Reich die Anschläge des Jahres 1916 angeordnet hatte. Weitere 14 Jahre verstrichen, bis man sich 1953 schließlich auf eine ratenweise abzuleistende Kompensationszahlung von 50 Millionen US-Dollar durch die deutsche Bundesregierung einigte. Erst im Jahre 1979, also zehn Jahre nach Franz von Papens Tod, endeten die Zahlungen.

Papens im Nürnberger Prozess ausgedrücktes Bedauern über sein Versäumnis, die „falsche Propaganda“ nicht richtiggestellt zu haben, spricht dafür, dass seine Verwicklung in den Black-Tom-Fall den NS-Machthabern nicht unwillkommen war. Bei jeder passenden Gelegenheit konnten sie ihm dieses dunkle Kapitel ins Gedächtnis rufen, denn, so Papen in Nürnberg, „diese Propaganda hat mich verfolgt bis in die Dreißiger Jahre, ja bis heute, und sie hat mir ihren Stempel aufgedrückt.“1 So notierte Henry Picker in den ‚Führergesprächen‘ Anfang Juni 1942 Adolf Hitlers Aussage, Papen habe „durch den Verlust des Quittungskofers für Geheimtelegramme“ in den USA zirka 5000 Agenten an den Strick geliefert.2

Die Missgeschicke Franz von Papens konnte Hitler nutzen. Dessen Verdienste für seine Machtübernahme wusste er andererseits aber durchaus zu würdigen: „Papen hat sich auch verdient gemacht. Der erste Anstoß kam von ihm. Er hat den Einbruch in die heilige Verfassung vollzogen.“3 Damit spielte Hitler auf den ‚Preußenschlag‘ an, auf die Absetzung der preußischen Landesregierung durch Reichskanzler von Papen am 20. Juli 1932, also den ersten Schritt zur Beseitigung des Weimarer Systems und das Vorbild für seine Machtübernahme. Josef Goebbels, damaliger NSDAP-Reichspropagandaleiter, notierte zwei Tage nach dem ‚Preußenschlag‘ in leicht besorgter Anerkennung: „Liste aufgestellt, was in Preußen alles an Kroppzeug beseitigt werden soll. Manch einer von uns hat Angst, dass die Papen-Regierung zu viel tut und uns nichts mehr übrig bleibe.“4 Gut einen Monat zuvor, nämlich am 16. Juni, hatte Papen sich bereits um Hitler verdient gemacht, als er das von seinem Vorgänger Brüning verhängte Verbot der SA und der SS wieder aufgehoben hatte.

Von seinem Abstecher in die Diplomatie unfreiwillig nach Deutschland zurückgekehrt, folgte Franz von Papen Anfang 1916 als Bataillonskommandeur und Generalstabsoffizier der Soldatenpflicht im Krieg gegen Frankreich. Ab Mitte des Jahres 1917 kam er als Chef der Operationsabteilung der Heeresgruppe Falkenhayn erstmals in Berührung mit der Türkei. Bis zum Waffenstillstand im Oktober 1918 leitete er für mehrere Monate auch den Generalstab der 4. Türkischen Armee, bevor er im Lager von Moda am Marmarameer interniert wurde. Mit dem Untergang des deutschen Kaiserreichs endete auch Papens Soldatenleben.

Franz von Papen

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