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D. Erdbestattung contra Feuerbestattung

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Die Verbrennung des Leichnams ist kulturanthropologisch jünger als die Körperbestattung, doch seit jeher gab es mehrfache Wechsel zwischen Erd- und Brandbestattung. Dafür mag es sowohl religiöse als auch praktische Gründe gegeben haben. Die in der römischen Kaiserzeit geübte Brandbestattung wurde zu Beginn der Spätantike von der Körperbestattung abgelöst. Da gegen Ende des 2. Jahrhunderts der Einfluss des Christentums auf die Gesellschaft noch sehr gering war, dürfen für diesen Wandel keine christlich-religiösen Motive verantwortlich gemacht werden, vielmehr war durch den Raubbau an den Wäldern das für die Verbrennung erforderlich Holz knapp geworden, sodass die ab dem Beginn des 3. Jahrhunderts allgemein geübte Erdbestattung eine praktische Folge der veränderten Umweltsituation war. Aus den ersten beiden Jahrhunderten kennen wir bis heute keine christlichen Gräber, und es ist denkbar, dass die Christen dieser Zeit genauso die Brandbestattung übten wie ihre pagane Umwelt. Erst in der Folge entwickelte sich die den Körper bewahrende Erdbestattung zu einem christlichen Glaubenssatz, während die den Körper verzehrende Brandbestattung als heidnisch angesehen wurde. Als abendländischer Erbe des christlichen Römischen Reiches erließ Karl der Große im Juli 782 auf der Reichsversammlung bei Lippspringe und im Edikt von Paderborn 785 Gesetze, die bei Androhung der Todesstrafe die Leichenverbrennung untersagten. Immerhin war die Brandbestattung bei den von ihm unterworfenen Völkern und den Nachbarn des Reiches noch üblich. Noch im 10. Jahrhundert übten die Slawen etwa im Gebiet der Oberlausitz die Verbrennung der Toten, sammelten ihre Asche in Gefäßen und begruben sie unter aufgeworfenen Hügeln. Zu den größten slawischen Brandgräberfeldern gehören die Hügelgräber von Biaogórze wenige Kilometer östlich von Görlitz mit etwa 200 bekannten Bestattungen. Erst mit der Missionierung der heidnischen Völker entwickelte sich ab dem hohen Mittelalter die Körper-Erdbestattung zur einzigen Begräbnisform im christlichen Abendland. Und sie blieb es bis zu Wiedereinführung der Kremation in der Neuzeit, als 1878 in Gotha die erste Feuerbestattungsanlage der Moderne auf deutschem Boden errichtet wurde.

Wenn während dieser 1000 Jahre bestehenden Sitte der Körperbestattung dennoch Leichen verbrannt wurden, dann war dies eine Sanktion gegen missliebige Personen; traurige Berühmtheit haben die bis in die Neuzeit andauernden Hexenverbrennungen erlangt. Auch nach verlustreichen Schlachten wusste man sich manchmal nicht anders zu behelfen, als die Toten zu verbrennen. Doch als christliches Begräbnis galt ausschließlich die Erdbestattung. An dieser Auffassung hielt die katholische Kirche bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil 1963 fest, ehe sie dem Trend der Zeit folgend die Möglichkeit der Kremation auch Katholiken einräumte. Mit der dahinterstehenden Ideologie, die Auferstehung des Fleisches sei an die Bewahrung der sterblichen Überreste in einem Grab gebunden, lieferte sie den Freidenkern eine offene Flanke, die den Kampf um die Wiedereinführung der Kremation zu einem antikirchlichen Fanal stilisierten. Dieser alte Streit um die Feuerbestattung lässt sich noch in der Gegenwart ablesen. Im (protestantischen und „heidnischen“) Norden und Osten der Republik hat die Feuerbestattung zumindest in der Tendenz weit höhere Anteile als im (katholischen) Süden und Westen. Dagegen zeigte sich der liberale Protestantismus früher den Gedanken der Feuerbestattungsbewegung aufgeschlossen, weshalb es nicht verwundert, dass das erste moderne Krematorium in Gotha auf dem Gebiet der aufgeklärt-protestantischen Herrschaft des Herzogtums Sachsen-Coburg und Gotha lag.

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