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Vorwort

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Es gibt wenig Orte, die uns gleichermaßen so vertraut und so fremd sind wie der Friedhof. Er markiert eine Grenze: Unsere Seite des Friedhofs kennen wir – aus unterschiedlichen Perspektiven, doch die Seite der Toten kennen wir nicht, sie bleibt uns verborgen. Zu allen Zeiten haben Gräber und Bestattungsorte versucht, zwischen beiden Welten eine Brücke zu schlagen, um sie doch gleichermaßen voneinander zu trennen: die Welt der Lebenden und die Welt der Toten. Friedhöfe berühren ein zentrales Menschheitsproblem, den Tod, und sind deshalb eine aufschlussreiche Quelle, wie Kulturen, Gesellschaften und Individuen dieses Problem zu lösen versuchten.

Sind Friedhöfe auch „exklusive Orte“1, so liegen sie doch nicht außerhalb der Welt, sondern sind als materiell erfahrbare Stätten präsent, beschreibbar und deutbar mit den Methoden historisch-kritischer Forschung. Zwar hat sich ihr eigentlicher Zweck der Bestattung der Toten nie geändert, doch die ihnen innewohnende Interpretation des Todes (und des Lebens) war und ist einem steten Wandel unterworfen. Ihm nachzuspüren ist ein Ziel dieses Buches. Wird hier auch „nur“ die 2000-jährige Geschichte des (christlich-)abendländischen Friedhofs nachgezeichnet, so erweist sich selbst dieses Unterfangen als schwierig, wenn man versucht, sie auf diesem knappen Raum darzustellen. Dies bedeutet für den Verfasser wie für den Leser eine Herausforderung. Sind die richtigen Akzente gesetzt? Kommt das zur Sprache, was mich berührt? Wird das erörtert, was mich interessiert?

Ein Überblick über 2000 Jahre Friedhofsgeschichte muss Schwerpunkte setzen, und ihre Auswahl beruht auch auf subjektiven Kriterien. Dies gilt gleichermaßen für die Wahl der herangezogenen Beispiele wie für die Auswahl der Abbildungen. Dass die jüngere Entwicklung und die Gegenwart ein Übergewicht besitzen, ist dann wiederum dem Umstand geschuldet, dass die Friedhofskultur seit Beginn der Neuzeit und erst recht in der Postmoderne eine außergewöhnliche Dynamik entfaltet, während sie sich in Spätantike und Mittelalter vergleichsweise langsam in großen Zeiträumen entwickelt hat. Und – dies ist die These des Verfassers – die Geschichte des Friedhofs, so wie wir ihn kennen oder zu kennen glauben, findet nach 2000 Jahren ihren Abschluss. Das einheitliche System des Friedhofswesens weicht in Zukunft einem schillernden Spektrum von Beisetzungsmöglichkeiten.

Bis einschließlich des 19. Jahrhunderts soll hier die Sichtweise der älteren Standardliteratur aufgrund neuerer Forschungen zusammenfassend, modifizierend und teils korrigierend dargestellt werden, während die Entwicklung des 20. Jahrhunderts, insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die jüngste Gegenwart, erstmals im Überblick geboten wird.

Dem Verlag sei für die Ermutigung gedankt, eine solche Geschichte der Friedhofskultur zu wagen und gegenüber den älteren, nun schon Jahrzehnte zurückliegenden Monografien neue und eigene Schwerpunkte zu setzen. Sie ist auch die Quintessenz einer nun gut 17-jährigen Beschäftigung mit dem Thema, die die Tätigkeit als Leiter des Museums für Sepulkralkultur so mit sich bringt. Meine Sicht der Dinge kann gewiss nicht abschließend sein, zu viele Facetten bedürfen noch der wissenschaftlichen Aufarbeitung, aber ich bin froh, meine Gedanken dazu hier niedergeschrieben zu haben.

Kassel, im Mai 2009

Reiner Sörries

Ruhe sanft

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