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Gläserne Wände

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Diese Art von Fenstern hat uns das moderne Bauen gebracht: gläserne Fronten, die das Dasein durchsichtiger machen. Noch nie konnte die Baukunst so viel Licht einfangen, so viel Blick auf Landschaft freimachen, so viele Durchblicke auf Straße und Alltag gewähren und so viel Durchsichtigkeit nach innen erlauben. Man kann das in den Foyers von Banken bewundern, in Geschäftshallen, in den Fluchten von Chefetagen … Gläserne Wände sind nicht so sehr beim Werk des kleinen Häuslbauers zu finden.

Tirol braucht auch die gläsernen Wände.

Ich meine damit die Durchsichtigkeit des Öffentlichen. Die Glaswände zwischen Verantwortungsträgern und dem Mann auf der Straße, die Transparenz demokratischer Vorgänge, die Verbindung von Verantwortung und Realität. Bis in die Kirche herein kann diese Blickverbindung verloren gehen.

Manchmal vielleicht einfach durch die Neigung zur Exklusivität der Mächtigen, zum Unter-sich-Sein im Stockwerk der Erhabenheit, zum Spiel mit Plänen, die nicht mehr an den Sorgen der kleinen Leute gemessen werden.

Es gibt auch noch andere Gefahren, die die gläsernen Wände mit dem Blick auf die Wirklichkeit durch undurchsichtige Mauern ersetzen. Es gibt Formen eines überzogenen Lebensstils, die eine echte Anteilnahme am Leben des einfachen Menschen verunmöglichen. Wer gewöhnt ist, für einen Abend so viel auszugeben, wie eine Rentnerin für zwei Monate verbrauchen darf, der sieht sie in Wirklichkeit nicht mehr – weder die Rentnerin noch die Frau des kleinen Beamten, die sich mit einem Kinderwagen und zwei weiteren Knirpsen durch die Geschäfte quält, noch den Strafentlassenen, der kein Zimmer findet. Die gläsernen Wände sind einfach notwendig für das soziale Feeling, für die Sensibilität in Richtung der sozial Schwachen. Darum braucht Tirol überall gläserne Wände, wo Verantwortung sitzt.

Und umgekehrt braucht es in einer funktionierenden Demokratie auch den Durchblick auf die Vorgänge rund um das öffentliche Wohl von außen her. Das Wort des alten Cato, der einmal gesagt haben soll, dass der „Homo politicus“ in gläsernen Häusern logieren können müsste, gilt immer noch für jedes funktionierende Gemeinwesen. Und wenn es, anders als irgendwo in unserem Land, seit einem Menschenalter keinen großen Skandal dunkler Geschäfte von Verantwortungsträgern gegeben hat, dann unterstreicht das nur die Bedeutung der gläsernen Wände. Sie gehören zur unabdingbaren Architektur einer modernen Demokratie in unserem Land.

Mit gläubigem Herzen und wachem Geist

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