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Gardinen und Vorhänge

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Auch sie gehören zum Fenster. Wenn die Gardinen und Vorhänge meines Zimmers einmal zufällig in der Wäsche sind, fühle ich mich ausgesprochen unbehaust, obwohl ich den Blick auf Stadtturm und Serles liebe. Das Fenster ist nicht nur das Tor zum Draußen, manchmal muss es auch der Schutz vor dem Draußen sein. Und das ist kein Widerspruch zur eben erhobenen Forderung nach der gläsernen Durchsichtigkeit im öffentlichen Bereich. Das Bedürfnis nach Wahrung von Privatsphäre, Nische, Geborgenheit und Beheimatung gehört auch zu den Sehnsüchten einer an sich fensterfreudigen Welt.

Es ist schon eine Reihe von Jahren her, dass ein Buch mit dem Titel „Verlust der Intimität“ erschienen ist. Namhafte Wissenschaftler haben auf die Bedeutung der „Gardinen“ im Dasein hingewiesen, die vom Datenschutz bis zur Entwicklung eines gesunden Schamgefühls reichen. Wer diese Gardinen der Intimität in der Waschmaschine eines pseudoaufklärerischen Gehabes, einer hemmungslosen Enthüllungsmanie oder eines fehlgesteuerten Sensationsjournalismus zerkochen und zerfasern lässt, hat dem Humanum einen Bärendienst geleistet. So wie das blanke Fenster gehört auch die bergende Gardine zu einem menschenwürdigen Leben. Natürlich wird die Verteidigung schützender Räume von manchen Menschen als Geschäftsstörung empfunden, und man erklärt die Beseitigung zarter Gewebe im zwischenmenschlichen Bereich schlicht als Fortschritt. Aber es waren seriöse Kenner der menschlichen Seele, die in unsere indiskrete Epoche hinein diese „Gardinenpredigt“ im wahrsten Sinn des Wortes gehalten haben.

Wer wissen will, was die Wahrung des familiären Intimraums in einem Fremdenverkehrsland für Kinder bedeutet, dem wären als Lektüre die Briefe jener Südtiroler Kinder zu empfehlen, die in unbeholfener, aber erschütternder Weise den Verlust jenes Reduits beklagen, das sie zu Gunsten eines alles durchdringenden Tourismus im Hause verloren haben.

Hinter dem Bild der Gardinen, die unser Land an den Fenstern seiner Wohnungen braucht, steht also viel. Alle rücksichtslos enthemmenden, exhibitionistischen Tendenzen unserer Zeit sind Abbau des Humanum. Welcher Besitzer von Kostbarkeiten wirft schon die Etuis in den Abfalleimer? Das Eintreten für die Gardine hat mit falscher Prüderie oder einem Plädoyer für Schein und Fassade natürlich nichts zu tun. Wohl aber mit einer Kultur des Gefühls. Und darum wünsche ich mir für die Fenster Tirols auch die passenden Gardinen.

Mit gläubigem Herzen und wachem Geist

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