Читать книгу Tod in der Schorfheide - Richard Brandes - Страница 7

Prolog

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In den ersten Jahren träumte sie jede Nacht von ihm. Oft wurde sie von ihrem eigenen Schrei aus dem Schlaf gerissen, ohne zu wissen, ob sie tatsächlich oder nur im Traum geschrien hatte. Sie stand auf, kochte sich einen Tee und ging wieder zu Bett. Dann lag sie da und wartete, bis die Morgendämmerung die Angst vertrieb.

Im Traum verfolgte er sie. Sie hörte seine Schritte, aber sie konnte ihn nicht sehen. So irrte sie umher und wusste nicht, ob sie vor ihm floh oder ihm geradewegs in die Arme lief. Manchmal glaubte sie, Waldboden unter ihren Füßen zu spüren und Zweige, die ihr ins Gesicht peitschten. Am Ende stürzte sie, und dann sah sie ihn vor sich stehen – wie ein Schatten, ohne Gesicht.

Danach kam eine Zeit, da verschwanden die Träume. Allmählich, nicht sofort. Sie wurden seltener, tauchten nur noch sporadisch auf und vergingen irgendwann ganz. Sie erinnerte sich noch gut an das befreiende Gefühl, keine Angst mehr vor dem Einschlafen gehabt zu haben. Sie hatte es geschafft. Allein und ohne Hilfe. Darauf war sie stolz gewesen.

Doch eines Nachts kehrten sie zurück.

Sie verstand zunächst nicht, warum. Rückblickend wusste sie, dass sie ihm begegnet war. Vor nicht allzu langer Zeit, an einem milden Spätsommerabend im September. Sie war ihm begegnet, ohne ihn erkannt zu haben. Aber ein Teil in ihr, den man gemeinhin als Intuition, Ahnung oder Instinkt bezeichnet, dieser Teil hatte ihn erkannt.

An jenem Spätsommerabend im September hatte ihr Leben ein zweites Mal eine schreckliche Wendung erfahren.

Der Schatten hatte ein Gesicht bekommen.

Tod in der Schorfheide

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