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Kapitel 2

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Am Fluss standen die Bäume ziemlich dicht zusammen. Der zehnjährige David Clark wohnte in einem der neueren Häuser von Tanglewood, aber er konnte bis zum Ende der Siedlung gehen, wo nicht mehr gebaut wurde, und dann durch einen Stacheldrahtzaun direkt in die Wildnis eintreten. Er genoss das Gefühl der Einsamkeit … das fast greifbare Gefühl, direkt in die Vergangenheit einzutauchen, als wenn er Tom Sawyer oder Huckleberry Finn wäre. Tatsächlich verbrachte er soviel Zeit in den Wäldern, dass er sich mehrere Monate zuvor ein Fort aus Kanthölzern, Sperrholz und Zaunlatten gebaut hatte, die er sich vom Bau besorgt hatte. Einige seiner Freunde waren sehr überrascht gewesen, wie bereitwillig die Arbeiter ihm das Rohmaterial überlassen hatten. David jedoch war darüber weniger erstaunt, denn er hatte von seinem Vater gelernt, dass Menschen alle möglichen Sachen machten, wenn man nur den Mut aufbrachte, sie nett danach zu fragen.

Er hatte geplant, das Fort so weit vom Schuss zu bauen wie es nur ging, so weit in den Wäldern, dass man ganz vergaß, wo man eigentlich war, aber es war ziemlich schwierig gewesen, das ganze Material durch den Wald zu tragen. Deshalb hatte er sein Fort letzten Endes nur etwa vierzig Meter vom Stacheldrahtzaun entfernt gebaut. Was er wirklich brauchte, war ein Platz zum Abhängen in der Nähe des Flusses. Dort verbrachte er nämlich den größten Teil seiner Zeit.

Heute war ein perfektes Beispiel. Er war am Fluss gewesen und hatte die Biber und die Alligatorhechte beobachtet, als der Himmel plötzlich dunkel wurde und sich Regen ankündigte. Da er überhaupt keine Lust hatte, nass zu werden, machte er sich sofort auf den Heimweg und bahnte sich seinen Weg durch das Dickicht. Dabei achtete er sorgfältig darauf, dass er nicht mit giftigem Efeu in Berührung kam. Er befand sich schon auf halbem Weg zum Stacheldrahtzaun, als die ersten großen und dicken Regentropfen vom Himmel fielen.

Dann bemerkte er plötzlich, wie der Boden mit jedem Schritt unter seinen Füßen zu rutschen anfing. Er sah, wie sich die Bäume im Wind beugten. Regentropfen klatschten auf die Zweige über ihm und auf den Boden, und einige von ihnen mussten wirklich sehr groß sein, denn sie klatschen härter auf den Boden als er es erwartet hatte. Dann machte der Pfad einen Bogen um eine kleine Gruppe von Mesquite-Bäumen und stieg auf zu einer kleinen roten Klippe. Große freiliegende Wurzeln waren wie Stufen, auf denen es aufwärtsging. Sie waren aber sehr rutschig, und beinahe wäre er hingefallen, und … ich kann dich sehen … die Welt schien sich irgendwie zu drehen, als wäre oben unten und unten oben, und für einen Moment kam es David so vor, als ob er eine Gitarre hörte … als ob jemand einige Takte Musik spielen würde, ein Lied, das er noch nie zuvor gehört hatte, das ihm aber trotzdem irgendwie bekannt vorkam. Dann fiel er auf den Rücken und sah über sich die Bäume, die wie Wolkenkratzer in den Himmel ragten. Die Regentropfen, die um ihn herum auf den Boden klatschten, waren jetzt wie Trommeln … der Wind, der durch die Zweige pfiff, war Musik, und er stellte sich vor, dass diese Geräusche die ersten Klänge des Songs waren, den er soeben gehört hatte. Für eine Weile lag er einfach nur auf dem Boden und lauschte dem Wald und seiner Musik, und vielleicht hätte er sich nie mehr bewegt, wenn ihn nicht plötzlich etwas im Gesicht getroffen hätte … etwas Scharfes, das schmerzte … etwas, das sich wie ein Stein anfühlte.

War vielleicht irgendjemand mit ihm hier draußen? Hatte ihn jemand beobachtet?

Dann fiel ein weiterer Stein direkt neben ihm zu Boden … und noch einer. Aber es waren überhaupt keine Steine, es waren Hagelkörner. Überall um ihn herum fielen kleine Eismurmeln auf den Boden. Einer traf ihn an der Schulter.

»Aua!«, schrie David. »Hör auf damit!«

Der Wald spielte nun keine Musik mehr, er war in Aufruhr. Die Bäume bogen sich in alle Richtungen, der Wind heulte, Regentropfen und Hagelkörner fielen überall um ihn herum. David erhob sich vom Boden und setzte seinen Heimweg fort. Wieder hatte er ein ungutes und sehr reales Gefühl, dass ihm jemand folgte und ihn beobachtete. Im Gras hatte er etwas Weißes und Ungewöhnliches bemerkt. Es hatte ausgesehen wie ein Hagelkorn, aber das konnte nicht sein. Das Ding hatte die Größe eines Tennisballs gehabt.

Immer mehr von ihnen fielen vom Himmel.

David rannte los. Er flog den Pfad geradezu hinunter, so schnell ihn seine Füße tragen konnten. Es hatte keinen Zweck mehr, zu versuchen, das Haus zu erreichen. Selbst, wenn er es aus dem Wald herausgeschafft hätte, war da immer noch die freie Strecke von fünfzig Metern über den Rasen des Hinterhofes, wo er dem Himmel hilflos ausgesetzt wäre. Die einzige Möglichkeit war, zum Fort zurückzulaufen und zu hoffen, dass das Dach ihn schützen würde.

Die meisten Hagelkörner waren klein, kalt und hart, aber die größeren konnten bei einem direkten Treffer durchaus einen Knochen brechen. Zersplitterte Äste und Hagelkörner trafen den Boden jetzt mit gewaltiger Kraft. Eins fiel direkt vor ihm auf den Weg; ein Eisbrocken, der so hart auf den Boden schlug, dass er es mit den Füßen spüren konnte.

Der Himmel war jetzt so dunkel, als ob die Sonne untergehen würde. David konnte nur noch fünfzig Meter weit sehen. Zum ersten Mal in seinem Leben kam ihm ein schrecklicher und unvorstellbarer Gedanke.

Was ist, wenn ich jetzt sterbe?

David war mit dem Tod so vertraut wie jeder andere, aber bis heute hatte er ihn nicht direkt mit sich selbst in Verbindung gebracht. Jetzt schien dieser Gedanke plötzlich so real zu sein wie die Hagelkörner, die um ihn herum auf den Boden prallten. Er könnte jetzt sterben. Er könnte für immer verschwinden und niemals wieder etwas sehen oder einen weiteren Gedanken haben. Wie würde das wohl sein? Wie konnte er hier sein und gleichzeitig doch nicht hier sein?

Ein Lichtblitz erhellte den gesamten Himmel. Ein ohrenbetäubender Donner erschütterte den gesamten Wald. Äste, Blätter und Hagelkörner, die so massiv waren, dass er kaum glauben konnte, was er sah, fielen überall zu Boden. Er rannte jetzt so schnell, wie er konnte … er rannte um sein Leben. Wieder glaubte er, Schritte zu hören, die seinen eigenen folgten.

Jemand schien sich direkt hinter ihm zu befinden.

Im Geist hörte er die Stimme seines Vaters, oder zumindest etwas, was er für die Stimme seines Vaters hielt, die ihn anfeuerte. Schau nicht zurück, du sollst niemals zurückschauen. Eigentlich klang es eher wie jemand, der sang. Es war so, als ob er wieder diesen geheimnisvollen Song hörte. Ich dachte, ich wüsste, was Liebe ist …

Dann sah er endlich das Fort zwischen den Bäumen auftauchen. Hagelkörner, die aussahen wie Murmeln und Golfbälle, und gelegentlich sogar wie ein Baseball, knallten auf das Dach. Als er die Tür erreichte, versuchte er den Riegel zurückzuschieben, aber es gelang ihm nicht. Jeden Augenblick könnten die fremden Schritte ihn erreichen, und David fummelte immer noch an dem Riegel herum. Donner explodierte über ihm. Er klang wie Gewehrschüsse, und David war drauf und dran zu schreien.

Gerade, als es ihm gelang, den Riegel wegzuschieben, traf ein Hagelkorn seinen Knöchel. Hitze und Schmerz durchströmten sein Bein, doch er biss die Zähne zusammen und kroch unter die Werkbank. Er hatte das Gefühl, dass sein Knöchel vollkommen zerschmettert war.

David hoffte, dass er sich ein wenig ausruhen könnte, aber als er durch die Ritzen in der Wand den Sturm sah, hatte er das Gefühl, als ob er aus dem Fenster eines Flugzeugs schauen würde. Es kam ihm so vor, als ob er vom Boden abhob und beobachtete, wie dieser allmählich unter ihm verschwand. Das war schon seltsam, wenn man bedachte, dass er noch niemals zuvor geflogen war. Flugzeuge hatte er bisher nur im Fernsehen gesehen. Er konnte den Sturm mit seiner Vision, in der Luft zu sein und wegzufliegen, gar nicht in Verbindung bringen. Für einige Sekunden waren beide Realitäten so lebendig, dass er das Gefühl hatte, er würde dazwischenstehen … als wenn er eine Seite seines Lebens umblätterte und auf die Nächste überging.

Schließlich brachte der Ansturm der Hagelkörner David in die Realität zurück. Er schloss seine Augen, und ihm kamen unwillkürlich die Tränen. Lautlos betete er zu allen Göttern, die ihm zuhören mochten, sein Leben zu verschonen. Er versprach, immer lieb und großzügig zu sein und es fortan allen recht zu machen. Zu geben, anstatt zu nehmen, und dankbar dafür zu sein, dass er den Sturm überlebt hatte.

Sein zehn Jahre altes Selbst konnte nicht wissen, dass der spätere David diese Versprechungen nicht halten würde, und dass sich sein Charakter im Laufe der Zeit allmählich in eine ganz andere Richtung entwickeln würde. Es sollten noch vier Jahre vergehen, bevor er Todd Willis treffen würde und bevor er dieses geheimnisvolle Lied hören würde, und selbst dann würde er dessen Bedeutung nicht verstehen. Er würde die Seltsamkeit dieses stürmischen Abends erst nach weiteren neunundzwanzig Jahren verstehen. Nach dem Mord an seinem Vater und einer Reihe katastrophaler Brände, die letzten Endes den Untergang der Stadt einläuten würden. Aber dann wäre sein Schicksal bereits besiegelt, und alles, was er noch tun konnte, war, hilflos mit anzusehen, wie sein Leben allmählich den Bach runterging.

Schließlich ließ der Hagel langsam nach und hörte dann abrupt ganz auf. David stand vorsichtig auf, achtete dabei auf seinen verletzten Knöchel und öffnete die Tür. Durch die Bäume hindurch, nahm er die schwärzeste Wolke wahr, die er jemals gesehen hatte. Er humpelte zu dem Stacheldrahtzaun, stieg hindurch und rannte dann wie verrückt in die Richtung seines Hauses. Er hatte es schon fast erreicht, als er das unheimliche Heulen der Tornado-Sirenen hörte.

Es war ein Geräusch, das ihn schon bald in seinen Träumen verfolgen sollte.

THE BOYS OF SUMMER

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