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Kapitel 8
ОглавлениеEs gab Zeiten, wo Adam Altman befürchtete, dass sein Leben nichts weiter als eine Illusion war. Er war jetzt achtunddreißig, aber manchmal hatte er das Gefühl, dass die Stunden und Wochen und Jahre seines Lebens irgendwie unbemerkt an ihm vorbeigekrochen waren. War es nicht erst gestern gewesen, dass er sich im Schrank im Flur verkrochen hatte, um dem tosenden Tornado zu entgehen, oder war das wirklich schon neunundzwanzig Jahre her? Die empirische Antwort und die Realität, die er in seinen Knochen fühlte, passten irgendwie nicht dazu. Adam war jetzt ein verheirateter Mann und Vater einer sechs Jahre alten Tochter, aber an einem Morgen wie diesem konnte er sich an fast nichts mehr erinnern, was zwischen dem Tod seiner Schwester und dem Jetzt passiert war. Eigentlich war er noch nicht einmal sicher, ob das Gestern überhaupt passiert war. Irgendwie musste es passiert sein, denn er war ja gerade aus der Dusche gekommen, wahrscheinlich um sich den ganzen Schweiß abzuwaschen, den er während der Nacht abgesondert hatte. Nach dem Frühstück hatte er vor, das Projekt in Tanglewood in Augenschein zu nehmen. Bei dem Projekt handelte es sich um ein neues Haus, das auf dem Gelände eines alten Hauses gebaut werden sollte. Adam selbst war der Bauherr. Er baute zwar nicht persönlich, aber er leitete die verschiedenen kleineren Projekte, die zum Bau eines Wohnhauses notwendig waren. Insgesamt waren all diese Einzelheiten in Bezug auf seine Arbeit und sein Leben Hinweise darauf, dass seine Existenz doch keine Illusion war, aber sie reichten kaum dazu aus, das Gefühl zunehmender Panik zu beseitigen, das er schon den ganzen Morgen hatte.
Jenseits der Badezimmertür, im Schlafzimmer, wurde gerade jemand wach. Das war wohl seine Frau Rachel. Es war kurz vor sieben, Zeit, Bradie für die Schule fertigzumachen. Das waren noch mehr Einzelheiten in Bezug auf ein authentisches Leben, das er führte. Rachel würde ihre Tochter anziehen, ihr Waffeln zum Frühstück machen und eine Kanne Kaffee kochen. Adam würde sie beide zum Abschied küssen, in seinen Kleinlaster steigen und dann losfahren, um einen weiteren Tag zu beginnen.
Als er in die Küche kam, war der Fernseher an, aber niemand kochte Kaffee oder machte Waffeln. Ein Morgen, der nicht routinemäßig verlief, bedeutete meist, dass Rachel irgendwelche Schwierigkeiten mit Bradie hatte. Die üblichen Schwierigkeiten waren Streitereien darüber, was Bradie anziehen wollte oder Probleme mit den Haaren, und tatsächlich konnte Adam seine Tochter jetzt weinen hören, als er sich ihrem Zimmer näherte.
»Ich höre da ja Tränen«, sagte er zu Bradie in einem singenden Tonfall. Rachel saß neben ihr auf dem Bett.
»Sie hatte schon wieder einen Albtraum, Adam.«
Er setzte sich zu ihnen aufs Bett und nahm die weiche und schmale Hand seiner Tochter in seine.
»War es wieder dieser böse Junge?«
Bradie nickte. »Er läuft mir hinterher, und ich weiß, dass er da ist. Aber ich kann ihn nicht sehen und hören. Es ist so heiß dort, und alles, was ich sehe, ist weiß.«
Bradie fasste ihn nun an der Taille. Adam sah auf seine Tochter hinab, und plötzlich überkam ihn ein Gefühl, das ihn so überwältigte, dass er sich am Bettpfosten festhalten musste. Es war keine Überraschung, dass Bradie so eine starke Ähnlichkeit mit Christi hatte, die vor so vielen Jahren im Tornado umgekommen war, aber dieser Aspekt der Ähnlichkeit war geradezu unheimlich. Adam stand auf und nahm sie fest in den Arm. Sie klammerte sich verzweifelt an ihn. Christi war genau in dem Alter gestorben, in dem Bradie jetzt war.
»Hör mir zu«, sagte er. »Kein böser Junge wird dir jemals etwas tun. Verstehst du? Deine Mutter und ich werden dich vor allem beschützen. Bei uns bist du immer sicher.«
»Ich weiß«, sagte Bradie schniefend. »Aber im Traum kannst du mir nicht helfen. Niemand kann mir da helfen.«
»Aber jetzt bist du doch wach, oder nicht? Und hier ist kein böser Junge.«
»Vielleicht könntest du ja bei mir schlafen, Daddy. Wenn ich dann träume, dann hast du vielleicht denselben Traum, und kannst den bösen Jungen vertreiben?«
»Ich glaube, so funktioniert das nicht, mein Schatz. Aber Jesus ist immer bei uns, und er würde es nicht zulassen, dass man dir im Traum etwas tut. Wenn ich nicht da bin, um dir zu helfen, dann ist er immer da. Verstehst du?«
»Okay«, sagte sie wenig überzeugt.
Adam ging zurück in die Küche. Er kochte sich seinen Kaffee selbst und fand noch einen halben Bagel im Brotkorb. Gerade liefen die landesweiten Nachrichten und man berichtete wieder über das Platzen der Immobilienblase, ein Thema, das man in den Morgennachrichten anscheinend schon seit Monaten wiederkäute. Adam brauchte die Nachrichten nicht, um über das Problem mit den Grundstückspreisen Bescheid zu wissen, schließlich hatte er jeden Tag mit diesem Problem zu tun. Im Augenblick beaufsichtigte er nur zwei Bauprojekte und weitere Aufträge hatte er zurzeit nicht in Aussicht. Selbst das Geschäft mit Umbauten war im vergangenen Jahr ziemlich abgeflaut. Im Frühjahr hatte er gegenüber Rachel einen nervösen Witz gemacht, dass er sich jetzt einen weiteren Tornado wünschte … nicht so groß, dass jemand dabei verletzt wurde, aber groß genug, um den Bedarf an neuen Häusern anzukurbeln. Rachel hatte das allerdings nicht sehr komisch gefunden. Tornados waren für niemanden in Wichita Falls ein Witz. Aber der erbärmliche Zustand ihrer persönlichen Finanzen war auch nicht gerade sehr erheiternd.
Die nationalen Nachrichten machten nun eine Pause und die Lokalstation berichtete über das Wetter und einige wichtige Meldungen.
»Untersuchungen haben ergeben, dass Brandstiftung die mögliche Ursache für das Feuer sein könnte, das vor zwei Tagen an der Ecke Kemp Boulevard und Southwest Parkway gewütet hatte«, sagte ein ernster Nachrichtenmoderator, der einen dunklen Anzug mit blauer Krawatte trug.
»Das Haus gehörte der achtunddreißigjährigen Alicia Ulbrecht, die acht Jahre lang darin gewohnt hatte. Sie sagte, dass sie es sich nicht erklären könnte, warum jemand gerade ihr Haus in Brand setzen wollte.«
Adam hörte auf zu kauen und schloss die Augen. Er sah plötzlich Flammen, die die Wände, den Teppich und die Decke verbrannten. Er sah Funken, die aus dem Dach stoben, Rauch, der wie Gewitterwolken in Richtung Himmel schwebte. Ein Augenpaar in der Dunkelheit … Augen, die er nicht zu sehen erwartet hatte … die niemand zu sehen erwartet hatte.
»Ich bin am Boden zerstört«, sagte nun eine weibliche Stimme. »Warum sollte mir jemand das antun? Vielleicht war es ja auch nur ein Unfall, doch die Feuerwehr hat mir gesagt, dass jemand Benzin in mein Haus geschüttet und es dann angezündet hat.«
Adam öffnete seine Augen wieder, und ihm wurde klar, dass es tatsächlich Alicia Ulbrecht war, die dort auf dem Bildschirm zu sehen war. Es war schwierig, das Gesicht mit dem Mädchen in Zusammenhang zu bringen, das er vor so vielen Jahren gekannt hatte. Sie war immer noch attraktiv, wenn auch nicht mehr das kleine Starlet, das so viele Jungs in Tanglewood angehimmelt hatten. Er hatte sie seit ihrem Abschluss an der Highschool vor zwanzig Jahren nicht mehr gesehen, und jetzt war sie plötzlich im Fernsehen vor ihrem Haus, das nur noch eine Ruine war.
Die verbrannten Überreste ihres Hauses zu sehen, riss Adam den Boden unter den Füßen weg. Er fiel fast hin und griff hastig nach dem Tisch, um sich abzustützen. Hinter ihm lachten gerade Rachel und Christi. Nein, Rachel und Bradie lachten. Anscheinend war der Albtraum vergessen, denn jetzt flochten sie Bradies Haare zu Zöpfen und amüsierten sich über irgendetwas. Adam stützte sich auf dem Tisch ab und schloss erneut seine Augen. Er sah, wie Alicia auf ihrem Rad an seinem Haus vorbeifuhr. Todd bat Jonathan, sie zu rufen. Da war Musik.
Ich kann dich sehen.
Deine braune Haut, die in der Sonne glänzt.
Nein, es war keine Musik. Es war sein Mobiltelefon, das in seiner Gesäßtasche vibrierte. Er zog es heraus und sah, dass es Juan Romero war, der ihn anrief.
»Hier ist Adam.«
»Hallo Chef, sind Sie schon wach?«
»Natürlich bin ich wach! Was gibt es denn?«
»Ich denke, Sie sollten besser herkommen.«
»Wohin? Zur Baustelle?«
»Ja. Es ist etwas passiert.«
»Was ist passiert? Sagen Sie es schon!«
»Wir müssen noch einmal ganz von vorn anfangen. Der Bau ist im Eimer.«
»Was meinen Sie damit … im Eimer?«
»Jemand hat den Bau abgefackelt, Chef. Die Bolzen, die Gerüste … alles ist kaputt. Wir müssen noch mal ganz von vorn anfangen.«
Für einen Moment glaubte Adam, dass selbst der Tisch nicht stabil genug war, um ihn zu halten. Er hatte das Gefühl, dass der gesamte Boden unter ihm bebte, und wenn man sich nicht einmal mehr darauf verlassen konnte, dass die Erde stabil war, worauf konnte man sich dann noch verlassen?
»Müssen Vandalen gewesen sein«, meinte Juan. Er schien das, was passiert war, offenbar irgendwie komisch zu finden. »Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, warum sonst irgendjemand Trockenbaustangen verbrennen sollte. Sie vielleicht?«
Adam war sich nicht sicher, was er darauf antworten sollte.