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Kapitel 3

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Der Augenblick, in dem sich Jonathan Cranes Leben für immer verändern sollte, kam, als jemand laut an die Vordertür seines Hauses hämmerte. Die Ursache für diesen Lärm war Bobbys Vater, Kenny Steele, der sich lautstark Zutritt verschaffen wollte. Carolyn weigerte sich, ihn reinzulassen, und hatte gerade schon panisch versucht, ihren Mann per Telefon zu erreichen.

»Dad hebt nicht ab«, sagte sie. »Er ist wahrscheinlich schon zu uns unterwegs.«

Bobby war leichenblass. Er öffnete den Mund, um zu sprechen, aber nichts kam heraus. Seine Mutter legte beruhigend ihre Hand auf seine.

»Mach dir keine Sorgen. Ein Erwachsener ist wegen irgendetwas aufgebracht. Vielleicht können wir das ja regeln, ohne gleich die Polizei zu rufen.«

Jonathan, der noch nie erlebt hatte, dass sein Vater aggressiv wurde, fragte sich, wie Bobby jeden Tag mit einem Mann wie Mr. Steele zusammenleben konnte. Später, als alles vorüber war, würde er es natürlich bedauern, dass er eine solche Vorstellung heraufbeschworen hatte.

Das Hämmern an der Tür wurde nun so heftig, dass die Tür im Rahmen erzitterte. Mit jedem Schlag schien das ganze Haus zu beben, und Jonathan konnte sehen, dass seine Mutter mit jeder Sekunde ängstlicher wurde.

»Ich denke, ich rufe jetzt doch lieber die Polizei«, sagte sie schließlich.

Aber Bobby wurde ganz verrückt vor Angst bei diesem Gedanken.

»Bitte, Mrs. Crane! Mein Vater hatte schon letztes Jahr ziemlichen Ärger mit der Polizei. Bitte tun Sie das nicht!«

Carolyn griff trotzdem nach dem Telefon, und wählte bereits die Nummer, als der Lärm an der Tür plötzlich aufhörte. Jonathan hörte nun die Stimme seines Vaters.

»Kann ich Ihnen helfen?«

»Ich suche Jonathans Vater«, antwortete Mr. Steele.

Es folgte ein Moment des Schweigens, dann hörte Jonathan noch einmal die Stimme seines Vaters, dieses Mal etwas weiter entfernt.

»Ich bin Michael Crane. Was geht hier vor sich?«

Jonathan konnte sich nicht entscheiden, ob er die Tür aufmachen sollte, doch dann tat er es automatisch, als könnte er nicht anders.

»Liebling!«, rief seine Mutter. »Geh nicht da raus!«

»Aber Dad ist vielleicht in Schwierigkeiten!«

Tatsächlich standen sein Vater und Mr. Steele auf dem vorderen Rasen, und sie standen sich so nahe gegenüber, dass sich ihre Nasen fast berührten.

»Was hier vor sich geht«, sagte Mr. Steele, »ist, dass Ihr Sohn versucht, meinen Jungen zu einem Weichei zu machen.«

Jonathan rieb sich die Augen und fragte sich, ob das, was er da sah, wirklich passierte. Es war wie eine Szene, die sich jemand für einen Roman ausgedacht hatte. Wenn man so gerne las wie Jonathan, dann war es ganz natürlich, sich manchmal zu fragen, ob man selbst auch in der Lage wäre, etwas zu schreiben, und in letzter Zeit hatte er tatsächlich öfter versucht, sich die realen Erlebnisse seines Lebens als geschriebene Szenen vorzustellen.

In dieser Szene jetzt trug Bobbys Vater ein Flanellhemd und abgetragene Jeans und hatte sich seit Tagen nicht mehr rasiert. Er war aufgebracht, denn er schien zu glauben, dass Jonathan Bobby in irgendeiner Art und Weise verdorben hätte. Aber was genau glaubte er, das geschehen war? Und hatte er ernsthaft vor, deshalb eine Schlägerei anzufangen?

In diesem Augenblick gingen die Tornado-Sirenen wieder los. Es war das zweite oder dritte Mal, dass er sie in den letzten zwanzig Minuten gehört hatte. Jonathan fühlte plötzlich etwas in seinem Rücken, und merkte dann, dass seine Mutter und Bobby ihn von der Tür aus beobachteten. Wind kam auf, und dieser wurde auf einmal so stark, dass man kaum noch hören konnte, was die beiden Männer sagten.

»Hören Sie mal«, schrie sein Vater. »Ich weiß ja nicht, was Sie glauben, was mein Sohn mit Ihrem Jungen gemacht hat, aber was auch immer es ist, ich bin mir sicher, dass wir das regeln können. Doch jetzt sollten wir erst einmal …«

»Sie werden Ihrem Weichei von Sohn jetzt erst einmal sagen, dass er sich von meinem Jungen fernhalten soll. Das ist genau das, was Sie jetzt erst einmal tun werden!«

Jonathan verstand nicht, warum Mr. Steele ihn mit solchen Schimpfnamen belegte, und wie es aussah, konnte sein Vater es auch nicht nachvollziehen. Mit jedem Augenblick schien er frustrierter zu werden.

»Hören Sie«, sagte sein Vater. »Sie wissen doch bestimmt, was es bedeutet, wenn die Sirenen losgehen. Reden wir ein anderes Mal darüber, wenn nicht gerade ein Tornado …«

»Da kommt kein Tornado!«, rief Mr. Steele.

Bis jetzt hatte Jonathan den weißen Kleinlaster kaum bemerkt, der vor ihrem Haus stand, doch jetzt öffnete sich die Tür, und Bobbys Mutter stieg aus und ging zu ihrem Mann.

»Kenny!«, schrie sie. »Ich habe dich gebeten, hier keine Schlägerei anzufangen. Wir müssen jetzt in den Schutz-Keller!«

Jonathan konnte sehen, wie sein Vater überlegte, wie er jetzt weiter vorgehen sollte. Er schien wütend genug zu sein, um Mr. Steele eine reinzuhauen, aber er schaute auch besorgt hinauf zum Himmel und auf die wirbelnden Wolken.

»Ich sehe schon, wo er das herhat«, sagte Mr. Steele abfällig. »Dieses Weichliche in Ihrem Sohn … ich kann ganz genau sehen, woher …«

Jetzt packte sein Vater Mr. Steele an der Gurgel. Jonathan konnte kaum glauben, was da gerade passierte. Sein ganzes Leben lang hatte man ihm beigebracht, dass es ein Problem sei, und, keine Lösung, sich zu prügeln. Doch jetzt verstand er plötzlich, dass es manchmal durchaus nötig war, zu kämpfen. Das Gefühl, das er empfand, als er sah, wie sein Vater ihn so entschlossen verteidigte, war genauso mächtig wie der Sturm, der gerade über ihnen tobte. Jonathan hatte ihn nie so sehr geliebt wie in diesem Augenblick.

Das Gefühl verging jedoch sehr schnell, als Mr. Steele ebenfalls den Hals seines Vaters ergriff, und beide kurz darauf am Boden lagen. Man konnte sehr schnell erkennen, wer gewinnen und wer verlieren würde.

Jonathan wollte seinem Vater beistehen, aber Mrs. Steele kam ihm zuvor und sprang auf den Rücken ihres Mannes. Michael rollte sich zur Seite. Er keuchte schwer und griff sich an den Hals. Carolyn eilte an seine Seite und versuchte, ihn vom Boden hochzuheben.

»Jonathan«, rief sie. »Komm her und hilf mir.«

Aber sein Vater war schon wieder auf den Beinen. Doch er schaute die beiden nicht an, stattdessen blickte er zum Himmel.

»Wir müssen reingehen, und zwar jetzt sofort!«

Jonathan schaute ebenfalls nach oben und sah dort Wolken; schwarze Wolken, die sich wild drehten. Sie waren so nahe, dass man das Gefühl hatte, sie berühren zu können. Jenseits davon, nicht sehr weit entfernt, hörte man ein Brüllen.

»Oh, mein Gott!«, rief Carolyn.

»Ein Tornado!«, schrie Bobby hinter ihr.

Das Brüllen wurde immer stärker. Es war grollend und unmissverständlich. Es waren Geräusche wie von einem wilden Tier. Jonathan drehte sich zu seinem Vater um, doch er wusste noch nicht, dass es das letzte Mal sein würde, dass er direkten Augenkontakt mit ihm haben würde.

»Lauf los, mein Sohn! Lauf schnell rein!«

»Deine Mutter und ich kommen gleich nach. Lauf schnell rein! Jetzt sofort!«

Jonathan starrte Bobby und seine Eltern noch einen Moment an. Er wollte wütend sein über das, was geschehen war, denn wenn Bobby nicht so ein Schwachkopf wäre und irgendeine Vorstellung von diesem Sturm gehabt hätte, dann wäre er daheim geblieben, und all das wäre gar nicht erst passiert, aber schließlich hatte ja niemand wissen können, dass ein Tornado genau hierherkommen würde, und es war auch nicht Bobbys Schuld, dass sein Vater eine Schlägerei angefangen hatte.

Die wirbelnde Masse, die sich ihnen jetzt rasend schnell näherte, war kein Wetterphänomen. Es war ein Albtraum, der irgendwie seinen Weg in die Wirklichkeit gefunden hatte. Es gab keine Hoffnung, dass er an ihnen vorübergehen würde. Dafür war er viel zu groß, und er kam genau auf sie zu.

»Beeilt euch!«, rief Michael. »Gehen wir rein, bevor es zu spät ist!«

Sein Vater lief zur Tür und ergriff dabei Jonathans Hand. Zusammen rannten sie durch die Küche in die Vorratskammer.

»Quetscht euch hier rein«, rief Michael. »Carolyn … Sie auch, Mrs. Steele …«

Sein Vater drehte sich um und packte auch Bobby und seine Mutter.

»Ihr beide auch. Mr. Steele und ich gehen ins Gästebadezimmer.«

»Was?«, schrie Carolyn. »Wir passen hier doch alle rein! Lasst uns hier nicht allein!«

»Ihr seid nicht allein. Ihr seid doch alle zusammen. Wir gehen nur um die Ecke.«

»Mike!«

Die Geräusche, die der Tornado von sich gab, hatten sich verändert. Jetzt klang er wie ein durchdringender Schrei, der sich für Jonathan wie Wasser anhörte, das durch einen gewaltigen Abfluss lief. Er konnte sich nicht vorstellen, dass jemand mehr Angst haben könnte, als er in diesem Augenblick.

»Gehen wir«, sagte sein Vater zu Mr. Steele. »Wir haben keine Zeit mehr.«

»Mike, nein! Bitte!«

Sein Vater schloss die Tür. Das Licht ging nicht an, deshalb standen alle vier in völliger Dunkelheit da. Sie konnten überhaupt nichts sehen. Alles, was sie wahrnahmen, war der Sturm draußen und die durchdringenden und unheimlichen Geräusche des Tornados. Er schien den gesamten Sauerstoff aus der Luft zu ziehen. Bobby und seine Mutter weinten, Jonathan schwieg und versuchte, zu hören, ob sein Vater immer noch da und immer noch am Leben war.

»Zum Badezimmer geht es hier entlang«, rief Michael nun. »Kommen Sie, wir können …«

Er wurde vom Lärm zerberstender Fensterscheiben unterbrochen, und ein schweres Gewicht zwang Jonathan auf die Knie. Dann hörte er einen schrecklichen Schrei; den Schrei einer Frau. Er hoffte, dass es nicht seine Mutter war, und er hoffte, dass sein Vater in Sicherheit war. Er tastete seinen eigenen Körper ab und suchte nach Verletzungen oder nach Blut, nach irgendeinem Hinweis, ob er verletzt worden war, aber er konnte nichts finden. Sein Körper schien überhaupt nicht mehr da zu sein. Als er versuchte, nach einem Zeichen dafür zu suchen, was überhaupt passiert war und wo er sich befand, wurde ihm plötzlich klar, dass er nichts sehen konnte. Überall, wo er hinschaute, war nichts.

Nichts als Weiß.

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