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12.

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Zwei schwarz gekleidete Gestalten eilten die Östliche Lange Gasse der Stockholmer Altstadt hinunter. Ihre Mäntel wehten, die Hüte hatten sie abgenommen. Die Menschen wichen ihnen aus, wie man eiligen Leuten immer ausweicht, deren Gesichter entschlossen wirken und von denen man den Eindruck gewinnt, dass sie einen eher über den Haufen rennen würden, als auszuweichen. Einige der Passanten zischten oder machten abfällige Geräusche, aber es hatte sich herumgesprochen, dass die Königin zwei katholische Ordensangehörige in ihrem Schloss beherbergte und dass sogar der alte Johann Matthiae mit ihnen zusammen in den Besprechungen saß. Wenn Königin Kristina die Jesuiten willkommen hieß, dann bedeutete das wohl, dass sie auch willkommen waren. Das schwedische Volk als Ganzes hatte nichts als tiefe Zuneigung zu ihrem König Gustav Adolf empfunden, und da dieser wiederum seine Tochter schon als Kleinkind vergöttert hatte, empfand das schwedische Volk so wie er und verehrte seine junge Königin – abgesehen davon, dass man seit Jahren darüber munkelte, dass ihre Mutter, die extravagante Königin Marie Eleonore von Brandenburg, sie mindestens einmal umzubringen versucht hatte, und welchem Kind würden die Herzen nicht zufliegen, das die Mordversuche der eigenen Mutter überlebt hatte? Insofern hätten die beiden Jesuiten, wären ihre Gedanken nicht anderswo gewesen, die seltsame Erfahrung gemacht, dass man ihnen im protestantischen Feindesland weniger ablehnend begegnete als zu Hause im Reich.

Der eine der beiden blieb keuchend vor einer Tür stehen, während der andere weitereilte.

„He, pst! Dies ist das Haus!“

Der zweite Jesuit blieb zwei Häuser weiter stehen, sah sich um, musterte die Tür und schüttelte den Kopf. „Nein, es ist das da!“

„Die rote Tür …!“

„Nein, es hieß, es sei eine blaue Tür.“

Die beiden Männer sahen sich über die Distanz hinweg an.

„Rot.“

„Blau!“

„Garantiert?“

„Ja …“

„Bei der Wahrheit des großen Ignatius von Loyola?“

Der zweite Jesuit zögerte. Ihre Blicke wechselten erneut zwischen den beiden Türen und sich selbst hin und her. Der zweite Jesuit ließ die Schultern sinken. Der erste holte tief Atem.

„Mist!“

„Was nun?“

Der zweite Jesuit kam zögernd zurück und stellte sich neben seinen Ordenskameraden. „Rot? Wirklich?“

Der erste Jesuit warf ärgerlich die Hände in die Luft. „Ich dachte, Sie hätten es sich gemerkt!“

„Ich dachte auch, ich hätte es mir gemerkt, bis Sie mich mit der roten Tür durcheinandergebracht haben.“

Sie ermaßen die rote Tür, dann drehten sie sich wie ein Mann um und betrachteten die blaue Tür weiter vorn.

„Mist!“, wiederholte der erste Jesuit mit Gefühl.

„Wir könnten einfach klopfen“, schlug der zweite Jesuit zaghaft vor.

„Wo?“

„An der blauen Tür.“

„Genauso gut könnten wir an der roten Tür klopfen.“

„Ja, aber wahrscheinlicher ist es die blaue Tür.“

„Wahrscheinlicher? Haben Sie eben wahrscheinlicher gesagt?“

„Dies ist keine Übung in Semantik“, rügte der zweite Jesuit steif.

Der erste Jesuit hob eine Hand und ballte sie zur Faust. „Ich klopfe jetzt“, sagte er. „An die rote Tür.“

„Und was sagen Sie, wenn es die falsche Tür ist?“

Der erste Jesuit zögerte.

„Oh, entschuldigen Sie“, äffte der zweite Jesuit, „wir dachten, hier wohnt der Spion. Sind Sie sicher, dass Sie nicht der Spion sind?“

„Nein, ich werde sagen: Entschuldigen Sie, dass mein Kamerad ein Kretin ist.“

„Ich werde beim Ordensgeneral Beschwerde gegen Sie einlegen!“

„Meine Güte!“, zischte der erste Jesuit. „Wenn es die falsche Tür ist, versteht man uns sowieso nicht. Oder beherrschen Sie neuerdings Schwedisch?“

„Ich hatte gehofft, wir würden es im Gespräch mit der Königin lernen.“

„Nur, dass sie dauernd Französisch mit uns spricht.“

Sie sahen sich zum dritten Mal an … die rote Tür … die blaue Tür … dann wieder sich.

„Ich klopfe jetzt“, sagte der erste Jesuit entschlossen.

„Hallo?“, rief jemand.

Der erste Jesuit ließ die Hand sinken. Beide drehten sich um. Im Haus gegenüber hatte sich im ersten Stock ein Fenster geöffnet. Ein Mann lehnte sich hinaus.

„Bitte?“, sagte der zweite Jesuit würdevoll.

„Monita secreta“, sagte der Mann im Fenster, nachdem er sich mehrfach konspirativ umgeblickt hatte.

„Was hat er gesagt?“, fragte der zweite Jesuit.

Der erste Jesuit starrte den Mann an. Dann ließ er seinen Blick sinken und starrte die Tür an.

„Monita …“, wiederholte der Mann.

„Schon gut!“

„Er hat die Parole gesagt“, erklärte der zweite Jesuit erstaunt. Auch seine Blicke richteten sich auf die Tür des Hauses. Er blinzelte, als stäche die Farbe der Tür in seine Augen.

„Wir sind Pilger in einem gottlosen Land“, sagte der erste Jesuit.

„Kommen Sie herein. Schnell, schnell“, erwiderte der Mann und schloss das Fenster.

„Grün!“, sagte der zweite Jesuit. „Und Sie dachten, sie wäre rot.“

Sie dachten, sie wäre blau!“

„Blau ist näher an Grün als an Rot.“

„Wenn der Kerl in diesem Haus die Brieftauben nicht bereithält, werfe ich Sie zur nächsten Relaisstation. Eigenhändig“, sagte der erste Jesuit.

„Ich werde Beschwerde gegen Sie einlegen.“

„Hören Sie“, sagte der erste Jesuit und blieb vor der Tür stehen. „Es ist sinnlos, sich zu streiten. Weder Sie noch ich tun gerne, was wir hier tun. Aber wir haben den ersten Teil der Aufgabe erfüllt – nämlich der Königin einzureden, dass der Papst unbedingt dieses verfluchte Buch haben will. Da können wir auch den zweiten Teil erledigen und Bescheid geben, dass alles nach Plan verläuft. Und danach dürfen wir uns endlich der Mission widmen, den Boden für die Katholisierung dieses Heidenlandes zu bereiten.“

Wem Bescheid geben? Wem?“, stöhnte der zweite Jesuit. „Wissen Sie das? Ich wüsste es gern!“

„Unsere Lehre verlangt Gehorsam“, sagte der erste Jesuit, „und als gehorsam werden wir uns erweisen.“

„Aber wem gegenüber sind wir gehorsam? Wissen Sie nicht, wie man dieses Buch nennt? Gilt unser Gehorsam dem Satan?“

„Omnia Ad Maiorem Dei Gloriam”, erwiderte der erste Jesuit. „Das ist unser Ziel.“

Die Tür wurde aufgerissen, und ihr Kontaktmann spähte heraus. Er warf erneut konspirative Blicke in die Gasse. „Kommen Sie rein. Beeilung, Beeilung!“

Der zweite Jesuit streckte einen Arm aus. „Nach Ihnen, lieber Bruder“, sagte er.

Der erste Jesuit lächelte und zog seinen Ordenskameraden am Ärmel. „Aber nicht doch, mein Bruder. Nach Ihnen. Alles zur höheren Ehre Gottes.“

Sie gingen gleichzeitig durch die Tür. Der Mann aus dem Fenster warf zum letzten Mal seine Verschwörerblicke in die Gasse, dann zupfte er an einem Stück Papier, das er an die Tür geheftet hatte. Mit ungelenken Buchstaben war darauf geschrieben: OAMDG SJOmnia Ad Maiorem Dei Gloriam Societas Jesu. Jemandem, der nicht zum Orden der Jesuiten gehörte, wäre der Zettel mit seinen beiden Akronymen niemals aufgefallen. Andererseits …

„Idioten“, murmelte der Mann, zerknüllte den Zettel und schloss die Tür.

Die Erbin der Teufelsbibel

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