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Brüder und das schwierige Verhältnis zu Juden

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Zur Judenfrage hatten nicht wenige Christen der Christlichen Versammlung eine, vorsichtig gesagt, eigenartige Argumentation, wenn es in der christlichen Jugendzeitschrift Die Tenne 1934 heißt: „Schritt für Schritt erfolgte so die Durchdringung der Nationen mit jüdischer Art und jüdischem Geist. Dieses Volk stand ja unter dem Fluch und sollte auch ein Fluch sein und werden. Denn Gott sorgt dafür, dass sein Wort eintrifft.“27 Der Verfasser, Major a. D. Freiherr Fritz von Kietzell, damals wohnhaft in Berlin, war seit 1926 Schriftleiter der Tenne. An anderer Stelle heißt es: „Geht nicht von diesem Volke heute ein alles durchdringender, alles zu Grunde richtender Einfluß aus, auch in sittlicher Beziehung? Zweifellos, denn wer schwere Schuld auf sich lud, wer unter den Fluch gekommen ist, wird seiner Umgebung zur Last sein […]“28 In einem Beitrag über die Rückkehr der Juden nach Palästina spricht man in der Tenne von der „Säuberung Deutschlands von den staatsfeindlichen, insbesondere von den eingewanderten jüdischen Elementen“29.

Fritz von Kietzell, dem ehemaligen Major des Königlich Preußischen Heeres, werden – wie mehrheitlich auch dem (Schwert-)Adel – die straffe Zucht und das männliche Auftreten der nationalen Bewegung näher gelegen haben als das demokratisch gewählte Parlament der Weimarer Republik. Dennoch zeigte er zunächst Zurückhaltung gegenüber den positiven Leserbriefen zur NSDAP und argumentierte ausweichend. Ein Christ habe es überhaupt mit keiner Partei zu tun. Zwar war auch er der Meinung, dass Gott die NSDAP zur Zurückdrängung der bolschewistischen Gottlosigkeit benutze, aber das wolle er ganz Gott überlassen. Deshalb weigerte er sich, gegen die NSDAP eine klare Stellung zu beziehen, und stellte seinen Artikel unter das Motto: „Was haben wir damit eigentlich zu tun?“30

Inzwischen hatte die NSDAP unter den jungen Gläubigen etliche Anhänger gefunden. Das musste auch Die Tenne einräumen, „daß viele aus unseren Reihen, besonders aus der Jugend, der jungen, mächtig aufstrebenden Bewegung zuneigen. Ein ungeheurer Schwung geht von dort aus, der viele in seinen Bann zieht.“31 1934 erschien das erste Hitler-Bild in der Tenne.

Während die NSDAP in christlichen Kreisen einerseits Anhänger fand, wurde auf der anderen Seite auch Kritik laut. Um dem entgegenzuwirken, schrieb Christian Schatz in einem Rundbrief vom 26.05.1933: „Es wird ernstlich abgeraten, junge Brüder, die der SA (Sturmabteilung)32 oder SS (Schutzstaffel)33 angehören, zu beeinträchtigen […] Wir haben auch als Christen dem Staate gegenüber eine tätige Verantwortung. Vielleicht sind wir in der Vergangenheit in dieser Beziehung, beeinflusst durch unsere englischen Brüder, doch zu weit gegangen.“

Männer in leitender Position der Brüdergemeinden wollten entweder nicht zur Kenntnis nehmen, was politisch auf sie zukommen würde, oder waren nicht dazu in der Lage. Immerhin hatte sich Die Tenne in ihrer Ausgabe 12, 15.06.1931, in dem Beitrag Zeichen der Zeit mit dem Hinweis auf Mein Kampf kritisch geäußert. Wer Mein Kampf gelesen hatte, konnte Hitlers Programm kennen. Das traurige Erwachen kam erst mit dem Verbot der Christlichen Versammlung. Fritz von Kietzell führte nun eine Kommission an, welche die Christliche Versammlung gegenüber dem Staat vertreten sollte. Im Januar 1935 hatte er ein von dem Reichsministerium für kirchliche Angelegenheiten gewünschtes Exposé eingereicht. Dabei erwies sich die Judenfrage als schwieriges Problem, sodass wegen des zunehmenden Antisemitismus der Dienst von Brüdern jüdischer Abstammung nicht mehr erwünscht war. Man teilte die Vorstellung, dass die Juden ein Fluch für die Nation geworden seien.

Bei der Meinungsbildung der christlichen Jugend spielte Die Tenne eine wichtige Rolle, auch wenn Politik erklärt wurde, unter anderem im Zusammenhang mit den Nürnberger Rassegesetzen. Dabei bezog sich die Jugendzeitschrift auf das Vorwort einer Veröffentlichung mit dem Titel Die Nürnberger Gesetze über das Reichsbürgerrecht und den Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre von Dr. jur. Bernhard Lösener, Ministerialrat, und Dr. jur. Friedrich U. Knost, Reichsregierungsrat, im Reichs- und Preußischen Ministerium des Inneren. In dem 1936 im Verlag Franz Vahlen erschienen Band heißt es:

„[…] Gerade von den überzeugten Zionisten ist deshalb am wenigsten Widerspruch gegen die Grundgedanken der Nürnberger Gesetze erhoben worden, weil sie einmal wissen, daß diese Gesetze auch für das jüdische Volk die einzig richtige Lösung darstellen, und weil sie ferner wissen, daß sich das wieder zum Bewußtsein seiner selbst erwachte deutsche Volk damit nur eben die Gesetze gegeben hat, die sich das jüdische Volk schon vor Jahrtausenden gegeben hat (siehe Buch Esra), und die es stark gemacht haben zu dem völkischen Wunder, sein Blut unverfälscht und rein zu erhalten, obwohl alle seine Glieder unzählige Generationen hindurch inmitten fremden Volkstum gelebt haben. Man sollte meinen, daß gerade der reinblütige Jude für die Rassengesetze des neuen Deutschland ein gewisses Verständnis hat […]“

Dieser Beitrag, so zynisch er war, wurde damals zur allgemeinen Beruhigung der Christen in der Tenne abgedruckt, allerdings mit einer ungenauen Quellenangabe. Da mich der Kommentar für mein vorletztes Buch34 interessierte, habe ich lange nach der richtigen Quelle gesucht und sie über die Bibliothek des Justizministeriums NRW schließlich im Landesarchiv NRW gefunden.

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