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Rassenhygiene und Priester-Gen
ОглавлениеWenn sich die bibelkundigen Autoren auf das Buch Esra beziehen, muss man allerdings feststellen, dass zumindest nach heutigen Maßstäben auch in Israel Rassenhygiene gängige Praxis war, wenn man zum Beispiel Esra 9,1-10,44 liest. Heute wäre das undenkbar, Frauen und deren Kinder anderer Nationen und Glaubensrichtungen in die Wüste zu schicken, einfach wegzujagen und diese damit einem ungewissen Schicksal auszusetzen. Wie sollte ich das anders nennen als Rassenhygiene? Wenn zu Anfang des Matthäus-Evangeliums in der Genealogie die komplette Ahnenreihe von Abraham bis Christus – dreimal vierzehn Geschlechter – aufgeführt werden, könnte auch dort von einer reinen Rasse gesprochen werden, auf die man offensichtlich stolz war. Irritierend ist nur, dass als Letzter in der Ahnenreihe Joseph, der Mann der Maria, genannt wird, der Jesus aber nicht gezeugt haben soll. Da erleiden die vererbten Gene einen jähen Abbruch.
Selbst heute ist unter manchen Juden der Glaube an die reinrassige Herkunft noch fest verwurzelt. Auf der Suche nach den Ursprüngen des jüdischen Volkes entdeckten US-amerikanische Gen-Forscher mithilfe von Speichelproben anscheinend ein Priester-Gen, mit dem mutmaßlich schon der Moses-Bruder Aaron ausgestattet war. Etwa fünf Prozent der jüdischen Bevölkerung bezeichnen sich als Kohanim – Nachfahren der alten jüdischen Hohepriester-Kaste. „Entdeckt die Macht Eurer Gene“, fordert das Stammhaus der Leviten, aus dem die Kohanim stammen, im Internet auf: „Das einzigartige Gen, das alle Kohanim verbindet, macht uns zur einzigen authentischen königlichen Linie in der menschlichen Geschichte.“35 Vielleicht aber ist das nur ein einträgliches Geschäft. Denn wer sollte das genetische Vergleichsmaterial von Aaron ausgegraben haben? Eine andere Entdeckung kommt jüdischen Genealogen weniger gelegen: Ihr Volk stammt aus demselben Genpool wie die Araber.
Die Ironie der Geschichte ist: Genetisch/ethnisch unterscheiden sich Israelis beziehungsweise Juden nicht von ihren Nachbarvölkern oder der Bevölkerung ihrer Gastländer. Juden sind in erster Linie eine Religions- und Kulturgemeinschaft. Dass sie darüber hinaus in Abgrenzung der sogenannten arischen auch als Rasse gelten sollten, lag im Interesse der Nationalsozialisten. Der Humangenetiker Prof. Otmar von Verschuer schrieb 1937 in Forschung zur Judenfrage, er verwerfe die Vorstellung, Juden seien von Nichtjuden an der Nasenform oder der Blutgruppe zu unterscheiden. Stattdessen deutet seine Auffassung von der „vergleichenden Rassenpathologie“ darauf hin, dass einzelne Krankheiten in der jüdischen Bevölkerung verbreiteter seien als in der nichtjüdischen.