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5 Lauschen

Lauschen hat im Kontext der Meditation nichts mit dem Vorgang des Hörens zu tun, sondern meint eine Haltung, in der wir eine reine Form der Aufmerksamkeit praktizieren. Wir richten dabei unseren Fokus nicht mehr auf die Erfahrungsobjekte im Geist wie das Atmen, Spüren oder Denken, sondern wir sind ungerichtet aufmerksam – Aufmerksamkeit pur. Die Erfahrungsobjekte treten in den Hintergrund und das Aufmerksamsein selbst rückt in den Vordergrund unseres Erlebens. Die Wirkung ist ein intensives Empfinden von Dasein – ein formloses Feld von SEIN. Hier erfahren wir eine Präsenz, die frei von allen Erfahrungsobjekten ist.

Ein Hilfsmittel, um einen Zugang zum Lauschen zu bekommen, ist das systematische Sich-Konzentrieren auf die Zwischenräume von Erfahrungsobjekten. Wir lenken dabei bewusst den Fokus der Aufmerksamkeit auf die Leere zwischen den Objekten. Zum Beispiel achten wir auf die Pausen zwischen den Atemzügen oder auf die Lautlosigkeit zwischen den Geräuschen oder die Pausen zwischen Gedanken.

Wenn wir uns ganz auf Zwischenräume und die Leere darin konzentrieren, verweilen wir in einem Zustand von reiner Aufmerksamkeit und die Präsenz verdichtet sich. Je unmittelbarer es uns gelingt, zu lauschen, desto tiefer tauchen wir in ein ungerichtetes, formloses Aufmerksamsein ein und empfinden dabei eine zeitlose, unberührte Stille.

Dieser Vorgang wird auch das „Schauen ins nackte Sein“ oder das „Lauschen in die Stille“ genannt.

Die 4 Grundaspekte der Meditation ergänzen einander und gehen ineinander über:

Sein-Dürfen lässt uns entspannen und im Augenblick da sein. Wir werden mit der Zeit gegenwärtiger. Das Gegenwärtigsein führt uns automatisch zu einer Offenheit und in eine Hingabe an den Augenblick. Und beides: Gegenwärtigsein und Offenheit führen uns zu einer Sammlung im Augenblick, die es uns ermöglicht, das Aufmerksamsein selbst in den Vordergrund zu rücken. Je tiefer wir in das Lauschen eintauchen, desto intensiver erfahren wir eine zeitlose Stille, die der Urgrund aller Erscheinungen ist.

Wenn wir diese 4 Aspekte der Meditation verinnerlicht haben, können wir je nach momentaner Beschaffenheit unseres Geistes den einen oder anderen Aspekt in den Vordergrund stellen und uns auf diese Weise angemessen auf die augenblickliche innere Verfassung beziehen:

Zu Beginn der Meditation macht es Sinn, sich zunächst das „Sein-Dürfen“ bewusst zu machen. Wenn unsere Aufmerksamkeit erlahmt oder wir müde und zerstreut sind, ist es hilfreich, das Gegenwärtigsein zu vertiefen und das Etikettieren zu nutzen. Bei Widerständen tun wir gut daran, uns an das Offensein zu erinnern. Wenn sich unsere Sammlung vertieft und mühelos wird, können wir das Etikettieren lassen und in das reine Lauschen übergehen. Wenn wir zu viel erreichen wollen und sich dadurch Anstrengung oder Frustration einstellt, sollten wir zum „Sein genügt“ zurückkehren.

Lass zu den folgenden Grundhaltungen jeweils spontan aus dem Körper heraus eine Gebärde2 auftauchen und erforsche, wie sich das Erleben anfühlt, wenn du in diese Gebärde hineinschlüpfst:

• Einfach sein, sich sein lassen, angenommen sein

• Da sein, anwesend sein, wach sein

• Offen sein, sich hingeben, dienen

• Lauschen, ganz Lauschen sein

2 Eine Gebärde ist ein spontaner Körperausdruck, der ein bestimmtes Erleben körperlich-seelisch zugänglich macht. Wenn wir zum Beispiel an Demut denken, würden wir uns wahrscheinlich spontan verneigen. Eine Verneigung ist mehr als eine Geste. Wenn wir sie in Achtsamkeit vollziehen, vermittelt sich uns das Gesamtgefühl zu dieser Geste.

Nach innen lauschen

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