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13 Lauschen als Instrument

Um uns auf das Gewahrsein einzustimmen, steht uns noch ein anderes Instrument zur Verfügung: das Lauschen. Lauschen ist ein unmittelbares und ungerichtetes Aufmerksamsein, das die Kraft hat, uns mit dem Gewahrsein in Einklang zu bringen.

Wenn wir zum Beispiel einer Musik lauschen, die wir lieben, haben wir eine besonders sensitive, wache Aufmerksamkeit. Wir sind dann ganz präsent im Zuhören. Gegenwärtigsein, Konzentration, Interesse und wirkliches In-Verbindung-Sein mit der Musik, also alle Qualitäten, die wir in der Praxis der Meditation nähren wollen, entfalten sich hier auf eine sehr natürliche, mühelose Weise.

Die Kraft des Lauschens erfahren wir im unvoreingenommenen Zuhören. Dieses Zuhören ist ein Vorgang, bei dem wir uns für das öffnen, was der andere uns mitteilen will. Ohne Offenheit können wir nicht zuhören. Wir hören dann nur unsere eigenen Gedanken und Meinungen. Dabei ist Lauschen noch mehr als Zuhören. Lauschen ist ein Zuhören mit einer hohen Sensitivität und mit einer gesteigerten Aufmerksamkeit. Wenn wir einer Musik oder einer Erzählung lauschen, dann bekommen wir auch die feinsten Nuancen mit.

Den Unterschied zwischen Hören und Lauschen kennen wir alle: Wie erleben wir es, wenn wir den Regentropfen zuhören und wie, wenn wir ihnen lauschen? Wie erfahren wir es, wenn wir jemandem zuhören, und wie, wenn wir seinen oder ihren Worten lauschen?

Beim Lauschen entsteht eine Intensität im augenblicklichen Erleben, ein waches Lebendigsein. Unsere Selbstgespräche schweigen und wir sind unabgelenkt und ganz offen. Wir werden zu einem Gefäß, zu einem offenen Raum, in dem alles sein kann. Beim Lauschen entstehen die gleichen grundlegenden Qualitäten, die auch das Gewahrsein hat: Offenheit, Annahme, Präsenz, Verbundenheit. Daher ist das Lauschen ein wesentliches Instrument, uns an das Gewahrsein zu erinnern und uns mit ihm in Einklang zu bringen.

Wenn wir im Kontext von Meditation vom Lauschen sprechen, ist nicht nur das Hören wie im normalen Sprachgebrauch gemeint. Es bezieht sich auch nicht auf unsere anderen Sinne, sondern auf das Aufmerksamsein selbst. Normalerweise konzentrieren wir uns beim Lauschen immer auf ein sinnliches Objekt, zum Beispiel eine Musik. Hier aber meint Lauschen, dass wir unsere Aufmerksamkeit auf nichts Bestimmtes richten, sondern sie ungerichtet und weit lassen. Reines Aufmerksamsein mit einer gesteigerten Sensitivität – offen, empfänglich und ungerichtet.

Durch die Offenheit und Bedingungslosigkeit dieses ungerichteten Lauschens bringen wir unseren Geist in die gleiche Verfassung wie beim Gewahrsein. Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass zwischen dem Lauschen und dem Gewahrsein ein subtiler Unterschied besteht. Lauschen beinhaltet noch eine gewisse Aktivität, das Gewahrsein selbst nicht. Gewahrsein ist spontan und frei von jeder Aktivität. Lauschen geschieht nur manchmal, Gewahrsein jedoch immer. Ist es doch die Grundlage jeglicher Erfahrung. Trotzdem ist das Lauschen ein wirkungsvolles Instrument, uns auf das Gewahrsein einzustimmen und dieses mehr und mehr auf eine natürliche, anstrengungslose Weise ins Bewusstsein zu bringen.

• Wie ist deine Erfahrung, wenn du einer Musik lauschst? Welche Qualitäten stellen sich in deinem Geist ein?

• Wie ist deine Erfahrung, wenn du auf die Stille im Raum lauschst? Welche Qualitäten stellen sich dann in deinem Geist ein?

• Lass die Worte „empfänglich sein“ in dir klingen. Nimm eine Körperhaltung dazu ein und erforsche dein Erleben dabei.

Nach innen lauschen

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