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10 Dem Leben vertrauen

Meditation heißt, dem Pfad der Gegenwart zu folgen. Wir lassen uns dabei nicht von einer spirituellen Lehre leiten oder einem/r Meditationslehrer/in, auch nicht von unseren Vorstellungen und Ansprüchen, sondern vom konkreten Leben, das sich uns von Moment zu Moment offenbart. Wir folgen Schritt für Schritt der Gegenwart. Der Weg entsteht im gegenwärtigen Augenblick vor unseren Augen.

Der innere Pfad, der uns leitet, bildet sich erst im Gehen. Er steht noch nicht fest und niemand kann den Weg vorhersagen. Nicht einmal wir selbst. Woher auch könnten wir wissen, welche Empfindung, welches Geräusch oder welcher Gedanke als Nächstes in uns auftauchen will?

Wenn wir im Nebel gehen und keine zwei Schritte weit sehen können, wie bewegen wir uns fort? Wir können immer nur den nächsten Schritt wagen, uns auf diesen einen nächsten Schritt einlassen, dem einen nächsten Schritt vertrauen. Wenn wir nicht wissen, welche Erfahrung in der Meditation als Nächstes in uns auftaucht und alle Vorstellungen beiseite lassen, können wir auch hier nur der nächsten Erfahrung, die in der Gegenwart auftaucht, vertrauen. Immer dem einen nächsten Schritt vertrauen, ihn zulassen, ihm folgen und uns führen lassen von der tatsächlichen Erfahrung, die jetzt entsteht und jetzt und jetzt …

Wir vertrauen darauf, dass durch das Zulassen des nächsten Schrittes … und wieder des nächsten … ein Weg entsteht, der uns leitet und uns immer weiter führt. So vertrauen wir uns einer inneren Führung an, die aus der Gegenwart entsteht und einen tiefen Kontakt mit uns selbst entstehen lässt. Schritt für Schritt kommen wir zu uns selbst und darüber hinaus zu unserer innersten spirituellen Wahrheit. Es ist, als ob wir dem Leben die Hand reichen und sagen: „Ich bin blind und kenne den Weg nicht. Bitte führe mich!“

Die innere Führung kann sich nur entfalten, wenn wir uns anvertrauen. Wie kann uns jemand führen, wenn wir glauben, dass wir es besser wissen, wohin der Weg geht? Das wird bestenfalls ein Kampf, aber bestimmt kein anmutiger Tanz. Tanzen ist die Kunst, sich hinzugeben und sich führen zu lassen. Wenn wir uns innerlich nicht anvertrauen und uns führen lassen, wird unsere Meditation zu einem inneren Machtkampf: „Jetzt soll es in mir ruhig werden. Jetzt sollen die Gedanken aufhören. Jetzt soll die Verspannung in der Schulter sich auflösen …“

Sich-führen-Lassen ist jedoch vollkommen anders. Es ist eine Haltung von Offenheit und Hingabe. Eine Hingabe an das Jetzt. Unser Tanzpartner in der Meditation ist das Leben selbst. Dabei meint der Begriff „Leben“ hier nichts Abstraktes, sondern etwas sehr Konkretes: Es geht nämlich um das jetzige Leben, um diesen Augenblick. Das Leben steht wie ein richtiger Tanzpartner ganz konkret vor uns und reicht uns die Hand.

Können wir diesem Atemzug, diesem Hören und diesem Gefühl, wie immer wir es gerade empfinden, die Hand reichen und uns führen lassen?

• Stell dir vor, du tanzt mit dem Leben und lässt dich vertrauensvoll führen. Schlüpf körperlich in diese Haltung hinein und erforsche das Erleben dabei.

• Wie erfährst du es, aus dieser Haltung heraus zu meditieren?

• Was hindert dich innerlich daran, dem gegenwärtigen Moment zu vertrauen?

Nach innen lauschen

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