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a) Der Kontext des „wahren“ Gesetzeszweckes
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Die teleologische Auslegung erschließt den Regelungszweck des Gesetzes, so wie er sich dem Interpreten – idealerweise: auch unter Berücksichtigung weiterer Kanones, nicht selten aber: kraft seiner vermeintlich überlegenen Erkenntnis – darstellt. Dahinter steht der Gedanke, dass der Gesetzgeber Normen so gestalten bzw. verstanden wissen möchte, dass die mit dem Gesetz bzw. der einzelnen Norm verfolgten Ziele möglichst gut erreicht werden. Soweit – wie häufig – durch die Förderung eines dieser Ziele andere an sich schützenswerte Interessen zwangsläufig beeinträchtigt werden, kann der teleologische Kontext auch Anhaltspunkte dafür geben, wie restriktiv eine Norm zum Nutzen dieser anderen Interessen noch ausgelegt werden darf, ohne dass der Regelungszweck der Norm gefährdet wird. In Fällen, in denen dabei die Anwendung einer Vorschrift gewissermaßen über die Wortlautgrenze hinaus zurückgenommen wird, wird üblicherweise nicht mehr von teleologischer Auslegung, sondern von einer teleologischen Reduktion gesprochen.[86]
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Solche teleologischen Erwägungen liegen natürlich auch anderen Argumenten teilweise zu Grunde, so dass sich Überschneidungen ergeben: So können historisch-genetische Auslegung oder Systematik auf einen bestimmten Sinn hindeuten, der dann als Argument für oder gegen eine Lesart herangezogen wird. Die teleologische Auslegung soll aber nach traditionellem Verständnis auch einen Rückgriff auf Regelungszwecke zulassen, die weniger spezifisch zum Ausdruck gebracht und dem Gesetz eher vom Interpreten nach seinem Verständnis zugebilligt werden. Dies macht die teleologische Auslegung nicht nur besonders anfällig für den Einfluss eigener rein subjektiver Anschauungen des Rechtsanwenders, sondern auch jeweils eine genaue Prüfung erforderlich, ob durch den Rückgriff auf ein vermeintliches Telos nicht andere, normtextnähere Kontexte vernachlässigt werden.[87] Außerdem ist auch der Schritt hin zur Annahme eines bestimmten Regelungszweckes plausibel zu machen, weshalb die teleologische Auslegung eigentlich auch bereits den komplexeren, zusammengesetzten Schlussformen zuzuordnen ist.