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2. Zur Abgrenzung: Strafrahmenorientierung und allgemeine Folgenorientierung

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Bevor im Anschluss das formale Verhältnis der „strafrahmenorientierten Auslegung“ zu den klassischen Auslegungstopoi (unten 3. [Rn. 75 ff.]), ihre inhaltliche Berechtigung (unten 4. [Rn. 86 ff.]), aber auch die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit (abschließend 5. [Rn. 94 ff.]) dargestellt werden,[169] ist sie begrifflich kurz von der auf den ersten Blick ähnlich klingenden sog. „folgenorientierten Auslegung“ abzugrenzen: Bei dieser geht es – bei allen Unterschieden verschiedener Ausgestaltungen im Detail[170] – um die Empfehlung an den Rechtsanwender, „bei der Gesetzesauslegung die gesellschaftlichen Folgen der Auslegung zu berücksichtigen und gegebenenfalls die Auslegung an ihren Folgen zu korrigieren“.[171] Betrachtet werden also die Realfolgen staatlichen Handelns.[172]

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Auch eine solche Betrachtung ist dem Strafrecht nicht fremd. Bei Sanktionsentscheidungen werden standardmäßig die – erwünschten oder auch unerwünschten – Auswirkungen einer nicht (vollstreckbar) verhängten, kurzen oder auch langen Freiheitsstrafe berücksichtigt. Und wenn etwa über die Frage einer Organisationszuständigkeit bei einem Fahrlässigkeitsdelikt zu entscheiden ist,[173] sollte natürlich darüber nachgedacht werden, welche organisatorischen Schritte bei wem geleistet werden können und welche Konsequenzen es haben wird, einen bestimmten Personenkreis in diese Organisationsverantwortung einzubeziehen oder ihn aber außen vor zu lassen. Man wird solche Gedanken der teleologischen Auslegung zuschlagen müssen, da es um die Frage geht, ob es Sinn und Zweck der Vorschrift ist, auch solche Folgen zu vermeiden oder nicht. Mit einer strafrahmenorientierten Auslegung hat das Vorgehen aber nichts zu tun: So ist die eingangs erwähnte Frage nach § 263a StGB beim Bankomatenmissbrauch unabhängig davon zu beantworten, ob die Täterin einen lebensuntüchtigen Ehemann hinterlässt, der ohne sie nicht weiß, wie er außerhalb der Öffnungszeiten seiner Hausbank an Bargeld kommt, oder nicht. Allein durch das Bewusstsein der Tatsache, dass mit einer längeren Freiheitsstrafe die Gefahr von negativen Sekundärfolgen tendenziell wachsen dürfte, bekommt die strafrahmenorientierte Auslegung noch keinen empirisch-sozialwissenschaftlichen Bezug. Deshalb sprechen auch Einwände gegen das generelle Konzept der Folgenorientierung, die auf der Problematik der konkreten Folgenabschätzung und -bewertung basieren,[174] nicht auch gegen eine strafrahmenorientierte Auslegung.

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