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b) Verhältnis zur historisch-genetischen Auslegung
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Für die historisch-genetische Auslegung lassen sich anschauliche Beispiele aus der letzten großen Strafrechtsreform durch das 6. StrRG 1998 anführen (das im Übrigen explizit auch der Strafrahmenharmonisierung dienen sollte[178]). In beiden Fällen wird dabei die Behauptung, eine Gesetzesänderung habe den Anwendungsbereich des Verbots erweitert, darauf gestützt, dass die Mindeststrafe herabgesetzt wurde.
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So begeht nach § 250 Abs. 1 Nr. 1b StGB in seiner heute geltenden Fassung einen schweren Raub u.a., wer bei der Tat „sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden.“ In der zur Vorgängerfassung umstrittenen Frage, ob auch eine Scheinwaffe ein taugliches Tatmittel des schweren Raubes darstellt, hat sich der größte Teil der Literatur der Rechtsprechung angeschlossen und bejaht dies nunmehr.[179] Neben – zugegebenermaßen entscheidenderen – entsprechenden Erläuterungen des Gesetzgebers[180] und der systematischen Unterscheidung zwischen „Waffen und anderen gefährlichen Werkzeugen“ in Nr. 1a sowie „sonstigen Werkzeugen“[181] in Nr. 1b kann dabei auf die Absenkung der Mindeststrafe von fünf auf drei Jahre verwiesen werden. Ein früher gerne vorgebrachter Einwand dahingehend, eine Mindeststrafe von fünf Jahren sei für das Mitführen bloßer Scheinwaffen zu hoch, wurde damit zumindest abgeschwächt.
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Vergleichbares wird für die besonders schwere Brandstiftung § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB vorgebracht: Diese setzt voraus, dass der Täter einer Brandstiftung „in der Absicht handelt, eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken“. Vor allem am Beispiel der Brandlegung zur Ermöglichung eines Versicherungsbetrugs wurde nach der Neuerung heftig diskutiert, ob weiterhin die zu § 307 Nr. 2 StGB a.F. vertretene Einschränkung gelte,[182] dass der Täter gerade die Allgemeingefahr und die damit verbundene Panik bei einem Feuer für seine Tat ausnutzen müsse. Der BGH hat – unter Billigung eines Teils der Literatur – eine solche restriktive Auslegung, die eine Anwendung bei späteren Versicherungsbetrügereien nach einer „warmen Sanierung“ praktisch immer ausschließen würde, nicht mehr für nötig erachtet.[183] Dabei argumentiert er u.a. auch mit der Gesetzesbegründung, nach der die Erweiterung der Qualifikationsmerkmale mit der Herabsetzung der Mindeststrafe gegenüber § 307 StGB a.F. von zehn auf fünf Jahre korrespondiere.[184]
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Mit Blick auf beide Beispiele gilt: Das Strafrahmen-Argument ist vor allem dann stichhaltig, wenn wie in den genannten Beispielen zusammen mit den Strafrahmenreduzierungen auch Änderungen des Tatbestandes erfolgt sind, die eine solche weitere Auslegung zumindest zulassen. Bleibt dagegen die Tatbestandsformulierung unverändert und wird etwa in den Materialien die Erhöhung der Strafdrohung damit begründet, dass der Gesetzgeber einen besseren Schutz für erforderlich hält,[185] lässt sich historisch-strafrahmenorientiert eine zukünftig engere Auslegung nur schwer begründen.[186] Vorstellbar wäre allenfalls, dass der Strafrahmen irgendwann so hoch wird, dass aus strafrahmenorientiert-teleologischen Gründen generell eine restriktivere Auslegung geboten ist – dies ist dann aber keine Frage der historisch-genetischen Auslegung mehr.