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2. Eindeutigkeit der Verknüpfung und Umfang der Akzessorietät

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a) Die Verknüpfung der Blankett‑ mit der Ausfüllungsnorm muss als solche ebenfalls i.S.d. Art. 103 Abs. 2 GG ausreichend bestimmt sein. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Ausfüllungsvorschriften durch das Blankettmerkmal immer konkret mit Paragraph und Absatz oder gar mit Fundstelle im offiziellen Publikationsorgan genannt werden müssten[31]. So ist auch der abstrakte Verweis in §§ 283, 283b StGB auf „handelsrechtliche Buchführungspflichten“ völlig ausreichend. Zu unbestimmt ist eine Verknüpfung nur dann, wenn sich nicht ermitteln lässt, welche gesetzlichen Vorschriften gemeint sein könnten. Dies käme etwa dann in Betracht, wenn eine Strafvorschrift schlicht den Verstoß gegen „gesetzliche Pflichten als Arbeitgeber“ pönalisieren würde.

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Die exakte Nennung der Ausfüllungsnorm birgt sogar eher die Gefahr von Fehlverweisungen. Diese kommen immer wieder vor und lassen sich aufgrund des strafrechtlichen Analogieverbots auch nicht in sinnvolle Verweisungen umdeuten. So führten gesetzgeberische Versäumnisse in § 406 Abs. 1 SGB III i.d.F. vom 23. Dezember 2002[32] sowie bei den §§ 10, 11 Abs. 1 Nr. 1 SchwarzArbG i.d.F. vom 23. Juli 2004[33] zu ungewollten Strafbarkeitslücken bei der illegalen Beschäftigung von Ausländern[34]. Erst recht wenn unterschiedliche Normgeber beteiligt sind, können solche Abstimmungsfehler entstehen: Zahlreiche Beispiele finden sich bei Europarechtsblanketten, etwa zu Rechtsakten über die Weinherstellung[35], den Artenschutz[36] oder mehrfach im Zusammenhang mit den §§ 8, 8a FahrpersonalG und §§ 22 ff. FahrpersonalV, welche in den Jahren 1986 und 2007, nachdem jeweils eine neue europäische Verordnung über Lenkzeiten für Lastkraftwagen ersetzt worden war, nicht rechtzeitig angepasst wurden[37]. Ungewollte Strafbarkeitslücken entstehen dann nicht nur für Taten in den einschlägigen Zeiträumen, sondern diese entfalten gem. § 2 Abs. 3 StGB sogar Rückwirkung (unten Rn. 32).

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b) Weitere entscheidende Fragen stellen sich bei der Normauslegung, die hinsichtlich der ausfüllenden Vorschriften idealerweise akzessorisch zum anderen Rechtsgebiet erfolgen sollte. Problematisch hierbei ist allerdings, dass in anderen Rechtsgebieten mitunter abweichende methodische Grundsätze gelten. So mag im originären, außerstrafrechtlichen Anwendungsbereich der betreffenden Vorschriften im Einzelfall ein immenses Bedürfnis für eine Analogie (oder eine teleologische Reduktion eines Rechtfertigungsgrundes) bestehen, dennoch dürfen die Bezugsnormen, soweit sie Teil der Strafnorm sind, zu Lasten des Täters nicht über ihren Wortlaut hinaus ausgedehnt werden (Art. 103 Abs. 2 GG). Wenn die außerstrafrechtlichen Normen in einen Blanketttatbestand hineingelesen werden, muss schließlich auch das Analogieverbot zur Geltung kommen. Insoweit kann es dann eben doch zu einer gespaltenen Normauslegung kommen, also einer weiten Interpretation für die außerstrafrechtliche Betrachtung und einer engeren für das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht[38], auch wenn dies den Belangen der Rechtssicherheit und Rechtseinheit entgegenläuft. Vorzugswürdig ist es natürlich, dass solche Widersprüche vom Gesetzgeber irgendwann aufgelöst werden[39]. Bis dahin wird man in einigen Fällen die restriktive Auslegung auf die außerstrafrechtliche Geltung übertragen können[40], aber nur, wenn dadurch die außerstrafrechtliche Funktion nicht allzu sehr beeinträchtigt wird. Mitunter gelingt auch eine einheitlich weite Auslegung, wenn bei der strafrechtlichen Auslegung der Merkmale eine wirtschaftlich-faktische Betrachtungsweise zur Anwendung gebracht wird, so z.B. im Außenwirtschaftsstrafrecht im Rahmen der „Bausatztheorie“, die wohl noch mit der Wortlautgrenze des Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar ist[41]. In anderen Fällen ist eine Normspaltung aber als unvermeidbar hinzunehmen; dann wird man die Sanktionsnorm eben so interpretieren müssen, dass sie die Schutzwirkung der außerstrafrechtlichen Norm nur fragmentarisch verstärken soll[42].

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