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3. Besonderheiten bei Blankettverweisungen
auf inländische administrative Normen
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a) Werden Strafblankette durch administrativ gesetztes Recht ausgefüllt, hat dies den Vorteil, dass schneller und flexibler auf neue Entwicklungen reagiert werden kann. Vor Geltung des Grundgesetzes stand es dem Strafgesetzgeber frei, weitestgehend offene Blankette durch Rechtsverordnungen ergänzen zu lassen[43]. So bestimmte etwa die Übertretung in § 366a RStGB i.d.F. vom 26. Februar 1876 schlicht: „Wer die zum Schutze der Dünen und der Fluß- und Meeresufer sowie der auf denselben vorhandenen Anpflanzungen und Anlagen erlassenen Polizeiverordnungen übertritt, wird mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder mit Haft bestraft.“ Generell stellten weder die Reichsverfassung von 1871 noch die Weimarer Reichsverfassung von 1919 Grenzen für die Abtretung von Rechtssetzungsbefugnissen auf[44], „die schrankenlose Delegationsbefugnis des schrankenlosen Gesetzgebers“ stand „außer Zweifel“[45]. Der leichtfertige Umgang mit Rechtssetzungsbefugnissen bereitete allerdings später bekanntermaßen den Weg für das Ende von Demokratie und Rechtsstaat durch das Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933[46]. Unter diesem Eindruck lag es nahe, nach dem Zweiten Weltkrieg bei Schaffung des Grundgesetzes der Delegation von Rechtssetzungsbefugnissen eindeutige Grenzen zu setzen, was auch Folgen für das Blankettstrafrecht hat. Art. 80 Abs. 1 GG und Art. 103 Abs. 2 GG stellen heute weit höhere Anforderungen an den durch parlamentarisches Gesetz zu regelnden Teil des Gesamttatbestands[47].
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Im verfassungsrechtlichen Schrifttum wird mehrheitlich sogar die Ansicht vertreten, bereits aus Art. 103 Abs. 2 GG folge ein Parlamentsvorbehalt für die gesamte Breite des Garantietatbestandes[48]. Strafbarkeiten ließen sich demnach ausschließlich durch förmliche Gesetze i.S.d. Art. 76 ff. GG bestimmen. Ein solch strenges Gesetzesverständnis kann sich allerdings nur auf einzelne, in der Form nicht tragende verfassungsgerichtliche Formulierungen stützen[49]. Der Ansatz hätte bei konsequenter Beachtung auch kaum beabsichtigte Auswirkungen auf bestehende Normgefüge: So kann im Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht allein aus dem Bußgeldblankett des § 24 StVG und der Verordnungsermächtigung in § 6 StVG mit Sicherheit kein verständlicher Gesamttatbestand gebildet werden[50]. Den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG entsprechende Handlungs- oder Unterlassungspflichten werden erst durch Rechtsverordnungen, namentlich die FeV, StVZO und StVO, festgelegt, die sich auch am strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot messen lassen können. Ähnliches lässt sich für das Betäubungsmittelstrafrecht feststellen; dort hängt die Strafbarkeit nach § 29 BtMG auch von administrativ gesetztem Recht ab: Die Entscheidung, ob eine bestimmte Substanz unter die Anlagen I-III zum BtMG fällt, wird gem. § 1 Abs. 2 BtMG mitunter dem Verordnungsgeber überlassen. Verstünde man also Art. 103 Abs. 2 GG konsequent als Parlamentsvorbehalt, so wäre nach real existierender Gesetzeslage entweder die Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten und BtM-Delikten verfassungsrechtlich unzulässig (dagegen aber richtigerweise bereits das Bundesverfassungsgericht[51]) oder man müsste beim Maßstab der Gesetzesbestimmtheit generell ganz erhebliche Abstriche machen. Ein vordergründig strenges Verständnis von Art. 103 Abs. 2 GG bewirkt also genau das Gegenteil und nutzt den Bestimmtheitsgrundsatz im falschen Kontext unnötig ab.
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In zahlreichen Entscheidungen lässt das Bundesverfassungsgericht für Art. 103 Abs. 2 GG ausdrücklich nicht nur Parlamentsgesetze, sondern auch Rechtsverordnungen als Gesetze im materiellen Sinne genügen[52]. Von förmlichen Gesetzen ist eben nur in Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG (selbst vor allem Verfahrensgarantie zum Schutz vor willkürlicher Verhaftung, aber auch Garantie dafür, dass die Strafdrohung als solche im formellen Gesetz enthalten sein muss)[53] die Rede. Die den Tatbestand mitprägenden Rechtsverordnungen müssen allerdings im Rahmen einer dem Art. 80 Abs. 1 GG entsprechenden Ermächtigung ergangen sein. Die Verfassungsnorm, nach der Inhalt, Zweck und Ausmaß einer Verordnungsermächtigung vom parlamentarischen Gesetzgeber festgelegt sein müssen, regelt ganz allgemein die Grenzen administrativer Gesetzgebung. Sie ist die entscheidende Vorschrift, die der Delegationsbefugnis des parlamentarischen Gesetzgebers nach 1949 erstmals Grenzen gesetzt hat. Für das Strafrecht folgt daraus, dass die Festlegung von Art und Maß der Sanktion dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten bleibt. Auf Tatbestandsebene muss der Bundestag die Grundentscheidung[54] darüber treffen, welche Rechtsgüter geschützt und welche Verhaltens- und Schuldformen geahndet werden sollen[55]. Dem Verordnungsgeber dürfen lediglich „Spezifizierungen“[56] (wobei die Anforderungen dafür bisher in der Verfassungswirklichkeit weniger hoch sind, als es die Formulierung vielleicht nahelegt) des Tatbestandes überlassen bleiben. Nur wenn diesen Anforderungen genügt wird, ist die Rechtsverordnung wirksam, und nur mit einer wirksamen Ausfüllungsnorm kann ein dem Art. 103 Abs. 2 GG entsprechender Gesamttatbestand gebildet werden[57]. Wenn jüngst § 10 Abs. 1 und 3 RiFlEtikettG für verfassungswidrig erklärt wurde, weil die Strafbarkeit im parlamentarischen Gesetz nur grob als Zuwiderhandlung gegen EG- bzw. EU-Verordnungen im generellen Regelungsbereich des Gesetzes skizziert wurde, die durch Rechtsverordnung näher zu präzisieren waren[58], ist dies ohne Frage zu begrüßen.
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Für straf- und bußgeldbewehrte Satzungen (vgl. etwa Art. 24 Abs. 2 S. 2 GO-Bayern oder § 209 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) gelten diese Grundsätze mit gewissen Einschränkungen. Das Selbstverwaltungsprinzip ist nämlich an sich Gegenentwurf zur hierarchisch exekutiven Rechtssetzung im Verordnungswege. Grenzen der Verleihung autonomer Rechtssetzungsgewalt ergeben sich hier jedoch aus dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip gem. Art. 20 Abs. 3 GG[59]. Zwar erfolgt die selbstverantwortliche Regelung eigener Angelegenheiten durch parlamentsähnliche Organe; es besteht jedoch die Gefahr der Benachteiligung von Außenseitern. Ferner können die Belange des Volkes als Gesamtheit durchaus vom Gruppeninteresse abweichen.
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b) Was die Eindeutigkeit der Verknüpfung anbelangt, wird bei Rechtsverordnungen und Satzungen vielfach der Gebrauch von Rückverweisungsklauseln als vorzugswürdig angesehen, da so im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG eine bessere Überschaubarkeit von Blankettgesetzen für den Bürger gewährleistet sei[60]. Prominentestes Beispiel ist der Bußgeldtatbestand des § 24 Abs. 1 S. 1 StVG, aber auch Strafvorschriften wie §§ 17 Abs. 1, 19 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 AWG, § 95 Abs. 1 Nr. 2 AMG und § 29 Abs. 1 Nr. 14 BtMG verwenden diese Technik. Wenn man dem Verordnungsgeber aufgibt, seinen Willen zur Blankettausfüllung ausdrücklich erkennen zu lassen, trägt dies sicherlich zur Rechtsklarheit bei. Faktisch geht mit dem allerdings ein nicht unerheblicher Kompetenzzuwachs beim Verordnungsgeber einher. Der Nebeneffekt ist teilweise sogar ausdrücklich erwünscht, da so nicht hinreichend bestimmte, nicht sanktionswürdige oder schon anderweitig abgesicherte Ver- bzw. Gebote leichter von einer Sanktionierung ausgenommen werden könnten[61]. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sollte aber eigentlich bereits vom Parlament beachtet werden, auch die Vermeidung von Wertungswidersprüchen ist ureigene Aufgabe der Legislative. Im Hinblick auf Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG bestand insoweit allerdings bisher nur vereinzelt Problembewusstsein[62]. Je mehr Korrekturmöglichkeiten dem Verordnungsgeber überantwortet werden, desto weniger wird der parlamentarische Gesetzgeber aber Anstrengungen entfalten, die Grundentscheidung darüber, welche Verhaltens- und Schuldformen sanktionswürdig und -bedürftig sind, so weit wie möglich selbst zu treffen. Zweifel an der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Rückverweisungsklauseln müssen jedenfalls dort aufkommen, wo der Exekutive extrem weite Gestaltungsspielräume eröffnet und diese auch genutzt werden, etwa bei § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 14 BtMG. Dort, wo der Verordnungsgeber sogar die Wahl zwischen Bußgeld und mehrjähriger Freiheitsstrafe hat (theoretisch denkbar bei § 17 Abs. 1 AWG und § 19 Abs. 3 Nr. 1 lit. a AWG)[63], werden die Grenzen einer zulässigen Delegation i.S.d. Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG mit Sicherheit überschritten (zum verfassungswidrigen § 10 Abs. 1, 3 RiFlEtikettG a.F. siehe bereits oben Rn. 14 a.E.).