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I. Sorgfaltsanforderungen, Technische Normen
und Technikstandards

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Zahlreiche Normen der Sitte und der Moral verbieten das „grundlose“ Verletzen fremder Interessen. So gilt es als unmoralisch, zu stehlen, andere zu töten, am Körper zu verletzen, fremde Sachen zu beschädigen usw. Derartige Verbote orientieren sich am Leitbild gezielten, d.h. in der Sprache des Rechts: vorsätzlichen Handelns. Verletzungen, die aus Unvorsichtigkeit oder aus Leichtsinn zugefügt werden, werden milder beurteilt, auch wenn sie als moralisches Unrecht angesehen werden. Da, wie oben bereits ausgeführt, unterschiedliche Moralen existieren, und Moralen nur in Ausnahmefällen explizit gemacht werden (etwa in Untersuchungen zur angewandten Ethik oder in standesrechtlichen Ordnungen), herrscht über die bei der Entscheidung über das Vorliegen von „Unvorsichtigkeit“ oder gar „Leichtsinn“ anzuwendenden Maßstäbe oft keine Einigkeit; im Regelfall alltagspraktischer Bewertung wird diese Frage nicht einmal gestellt.

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Strafrecht entstammt meist den gleichen sozialen Normen und Wertungen wie die Sozialmoral einer Gesellschaft.[210] Strafnormen stellen deshalb in der Regel explizit gemachte, durchstrukturierte und rationalisierte Formen von Verbotstatbeständen der Sozialmoral dar. Auch die Strafrechtsdogmatik, also die Analyse der gegebenen Strafrechtsnormen und -praxis mit dem Ziel konsistenter Begriffsverwendung und Systematisierung, geht häufig von den alltagspraktischen Begriffen, Normen und Wertungen aus, macht diese explizit und rationalisiert sie, indem die Alltagspraxis von Widersprüchen befreit und in ein System gebracht wird.[211] Man könnte dies als Prozess „rationaler Rekonstruktion“ bezeichnen. Beispiele derartiger „Rekonstruktionen“ sind etwa die strafrechtswissenschaftlichen Präzisierungen von Alltagskonzepten wie „Handlung“, „Kausalität“, „Notwehr“ oder „Provokation“.

Handbuch des Strafrechts

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