Читать книгу Handbuch des Strafrechts - Robert Esser, Manuel Ladiges - Страница 37
I. Europäisierung und Globalisierung
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Eine erste Herausforderung liegt in der Europäisierung und Globalisierung des Rechts, die mehr und mehr auch das Strafrecht berühren. Unter der „Europäisierung“ des deutschen Strafrechts soll hier das Phänomen verstanden werden, dass immer mehr Elemente des nationalen Strafrechts von Entscheidungen europäischer Normsetzer, sei es das europäische Parlament oder die Kommission, geprägt werden.[226] Teilweise gehen die Vorgaben so weit, dass dem deutschen Gesetzgeber kaum noch Handlungsspielraum verbleibt. Die deutsche Strafrechtswissenschaft steht diesen Tendenzen zu Recht überwiegend skeptisch gegenüber.[227] Kritisiert wird zum einen die schwache demokratische Legitimation vieler derartiger Einflussnahmen, verbunden mit einer deutlich punitiven Tendenz, und die Missachtung zentraler rechtsstaatlicher Grundsätze, etwa des Ultima-Ratio-Gedankens.
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Von der Europäisierung des deutschen Strafrechts zu unterscheiden ist seine Internationalisierung, also die Öffnung gegenüber Einflüssen aus anderen Ländern und Kulturbereichen.[228] Derartige Einflüsse sind grundsätzlich positiv zu bewerten; soweit sie von fremden Strafrechtsordnungen ausgehen, sind sie Gegenstand des Strafrechtsvergleichs. Es existieren jedoch auch grenzüberschreitende Einflüsse, die Bedenken erregen müssen. Vor allem über das Internet ist der Einzelne heute mit einer unüberschaubar großen Menge von Inhalten konfrontiert, von denen zumindest einige unseren kulturellen Standards und Moralvorstellungen, und teilweise auch den Strafnormen des Staates zuwiderlaufen. Das Internet kennt keine nationalen Grenzen. Derartige Erscheinungen geben den alten Debatten über die Notwendigkeit grenzüberschreitender rechtlicher Standards[229] bis hin zu einem „Weltrecht“[230] bzw. „Weltstrafrecht“[231] neuen Auftrieb.
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Bei der Anwendung des eigenen Strafrechts auf ausländische Sachverhalte ist Zurückhaltung geboten; Deutschland würde sich etwa mit der Rolle eines „Internet-Weltpolizisten“ übernehmen. Deshalb sollte auch das internationale Strafrecht (verstanden als nationales Rechtsanwendungsrecht) nicht über Gebühr ausgedehnt werden, etwa über die Umdeutung abstrakter Gefährdungsdelikte in Erfolgsdelikte.[232] Die Probleme, die durch den Zusammenprall unterschiedlicher kultureller Standards und Moralvorstellungen über das Internet entstehen, können nur zu einem geringen Teil mit den Mitteln des Strafrechts bewältigt werden.