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I. Ungeschriebene Sorgfaltsanforderungen

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Dieser „Umsetzungsprozess“ aus der allgemeinen Sozialmoral, aber auch aus bereichsspezifischen Sondermoralen in das Recht findet auch bei der Entscheidung über das Vorliegen von Fahrlässigkeit statt. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt, § 276 BGB. Trotz der außerordentlichen praktischen Bedeutung der Fahrlässigkeitsnormen für das Strafrecht (und ebenso für das Zivilrecht) sind weder die Grundlagen noch die Details der Fahrlässigkeitsverantwortung zufriedenstellend geklärt.[212]

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Die Rechtspraxis geht (hierin wieder eine verbreitete Alltagspraxis aufgreifend und explizierend) häufig von Maßfiguren aus und fragt, wie sich ein „einsichtiger und besonnener Mensch“ in der konkreten Lage des Handelnden verhalten hätte.[213] Derartige Formeln stehen stets unter Zirkularitätsverdacht, weil allzu leicht eine eigene Entscheidung vorweggenommen und aus der heterogenen sozialen Wirklichkeit diejenigen Praktiken als Maßstab herausgegriffen werden, die dem eigenen Vorurteil entsprechen.

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Eine allseits überzeugende Methode zur inhaltlichen Bestimmung des Handlungsunwerts bei Fahrlässigkeitsdelikten steht noch aus.[214] Weitgehend unbestritten ist allenfalls, dass Sorgfaltspflichten dann entstehen, wenn ein Rechtsgut gefährdet erscheint und ein Schadenseintritt durch entsprechend „vorsichtiges“ Verhalten des in Frage stehenden Akteurs vermieden werden kann, dass Sorgfaltspflichten mit der Bedeutung des gefährdeten Rechtsguts und der Wahrscheinlichkeit seiner Verletzung ansteigen und durch Gesichtspunkte wie dem Vertrauensgrundsatz[215] und dem Gedanken des erlaubten Risikos[216] begrenzt werden. Es handelt sich um eine Normsetzung bzw. Normkonkretisierung mit starken rechtsschöpferischen Elementen, die in enger Anlehnung an die Sozialmoral vollzogen wird.

Handbuch des Strafrechts

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