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II. Technische Normen

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In vielen Bereichen haben sich die in Einzelfällen postulierten Sorgfaltsnormen zu gewissen Standards verfestigt. Dies gilt etwa für die Regeln der ärztlichen Kunst.[217] Noch einen Schritt weiter gehen sog. technische Normen. Darunter versteht man private, oft von wirtschaftsnahen Organisationen verabschiedete einheitliche Regelungen, etwa zu technischen Verfahren, Qualitätsstandards, Sicherheit oder zu einer standardisierten Vertragsgestaltung.[218]

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Von technischen Normen zu unterscheiden sind technische Klauseln, also gesetzliche oder vertragliche Verweise auf einen bestimmten Stand der technisch-wissenschaftlichen Erkenntnis. Es lassen sich (mindestens) drei Typen von Technikklauseln unterscheiden: die „allgemein anerkannten Regeln der Technik“, der „Stand der Technik“ und der „Stand von Wissenschaft und Technik“:[219]

1. Allgemein „anerkannte Regeln der Technik“ sind Regeln, die sich aufgrund fortdauernder praktischer Erfahrung bewährt haben und in der Wissenschaft als theoretisch richtig (vorläufig) anerkannt sind[220] (vgl. etwa § 13 Abs. 1 S. 2 VOB/B).
2. Der „Stand der Technik“ (§ 3 Abs. 6 BImSchG) beschreibt technische Möglichkeiten zu einem bestimmten Zeitpunkt, basierend auf gesicherten Erkenntnissen von Wissenschaft und Technik. Im Gegensatz zu allgemein anerkannten Regeln der Technik, bei denen technische Verfahrensweisen bereits Eingang in die betriebliche Praxis gefunden und sich dort bewährt haben müssen, legt der Terminus „Stand der Technik“ geringere Anforderungen zugrunde.[221]
3. Die Formulierung „Stand von Wissenschaft und Technik“ verweist auf neueste, realisierbar erscheinende Ergebnisse wissenschaftlicher und technischer Forschung.[222] Diese Formel wird vornehmlich in atomrechtlichen Vorschriften verwendet, vgl. etwa § 7 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AtomG.
4. Auf EU-Gemeinschaftsebene findet sich auch der Begriff der „besten verfügbaren Technik“. Er entspricht in etwa dem in Deutschland verwendeten Begriff des „Standes der Technik“. Der Begriff wurde durch das Gemeinschaftsrecht der europäischen Union, vor allem durch die sog. IVU-Richtlinie,[223] in das nationale Recht der Mitgliedstaaten eingeführt.[224]

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Eine Verletzung technischer Normen stellt ein starkes Indiz für das Vorliegen eines Sorgfaltsverstoßes i.S.d. Strafrechts dar, ist damit jedoch nicht gleichzusetzen. Es ist denkbar, dass in einer bestimmten Situation (z.B. bei der Herstellung eines Produkts) alle geltenden technischen Vorschriften eingehalten werden, dennoch aber ein Sorgfaltspflichtverstoß anzunehmen ist.[225] Gerade bei neueren technischen Normen wird man allerdings im Regelfall von einem Gleichlauf zwischen technischer Norm und allgemeiner Sorgfaltspflicht ausgehen können.

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