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3.2.1. Das Sykes-Picot-Abkommen 1915-2015

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Eines der langlebigsten Teilungsabkommen der modernen Geschichte, stellt das Sykes-Picot-Abkommen von 1915 dar, welches erst 2015 durch den Vormarsch des Daesch (Islamischer Staat) grundlegend in Frage gestellt wurde. Grundsätzlich handelt es sich um eine Grenzziehung mit Israel, Jordanien und dem Irak auf der Südseite und dem Libanon, Syrien und der Türkei auf der Nordseite dieser Linie.

Vor 1915 war dieses Gebiet auf beiden Seiten dieser Linie Bestandteil des Osmanischen Reichs, welches sich, geschwächt durch den den Verlauf des Ersten Weltkriegs, in endgültiger Auflösung befand, nachdem es bereits seit 1830 wesentliche Herrschaftsgebiete verloren hatte.

Dieses Abkommen war Teil einer dreifachen politischen Lüge. Der britische Hochkommissar und Diplomat Henry McMahon brachte das Kunststück fertig, innerhalb kurzer Zeit das im wesentlichen gleiche Gebiet drei verschiedenen Vertragsparteien zuzusagen. Diese waren: Die Republik Frankreich, der Großmufti von Jerusalem und das Herrscherhaus der Haschimiten. Bekommen hat einen Teil des Gebietet gemäß der Balfour-Deklaration von 1917 letztlich eine vierte Vertragspartei, aus der der heutige Staat Israel hervor gegangen ist. Leidtragende seit damals und bis zum heutigen Tage sind die dort ansässig gewesenen Palästinenser.

Nördlich der vereinbarten Linie sollte das Interessen- und Einflussgebiet Frankreichs und südlich davon Großbritanniens sein. Diese Aufteilung spiegelte sich in den 1920 erteilten Völkerbundmandaten für beide Gebiete wieder. Nach dem zweiten Weltkrieg gingen aus ihnen die o.g. heutigen Staaten hervor. Obwohl die Region seit 1948 immer wieder von schweren Konflikten heimgesucht wird, ist diese Grenzlinie bis 2015 nie revidiert worden. Selbst die Hisbollah, die auf beiden Seiten dieser Grenzlinie operiert, hat dies 40 Jahre lang nicht geschafft. Eine denkbare Ursache hierfür ist, dass der heute religiöse Dualismus zwischen Sunniten und Schiiten erst in jüngerer Zeit wieder verstärkt politisch instrumentalisiert wurde. Folgende Ereignisse beförderten dies:

a) Die Islamische Revolution 1979 im Iran. Ein (aus der Sicht Saudi-Arabiens) befreundeter Monarch (der Schah von Persien), mit dem man auch gerne mal Golf spielen ging, wurde durch eine islamistische Räterepublik, in der sich Elemente der Sozialistischen Sowjetrepublik Iran 1920-1921 wiederfanden, abgelöst.

b) Im Gefolge dessen wurden sowohl der Irak als auch Saudi-Arabien von den USA militärisch, technisch und wirtschaftlich als Gegengewicht aufgebaut, da die USA befürchteten, dass eine ganze Region dieser Ideologie anheim fallen könnte und somit die Öl- und Geschäftsinteressen der USA nachhaltig schädigen würden. Dass die Gegner des schiitischen Irans ganz oder teilweise Sunniten waren, diese Feinheit wurde im Westen teilweise als Spitzfindigkeit abgetan. Abwegiger und folgenreicher hingegen war die im Westen ebenfalls verbreitete Einschätzung, dass die Schiiten von Ideologie zerfressene, gewaltbereite, rückwärtsgewandte, Steinzeitmoslems seien, wohingegen die Sunniten als kooperativ, geschäftstüchtig, weltoffen ,tolerant und vertragsfähig betrachtet wurden. Die Art und Weise, wie sie ihre Frauen und Töchter behandelten, wurde von den alten weißen Männern, die ihre Frauen und Töchter kaum wesentlich weniger autoritär behandelten, nicht als Bestandteil eines grundsätzlichen Problems gesehen. Als Folge dieser Politik fand von 1980-1988 der Erste Golfkrieg statt, der sich im wesentlichen in der iranischen Ölprovinz Chuzestan abspielte.

c) 2003, im Nachgang der Terroranschläge am 11. September 2001, wurde der Irak von den USA überrannt und Saddam Hussein entmachtet und später hingerichtet. Zeit seines Lebens hat er, obschon selber Sunnit, im Zusammenleben der drei Volksgruppen (Kurden, Schiiten, Sunniten) eine nicht immer rühmliche, aber immerhin weitgehend stabilisierende Rolle gespielt, welche nun, da das Land ohne Führung war, fehlte. Die Besetzung des Irak 2003–2011 war eine Zeit des Umbruchs. Geplant war ursprünglich ein Nation building, wie es erfolgreich in Deutschland und Japan nach dem zweiten Weltkrieg stattfand, aber 2011 erfolglos abgebrochen wurde und ein zutiefst, auch religiös, in drei Teile gespaltenes Land zurück ließ.

d) Im Zuge des Arabischen Frühlings kam es 2011 auch in Syrien zu Unruhen. Aufgrund der vorherigen Umstürze in Tunesien und Ägypten war die syrische Herrschaftselite um den Präsidenten Assad allerdings vorgewarnt. Sie hatte sich auf einen innenpolitischen Konflikt besser vorbereiten können, den sie dann auch mit aller Härte führte, so dass ein sofortiger Umsturz nicht gelang. Der seitdem tobende Bürgerkrieg hat das Land in noch weit kleinere zahlreichere Einheiten als im Irak zersplittern lassen. Konsolidierungsbemühungen auf Seiten der kämpfenden Opposition gelangen weitgehend nur auf der radikalen sunnitischen Seite durch den Kriegseintritt des irakischen Zweigs der Al-Qaida in den laufenden Konflikt. Durch die Inkorporierung sunnitischer syrischer Oppositionsmilizen fand eine Umbenennung in Daesch (Islamischer Staat), der 2014 auch ein eigenes Kalifat ausrief, also eine Eigenständigkeit für ein Gebiet postulierte, welches sich beiderseits der Sykes-Picot-Linie über ein Gebiet erstreckt, welches zeitweise die Flächenausdehnung der alten Bundesrepublik Deutschland 1957-1989 erreichte. Die Gegnerschaft des Daesch ist zersplittert in Regierung, Kurden, Islamische Front (auch sunnitisch), Hisbollah (schiitisch), sowie viele, viele kleinere, darunter auch religiöse Minderheiten wie Alawiten, Christen und Jesiden. All dies hat das friedliche Zusammenleben von Schiiten und Sunniten in keiner Weise befördert.

e) Das Iranische Atomprogramm, siehe dazu auch 6.2.2.2.

Die Rivalität und die Blockbildung zwischen Iran und Saudi-Arabien, die in der Levante auch entlang konfessioneller Trennlinien stattfindet, trägt dazu bei, dass diese neuen Konfliktlinien bisherige Grenzziehungen, auch die Sykes-Picot-Linie, auch in ihrer politischen Intensität überlagern und somit ihrer bisherigen befriedenden Funktion berauben.

Das ausgerufene Kalifat ist mittlerweile fast wieder vom Erdboden verschwunden, aber bereits jetzt ist absehbar, dass Länder wie Syrien, Irak, aber auch Libanon, in Zukunft in ihrer bisherigen Form nicht weiterbestehen werden. Diejenigen Kräfte jedenfalls, die die Sykes-Picot-Line als Ursprung der Probleme empfunden haben, dürfen sich nun darüber freuen, dass sie dieses „Problem“ erfolgreich und blutig aus der Welt geschafft haben.

Jalta 2.0

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