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AUSWÄRTSSIEGE VIA ÄTHER

Als minderjähriger Fan durfte ich den Club natürlich nicht in die Ferne begleiten, auch massive Trotzgebärden und diverse Tobsuchtsanfälle halfen nicht. Eine Fahrt in ein fremdes Stadion inmitten gleichgesinnter Intensivunterstützer (teilweise mit Alkoholfahnen, teilweise mit Clubfahnen und manchmal beidem) kam meinen Eltern einem heimlichen Besuch im schmuddeligen Roxy-Kino in der Bahnhofshalle gleich.

So blieb mir nichts anderes übrig, als vor unserem Radio zu kauern, um mitzukriegen, wie das Team sich gegen den FC 08 Homburg, auf dem Betzenberg oder im Westfalenstadion schlug. Diese Truppen gehörten zur Kategorie Gegner, die uns nicht so liegen. Aber egal, jedenfalls war mein Tag bereits nach dem Frühstück nur auf eines zentriert: der Fußballübertragung auf Bayern 1. Es gab damals keine große Auswahl. Sender, die mit haufenweise gutgelaunten Moderatoren auch bei einem verdienten 0:3-Rückstand immer noch Partystimmung verbreiten, waren glücklicherweise noch Zukunftsmusik.

Ich hatte mir aus den Nürnberger Nachrichten alle wichtigen Informationen ausgeschnitten. Aufstellungen, letzte Interviews und die Einschätzung des Trainers zum kommenden Aufeinandertreffen. Die Nürnberger Zeitung kam bei uns nicht ins Haus. Man muss sich im Leben eben entscheiden. Und Zeitungen mit grünen Lettern gingen und gehen bis heute gar nicht. Das sollen die drüben in Fürth lesen, murmelte meine Mutter und ihre Lippen wurden dabei immer ganz schmal.

Ich presste meine Ohren an den Lautsprecher. Noch immer stand es 0:0. So starteten die guten Tage, die aussichtsreichen Auswärtsspiele. Doch dann legte sich diese verdammte unsichtbare Club-Schablone auf die meisten dieser Spiele, die ich via Antenne verfolgte. Kurz vor der Pause das obligatorische 1:0 für den Gegner, der es sich nicht nehmen ließ, gleich noch eins hinterherzusetzen, sodass man überhaupt kein Licht mehr am Ende des Tunnels zu entdecken vermochte. Genauer genommen sah man nicht mal mehr den Tunnel. Ich zerknüllte in dieser aussichtlosen Lage die vorsortierte Lokalpresse und schoss damit wenigstens den Ausgleich, was keinen außer mir im Wohnzimmer zwischen Eichenschrank und Stehlampe interessierte. Und das Schlimmste war die Konferenz. Sowieso schon nahe am Blattschuss musste man mitanhören, wie die Radiofuzzis ins Olympiastadion nach München schalteten, wo gerade das umjubelte 5:1 für die Hausherren fiel. Ich hingegen ließ mich endgültig auf die Couch fallen und heulte ins Clubkissen, was meiner Mutter gar nicht gut gefiel, weil sie dieses in langen fränkischen Wintertagen mühevoll gestickt hatte. Aber es gab auch die seltenen Momente des Erfolgs. Diese besonderen Augenblicke, die ich gerne zaghaft festhalten wollte, damit sie nicht wieder so schnell verschwanden.

Einmal hatte ich etwas zu spät eingeschaltet, weil der Küchenputz auf der Tagesordnung stand. Ohne Mitarbeit im Familienverbund durfte ich den FCN nicht mal im Radio verfolgen – strenge Erziehungsmethoden gab es damals. Der Stapel ungespülter Teller schien kein Ende zu nehmen, der schiefe Turm aus Töpfen mit Essensresten ebenso. Doch irgendwann war es gescha . Radio an. Es meldete sich jemand aus Hamburg, wo der HSV einen Elfer an die Latte knallte. Und dann redete der Hauptsprecher aufgeregt in die Schalte nach Hamburg. Wir müssen schnell rüber nach Kaiserslautern. Da hat sich was getan. Ich hielt den Atem an. Denn dort spielte mein Club. Würde ich gleich tobendes Teufelsgejohle vernehmen? Schon wieder ein viel zu früher Gegentreffer auswärts? Dabei wären Punkte auf fremdem Geläuf angesichts des Tabellenstands doch so eminent wichtig. Ich glaubte meinen Ohren kaum zu trauen. 2:0 für den 1. FC Nürnberg. Ich hatte während des Abwasches den Führungstreffer verpasst und musste erst mal nachrechnen. 2:0 kurz vor der Halbzeit klang gut. Wie Weihnachten und Ostern an einem Tag. Aber ich wollte nicht zu übermütig werden.

Doch es gab ja wie bereits erwähnt die verdammte Schablone. Motto: „Sie vergeigen es doch noch und keiner weiß wie.“ Und in der Tat: Klassischer Anschlusstreffer kurz nach der Halbzeitpause. Darauf, dass der Club nun zwischen der 50. und 70. Minute den ordnungsgemäßen Ausgleich kassieren würde, konnte man sein Häuschen in Feuchtwangen oder die edle Dachgeschosswohnung am Unschlittplatz verwetten. Und zum Schluss darf natürlich das Sahnehäubchen à la Club nicht fehlen: Blutgrätsche eines hüftsteifen Verteidigers in der 89. Minute und Elfmeter gegen uns. Direkt verwandelt. Oder Variation 2, auch gerne genommen: haarsträubender Bock in der Abwehr kurz vor Schluss und darauf ein sehenswertes Eigentor. Wie konnte das nur wieder passieren, würde man anschließend allerorts fragen.

An diesem Tag aber war alles anders. Wir haben mit 3:1 gewonnen – und das sogar haushoch überlegen. Nach solchen Ereignissen wurden bei uns zuhause nicht nur die Nürnberger Nachrichten gelesen, sondern auch die „grüne“ NZ. Denn Erfolgsmeldungen aus der Fremde vom Club lesen sich gleich viel angenehmer. Und ich bekam von meinen Eltern sogar eine seltene Cola spendiert. Natürlich mit dem mahnenden Hinweis: pures Zuckergesöff. Das Roxy-Bahnhofskino blieb für mich Knirps weiterhin ein exotischer Wunschtraum. In meiner Sehnsuchtsskala knapp hinter dem Triple für den Club platziert.

Naus zum Glubb

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