Читать книгу Naus zum Glubb - Roland Winterstein - Страница 18
ОглавлениеKURZER THRILLER IM
TRIKOT (TEIL 1)
Ich hatte es! Es war vollbracht. Fiat Lux. Ich strahlte wie sämtliche fränkische Weihnachtsmärkte zusammen. An meinem Körper klebte endlich ein offizielles Trikot des 1. FC Nürnberg. Zuhause hörte ich bei der Präsentation meines edlen Gewandes: „Für des Geld häst a was anderes kaufen könna.“
Trotz der verweigerten La-Ola-Welle meiner Eltern musste dieses Ereignis natürlich gebührend gefeiert werden. Denn das Emblem auf meinem Herzen fühlte sich gigantisch an – ungefähr so, als ob ein fünftklassiger Amateurverein, den Meister im Pokal zugelost bekam. Meine vereinsinterne Party stieg an einem Sonntagnachmittag im Xenon, einer Nürnberger Diskothek, die für Minderjährige eine Art „Teeparty“, nur mit flotteren Weisen, veranstaltete. Ich also mit meinem Trikot mitten rein ins pubertäre Treiben. Auf der einen Seite wir Dampfbacken, auf der anderen Seite die lokalen Mauerblümchen. Und auf der Tanzfläche tanzte der Club! Also ich! Es war mir so was von egal, dass Trikotträger außerhalb des Stadions in damaligen Zeiten eher in die Kategorien Problemkind, Schulabbrecher, Alkoholiker, Sträfling und letztendlich Zwangseinweisung in die Klapsmühle, rutschten.
Michael Jackson brüllte gerade „Thriller“ aus den Boxen in mein rechtes Ohr. Die Zeit war reif. Mein Trikot sollte Schweiß zu spüren bekommen, also zappelte ich los. Gegen meinen Moonwalk war ein Sturmlauf von „Eckes Eckstein“ ein laues Lüftchen. Das Clubleibchen verlieh mir Flügel, und das alles ohne diese Brause, vor der wir damals glücklicherweise noch nichts ahnten. Doch bei „Billie Jean is not my lover“ geschah es. Ich verstolperte den Ball, der doch bis dato so locker leicht an meiner linken Klebe hing. Denn ich sah grün. Da flatterte doch tatsächlich ein Fürther Trikot zwischen den wogenden Reihen.
Und das böseste Wesen aller tanzte mich sogar an. Doch je näher ich seinen Klauen geriet, musste ich erkennen, in diesem Fetzen Stoff steckte ein ganz hinreißendes weibliches Geschöpf. Meine Gefühlswelt geriet in Wallung und komplett durcheinander. Als der ambitionierte DJ zudem noch Kunsteis auf uns sprühte und Michael „The girl is mine“ zwitscherte, fiel mir eine Stelle in der Bibel ein, die hatte ich mir im Religionsunterricht genau gemerkt. Da rannten irgendwelche weg und wenn sie sich umdrehten, was sie partout nicht durften, erstarrten sie zu Stein. (Man möge mir meine christliche Ungenauigkeit an dieser Stelle bitte verzeihen.)
Nun lag es an mir, den Ball zu versenken oder doch noch an einen besser platzierten Mitspieler abzugeben. Ich stand unter der rotierenden Diskokugel und eines war klar. Wenn ich dieses Kleeblatt pflückte, würde ich zu Stein erstarren. Doch ihr umwerfendes Lachen umspielte meine Abwehr locker und drang in meinen Strafraum ein, denke ich noch, als ich den ersten richtigen Kuss meines Lebens von einem Mädchen bekam. Wir reden hier nicht von Händchen halten in den Lochgefängnissen! Kathrin aus Mögeldorf hatte gerade einen Mann, wenigstens einen halben, aus mir gemacht.
Ich bin dabei damals ganz bibelfest erstarrt, sie seltsamerweise nicht. „Beat it“, schrie mich Herr Jackson an. Ich musste die Anweisung des King of Pop leider ignorieren. Denn eines wurde mir schon bald vor Augen geführt. Deinen ersten Trikotwechsel vergisst du nie!