Читать книгу Naus zum Glubb - Roland Winterstein - Страница 16
ОглавлениеFAN IN LOVE
Clubfan hin, Cubfan her, manchmal klopft jemand an die Türe deines Herzens, die eigentlich mit einem rot-schwarzen Wimpel fest vernagelt ist. Meistens handelt es sich um eine Vertreterin des weiblichen Geschlechts, mutmaßlich eine äußerst liebreizende. Im allerbesten Falle besitzt sie schönere Beine als die aktuellen Sturmspitzen des FCN. Da stand ich nun ganz lässig im Café Ruhestörung und es war um mich geschehen. Und sie hatte noch nicht mal einen Clubschal durch ihr wallendes Haar geflochten. So schlingerte ich in mein fußballfreies Verderben, denn die Höchststrafe erwartete mich. Sie gab keinen müden Heller auf meine Lieblingssportart.
So eine Konstellation rennt paartechnisch geschehen blindlings ins vorprogrammierte Abseits. Zumal an diesem Abend ausgerechnet Pokal auf dem Programm stand und wir nach Ewigkeiten endlich mal über die zweite Runde hinauskommen wollten. Die Hürde bestand wieder aus einem Verein, der in Sachen Qualität und Geldbörse deutlich über dem unsrigen stand. Ja, ich nannte schon ein Handy mein Eigen, sogar eines mit Antenne, und in Länge und Breite so wuchtig, damit ließe sich prima Wild im fränkischen Forst erlegen. Aus heutiger Sicht stand ich mit meiner drahtlosen Errungenschaft natürlich knietief in der mobilen Steinzeit, doch damals war ich ganz oben mit dabei. Ich rief eine Hotline an, die zur Begrüßung sämtliche Angebote runterleierte, bis man endlich bei dem gewünschten Thema angelangt war: „Wenn Sie die aktuellen Ergebnisse vom DFB-Pokal hören wollen, drücken Sie bitte auf Ziffer 8.“ Das tat ich. Ich tat es oft.
Die Dame meines Herzens reagierte natürlich irritiert, wenn ihr Gegenüber ständig leicht hysterisch an seinem Mobiltelefon rumhantierte und sie keines schmachtenden Blickes würdigte. Ich war wirklich nicht bei der Sache, zumal gerade Marc Oechler den Ausgleich links oben in die Gambel versenkte. Endlich reagierte ich ihrer Meinung nach leidenschaftlich, umarmte und knutschte sie ab, um Sekunden später wieder unruhig die nächste Ansage anzufordern. Dann kam ein folgenschwerer Dialog zustande.
„Was tust du da eigentlich?“
„Hören, wie es beim Club steht!“
Schweigen.
Und ich konnte es ihren Gesichtszügen ansehen. Das für mich Unfassbare nahm in ihr Gestalt (zugegeben recht hübsch) an. Sie besaß nicht den Dunst vom Schimmer einer blassen Ahnung, wer der Club war. Vollkatastrophe. Ich hörte, wie die Nordkurve in mir sang: Sie kann Hause fahren. Ich wollte aber nicht, dass sie nach Hause fuhr. Und dann fiel auch noch das 2:1 für die anderen. Ich steckte das Handy geschlagen in meine Gesäßtasche und lud sie zu einem Spaziergang auf der Kaiserburg ein. Damals ging das noch ohne Voranmeldung. Es war ein wirklich romantisches Plätzchen – heutzutage kommt es eher als Bootcamp für Asiaten daher, die mit begeistert klingenden Lauten alles wegfotografieren, was sich ihnen in der Reichsstadt in den Weg stellt.
Die Dame meines Herzens und ich schlenderten also händchenhaltend am Bratwursthäusle vorbei Richtung Burgberg. In der anderen Hand hielt ich wieder mein Handy, unfassbar, was da in meinen Gehörgang drang: 2:2. Alles war wieder offen. Da standen wir über den Dächern meiner zwar einst zerbombten, aber wieder hübsch aufgebauten Stadt. Ich drückte leise fluchend versehentlich auf die 7: Handballnews. Braucht kein Mensch! „Du magst diesen Club wohl sehr“, flüsterte sie, als ihre Blicke von hier oben bis ins Nürnberger Hinterland schweiften, und es klang wie: Und wie sehr magst du eigentlich mich? Viel zu viele Fragen in dem Moment für mich, denn ich reckte die Faust in die Luft. Yes, Marci, Marci! Dreierpack! Von Marc Oechler! Und mein Marci klang wohl wie: Ich mag dich! Ich mag dich! Das schrie ich runter in die Altstadt wie ein irrsinniger alter Frankenkaiser, der seine Untertanen zum nächsten Feldzug gen Bavaria animieren wollte. Marci! Marci! Fußballgott.
Ich legte ihr lässig meinen Arm und die Schulter.
„Jetzt haben wir sie“, hauchte ich bebend.
„Wen denn?“, fragte sie.
„Na sie, wir haben die dritte Runde erreicht. Und jetzt nur kein schweres Auswärtsspiel zugelost bekommen.“
Sie verstand null, sah dabei aber ganz entzückend aus. Auf dem Weg runter zum Henkersteg weihte ich sie in die heiligen Riten des Pokalmodus ein. In der Weißgerbergasse küsste ich sie voller unbändiger Freude. Denn nicht nur der Club ging an diesem Abend erfolgreich in die Verlängerung. Und ich mit meinem neuen Schatz in die Nürnberger Lochgefängnisse. Der ideale Platz, um Beschützer zu spielen.